Sigmaringen

Nach „Pinkel-Video“: Fünf Jahre Haft im Sigmaringer Messerstecher-Prozess

07.03.2024

von Mandy Hornstein

Nach „Pinkel-Video“: Fünf Jahre Haft im Sigmaringer Messerstecher-Prozess

© Julia Brunner

Direkt an der Laizer Straße, kurz vor der Aral-Tankstelle in Sigmaringen, stach der Angeklagte mutmaßlich auf sein Opfer ein.

Ein 22-Jähriger ist im Sigmaringer Messerstecher-Prozess zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Was ein „Pinkel-Video“ mit dem Fall zu tun hat.

Wegen versuchten Mordes hat das Hechinger Landgericht ein Urteil gegen einen 22-jährigen Angeklagten gesprochen. Ihm war vorgeworfen worden, im Juli 2023 dreimal auf einen 23-Jährigen an der Laizer Straße in Sigmaringen in der Nähe der Aral-Tankstelle eingestochen und lebensgefährlich verletzt zu haben.

Richter Volker Schwarz verurteilte ihn zu fünf Jahren Haft. Sein 21-jähriger Komplize, der das Fluchtfahrzeug gefahren haben soll, wurde zu eineinhalb Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Der Zuschauerraum im Gerichtssaal war voll, die Spannung zwischen dem Bekanntenkreis der beiden Angeklagten und dem Bekanntenkreis des Opfers spürbar. Vor der Urteilsverkündung wurden sämtliche Handys im Zuschauerraum eingesammelt und auch die Handgelenke der Zuschauer auf Smartwatches kontrolliert, um Video- und Tonmitschnitte zu verhindern.

Nach dem Urteilsspruch war deutliches Stimmengemurmel aus den Zuschauerreihen vernehmbar. „Es ist jetzt Ruhe, der Nächste, der noch einen Ton von sich gibt, verlässt den Gerichtssaal“, sagte Richter Schwarz. „Das hier ist keine Show-Veranstaltung.“

Flucht nach Frankreich

Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, dreimal auf das Opfer eingestochen zu haben, als er dieses am Straßenrand sah. Dabei verletzte er unter anderem die Leber des 23-Jährigen, der infolgedessen notoperiert werden musste.

Im Anschluss floh der Angeklagte nach Frankreich und versuchte in einem Telefonat mit seiner Mutter ein Alibi zu organisieren. Er wurde einige Wochen später in Paris verhaftet und saß seitdem in Untersuchungshaft.

„Problematisch war das Verfahren deshalb, weil das Opfer eine schwierige Persönlichkeit aufweist“, sagte Schwarz bei der Urteilsbegründung. Das Opfer sitzt aufgrund der Brandstiftung eines ehemaligen Bundeswehr-Munitionslagers in Jungnau bereits in Haft – auch der Angeklagte soll an diesem Fall beteiligt sein und wartet noch auf seine Verhandlung.

„Kritik“ am Staatsapparat?

Allein ein bestimmtes Tattoo auf dem Handrücken des Opfers, welches als Polizistenbeleidigung gilt, mache deutlich, was dieser vom Staatsapparat halte. Auch wenn die Glaubwürdigkeit des Opfers infrage gestellt werden könne, sei es deutlich gewesen, dass die Zeugenaussagen der Freunde nicht miteinander abgesprochen wurden, so der Richter.

Letztendlich sei das Gericht jedoch davon überzeugt, dass die Flucht nach Frankreich und die versuchte Beschaffung des Alibis dafür spreche, dass der Angeklagte schuldig sei.

Pinkel-Video als Motiv

Das vorangegangene „Pinkel-Video“, in dem das Opfer dem Angeklagten ins Gesicht urinierte und das anschließend viral ging, sei ein deutliches Motiv für die Tat. Zudem liege die Heimtücke vor, da das Opfer überraschend angegriffen wurde und keine Chance gehabt hätte, sich zu verteidigen.

„Sie mussten davon ausgehen, dass ihr Opfer stirbt, wenn Sie es dreimal auf der linken Körperhälfte verwunden und dann liegen lassen“, sagte der Richter. „Sie hatten Glück, dass Ihr Opfer überlebt hat. Ihnen muss klar sein, wie knapp Sie an einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe vorbeigeschlittert sind“, sagte er.

Komplize bekommt Bewährung

Sein Komplize wurde wegen Beihilfe zur einfachen Körperverletzung zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Hinzugezogen zum Strafmaß wurde noch eine weitere Anklage zur gefährlichen Körperverletzung, die ebenfalls in diesem Verfahren verhandelt wurde.

Gegen das Urteil können die Verfahrensbeteiligten nun innerhalb einer Woche Rechtsmittel einlegen.

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