„Unterm Böllat“ statt Otto Mörike: Die evangelische Kirchengemeinde hat einen neuen Namen
07.07.2020
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Ein Name ist gefunden, weißer Fußnebel steigt auf. Gestern Nachmittag vor der evangelischen Sankt-Gallus-Kirche in Frommern: Ein Gemeindemitarbeiter dampft den Fußweg zum Friedhof ab. Foto: jo
Manche Dinge dauern gerne etwas länger. In der evangelischen Kirche im Land amüsierte man sich schon über die Gemeinde mit dem sperrigen Namen: Evangelische Kirchengemeinde Frommern/Dürrwangen, Stockenhausen, Zillhausen-Streichen. Das macht 81 Anschläge.
Zum 1.1. 2019 fusionierten die eigenständigen Gemeinden. Die 3.400 Gemeindeglieder waren aufgerufen, Namensvorschläge zu machen und sich dann auf einen Namen zu verständigen. Aber natürlich ist so eine Namenswahl ein Grundsatzentscheid, der vielleicht für die nächsten 100 Jahre gelten soll. Da macht man sich die Sache nicht so leicht.
Kirchengemeinde Frommern, das wäre die einfachste Version gewesen
Man hätte sich natürlich auf Frommern einigen können. Wenn es Stadt Balingen heißt, sind die Stadtteile ja auch mitgemeint.
Kirche aber tickt noch einmal anders. Eine Gemeinde bildet sich wenig auf ihr Rathaus ein. Auf ihre Kirche aber schon. Also wurde getagt und debattiert. Pfarrer Manfred Plog, im Herbst das zehnte Jahr in Frommern, hat die Zeit als sehr arbeitsintensiv in Erinnerung. Inhaltlich hat er sich aus der Diskussion herausgehalten. Und geht nun auch mit dem neuen Namen einig.
„Unterm Böllat“ ist neutral und tut keinem weh
Kirchengemeinde Unter dem Böllat: Das ist neutral. Das tut keinem weh. Damit kann man leben.
Schade ist aber doch, dass der Vorschlag, die Gemeinde nach Otto Mörike zu benennen, gescheitert ist. Schon der Ortschaftsrat war einst dem Vorschlag, die Schule nach Mörike zu benennen, nicht gefolgt. Auch im Kirchennamensstreit fand der aus Dürrwangen (wo Mörike wirkte), favorisierte Vorschlag keine Mehrheit.
Otto Mörike wurde nun zum zweiten Mal abgelehnt
Mörike hat den Nationalsozialisten über Jahre hinweg aufrecht und mutig widerstanden. Er wurde von einem von der SA aufgehetzten Mob misshandelt, bekam Rede- und Aufenthaltsverbot. Davon unbeeindruckt leistete er weiter Widerstand, bot Juden Unterschlupf und engagierte sich nach dem Krieg in der Friedensbewegung und bei Aktion Sühnezeichen.
Ehre für einen mutigen, politischen Pfarrer
Ein politischer Pfarrer also, der durchaus in die heutige Zeit passt, da es plötzlich wieder mutig ist, Haltung zu zeigen und sich einzumischen. Ein Bekenntnis zu Mörike, dem Pfarrer, hätte ein Zeichen sein können, das über die Region hinausstrahlt.
Heute besucht man auch den Gottesdienst in der Nachbargemeinde
Indessen geht anderthalb Jahre nach Vollzug der Fusion alles seinen gewohnten Gang. Am ersten und dritten Sonntag ist Gottesdienst in Frommern und Zillhausen, am zweiten und vierten in Stockenhausen und Dürrwangen. Inzwischen fährt man auch zu den Nachbarn und findet dort womöglich über kurz oder lang neue Freunde. „Das mischt sich gut“, sagt Pfarrer Plog.
Corona lähme das Gemeindeleben zwar. Viele trauten sich noch nicht in die Kirche. Aber das wird schon.
