Albstadt

Muster des Vorfalls an Kreissporthalle Albstadt deutet auf rechtsextreme Gruppe hin

27.10.2023

von Klaus Irion/Holger Much/Dagmar Stuhrmann

Muster des Vorfalls an Kreissporthalle Albstadt deutet auf rechtsextreme Gruppe hin

© Hannah Irion

Die Albstädter Feuerwehr näherte sich am Donnerstag per Drehleiter dem Dach der Kreissporthalle. Die mutmaßlich rechtsextremen Verursacher des Einsatzes hatten kurz zuvor nach Polizeiangaben wohl eine manuelle Leiter benutzt, um für eine Protestaktion auf das Hallendach zu steigen.

Hinter der Rauchpatronen-Banner-Aktion auf dem Dach der Albstädter Kreissporthalle scheint eine rechtsextreme Gruppierung zu stecken, die landesweit schon mehrfach in ähnlicher Weise auf sich aufmerksam gemacht hat. Der Initiator der Sonntagsdemonstrationen in Albstadt, Marco Stumpp, distanziert sich derweil von der Aktion und deren Akteure, konstatiert aber gleichwohl „wachsenden Widerstand“ gegen die Zweckentfremdung der Kreissporthalle.

Als „absolut absurd und widersinnig“ kritisiert der Rektor des Albstädter Walther-Groz-Schulzentrums, Hans-Jörg Fink, zu der die Kreissporthalle gehört, die Aktion mit der Rauchpatrone am Donnerstagabend. Vor allem vor dem Hintergrund, dass Unterricht in der Halle stattgefunden habe. „Die konkret davon betroffenen Schülerinnen und Schüler“, so formuliert der Schulleiter, „haben die Sache wohl bisher eher unter der Kategorie „Fehlalarm“ verbucht“, die Schule würde zahlreiche Übungen veranstalten.

Aber, so Fink, man könne in die Kinder und Jugendlichen ja auch nicht reinschauen. Und diese, zumindest bisher eher ruhige Reaktion sei natürlich in keiner Weise vorherzusehen gewesen. Als die Nachricht eines Anschlags mit Rauchbombe im Rektorat bekannt wurde, „sind wir in der Zeit, in der nicht genau bekannt war, was genau geschehen ist und wie es den Schülerinnen und Schülern geht, unglaublich in Sorge gewesen“.

Sorgen bei Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften der Walther-Groz-Schule

Natürlich, so Fink „beobachten wir Bedenken bis hin zu ernsten Sorgen“, was die auf die Schule als Ganzes zukommenden Aufgaben betrifft“. Dies sowohl bei Schülerinnen und Schüler als auch bei den Lehrkräften. Andererseits, das sei auch jüngst bei einer Versammlung mit allen Schülersprecherinnen und -sprechern deutlich geworden, bestehe eine große Bereitschaft, sich der „ganzen Thematik mit offenem Visier“ zu nähern. Das findet Hans-Jörg Fink in der aktuellen Situation „extrem beachtlich“.

Das Zünden von Rauchpatronen auf dem Dach der Kreissporthalle in Albstadt bewertet die Polizei laut dpa-Meldung als „wahrscheinlich politisch motivierte Tat“. Die Frage, wer für die Rauchbombe und das fremdenfeindliche Transparent verantwortlich zu sein scheint, ist unschwer zu erkennen. Beim Nachrichtendienst „X“, vormals Twitter, verweist eine Gruppe, die sich „Reconquista21“ (R21) nennt, auf „Aktivisten, die auf der größten Sporthalle in Albstadt Ebingen protestieren“. Grund für diese Aktion sei „sich dem lokalen Bürgerprotest anzuschließen“. Gemeinsam könne man den Bevölkerungsaustausch in der Heimat verhindern. Auf dem Banner, das auf dem Hallendach entrollt wurde, ist das Symbol „R21“ zu erkennen.

Mehrere Personen an der Aktion beteiligt

Eine Nachfrage bei der Polizeipressestelle ergab, dass die Personen, die das Banner angebracht und die Rauchpatrone gezündet haben, eine Leiter benutzt haben müssen, um auf das Dach zu gelangen. Die Leiter sei aber vor Ort nicht gefunden worden. Die Ermittlungen hätten jedoch ergeben, so die Polizei, dass die Fluchttreppe am Gebäude nicht benutzt worden ist. Den polizeilichen Erkenntnissen zufolge waren mehrere Personen an der Aktion beteiligt.

Albstädter Protestierende: „Wir waren es nicht“

Die Albstädter Protestierenden wollen sich derweil nicht von den Rechtsextremisten von „Reconquista 21“ vereinnahmen lassen. Am Freitagvormittag erreichte die Redaktion des ZOLLERN-ALB-KURIER eine Nachricht der bisherigen Organisatoren der seit Jahren regelmäßigen Sonntags-Demos durch die Ebinger Innenstadt. Initiator Marco Stumpp wandte sich mit dem Umweg über die Pressestelle der Stadt Albstadt an die Presse, um klarzustellen, dass die Bewegungen „Baden-Württemberg steht auf“ und „Albstadt steht auf“, sich „ganz klar von dieser Aktion an der Kreissporthalle“ distanzieren.

„Wir waren und sind noch nie gewalttätig oder aggressiv gewesen und haben noch nie irgendwelche Anschläge verübt!“ Die Organisatoren der üblichen Sonntagsdemos bitten die Pressestelle der Stadt Albstadt in ihrer Mail darum, „dies der Presse so mitzuteilen und es klarzustellen, dass es nichts mit den Demonstranten vom letzten Sonntag zu tun hat“.

Auf seiner privaten Facebookseite äußerte sich Stumpp in gleicher Weise. Dazu teilte er Fotos der Aktion und schrieb dazu, dass „eine neue separate Gruppe nun auch auf das Problem aufmerksam macht“. Und er fügt hinzu: „Der Widerstand wächst“. In diesem Zusammenhang warb er auch für die sonntägliche Demo durch die Ebinger Innenstadt.

Rauchbomben und Banner gehören offenbar zum Programm der „Identitären“

Es ist offensichtlich nicht die erste Aktion dieser Art, die Mitglieder der sogenannten „Identitären Bewegung“ oder eben eine ihrer Untergruppen wie nun „Reconquista 21“ in diesem Jahr verantwortet haben. So wurde am 23. Juli auf dem Eingangsdach des Stuttgarter Inselbads ebenfalls eine Rauchbombe gezündet und ein Banner entrollt. Selbiges geschah bereits am 9. Februar vor einer Flüchtlingsunterkunft im bayerischen Peutenhausen.

Zu Letztgenanntem Fall schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ seinerzeit: „Am Morgen versammelten sich demnach sechs zum Teil vermummte Personen auf der Straße vor der Asylunterkunft und zündeten Rauchkörper, aus denen roter Signalrauch aufstieg. Dazu entrollten sie ein circa zehn bis 15 Meter großes Transparent und blockierten den Verkehr.

Große Razzia in Baden-Württemberg im August

Unter anderem dieser Vorfall soll am 31. August Anlass für eine große Razzia bei Mitgliedern der „Identitären Bewegung“ in Baden-Württemberg, Bayern und der Schweiz gewesen sein, wie der „Zeitungsverlag Waiblingen“ seinerzeit vermeldete.

Der baden-württembergische Verfassungsschutz beobachtet seit Jahren die IB-Aktivitäten. In seinem aktuellen Verfassungsschutzbericht findet sich folgende Charakterisierung dieser Rechtsextremen: „Die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) spricht in erster Linie junge Erwachsene an. Sie vertritt fremden- und islamfeindliche Positionen, die sie vor allem im Internet verbreitet. Ihre Anhänger nehmen für sich in Anspruch, angebliche lokale, regionale, nationale und europäische Identitäten oder Kulturen zu bewahren.“ Die baden-württembergischen IB-Gruppen seien im Berichtsjahr aktiver gewesen als im Vorjahr, aber auf vergleichsweise niedrigem Niveau. „Sie traten mit einzelnen Banner- und Plakataktionen sowie mit Internetbeiträgen in Erscheinung“, berichten die Verfassungsschützer.

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