Rosenfeld

Longolis Schicksal treibt ihn an: Der Leidringer Reinhold Helm initiiert ein neues Hilfsprojekt

23.12.2022

Von Rosalinde Conzelmann

Longolis Schicksal treibt ihn an: Der Leidringer Reinhold Helm initiiert ein neues Hilfsprojekt

© Privat

Im Nordosten Ugandas herrscht eine Dürre. In Kotido sind bereits 900 Menschen an den Folgen von Hunger in diesem Sommer gestorben. Die Bäuche der Kinder sind voller Würmer aufgebläht.

Der Hunger zeigt sein grausames Gesicht, titelte der Nachrichtensender n-tv im Sommer über die blanke Not, die in der Region Karamoja in Nord-Uganda seit dem Sommer herrscht. Der Leidringer Reinhold Helm hat im Oktober in dieses grausame Gesicht geblickt und beschlossen, dass er nicht untätig zuschauen wird. Helm gründete ein neues Hilfsprojekt: StoppHunger.de. Die Begegnung mit der elfjährigen, halb verhungerten Longoli gab letztlich den Ausschlag für sein Handeln.

Neun Tage war der Kameramann und Fotograf im Oktober für das Hilfswerk CDH Stephanus Trossingen, dem er seit 2017 als ehrenamtlicher Geschäftsführer vorsteht, in Uganda. Der 34-Jährige machte sich ein persönliches Bild vom Fortschritt der bisherigen Stephanus-Hilfsprojekte „1000-Schüler“ und „1000 Ziegen für Afrika“.

„Eines der Reiseziele war, die Schulgebühren für das letzte Trimester des 1000-Schüler-Projektes zu übergeben. Dabei war uns wichtig, vor Ort die neuerbauten Klassenzimmer zu besichtigen, einen persönlichen Eindruck vom Unterricht zu bekommen und die Anwesenheit der Schüler zu überprüfen“, erzählt er im Gespräch mit der Redaktion. Denn in den vergangenen Monaten hätten sich einige geflüchtete Familien wieder zurück in den Südsudan gewagt. Dank des Projekts konnten in diesem Schuljahr 569 Kinder den Unterricht besuchen.

Helm hört den Kindern zu

Helm nimmt sich trotz des getakteten Zeitplans Zeit, um den Kindern zuzuhören und staunte über ihre Zukunftspläne. „Es ist ein überwältigendes Gefühl, wenn ich nach 2019 zurückschaue und sehe, was wir seither erreicht haben“, meint er und fügt an, dass er megaglücklich sei, wie die Schülerinnen und Schüler heute dastünden. Er wiederum erzählte den Kindern, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die von ihrer Geschichte gehört haben und nicht einfach wegsehen, dass ihre Schicksale Gehör finden und viele Menschen deshalb gerne helfen.

Er spricht über seine Hoffnung

Er sprach auch über die große Hoffnung, die ihn antreibt: Dass eine Generation von Handwerkern, Lehrern, Ärzten, Rechtsanwälten, Politikern, zukünftigen Familien, Vätern und Müttern, gut ausgebildet in ihr Land zurückkehren werden.

Auch vom phänomenalen Erfolg des 1000-Ziegen-Projekts überzeugte sich der Leidringer: So konnte er die Verteilung weiterer Ziegen an die Familien vor Ort live miterleben und hatte auch immer wieder Begegnungen mit Menschen, die im vergangenen Jahr eine Ziege gespendet bekommen hatten und diese freudestrahlend zeigten – oft neben einem neugeborenen Zicklein. Laut Helm hat das Hilfswerk bereits 1037 Ziegen gespendet, ein Restbudget für 200 weitere Ziegen ist noch vorhanden.

Longolis Schicksal treibt ihn an: Der Leidringer Reinhold Helm initiiert ein neues Hilfsprojekt

© Privat

Das Schicksal der elfjährigen Longoli (im grünen T-Shirt) hat Reinhold Helm (knieend) sehr bewegt.

Diese Begegnungen waren es, die dem 34-Jährigen die Kraft gegeben hat, das Leid zu ertragen, das er auf dem Rückweg sehen sollte. Das Team war gebeten worden, einen Halt in Karamoja im Nordosten Ugandas zu machen. Wegen der anhaltenden Dürre im Osten Ugandas hatte das Hilfswerk in den vergangenen Monaten aus dieser Region viele Hilfsanfragen erhalten. Deshalb wollte er sich persönlich vor Ort ein Bild von der aktuellen Situation machen.

Es übersteigt seine Beschreibungskraft

„Das, was wir in in Karamoja erlebt haben, übersteigt meine Beschreibungskraft. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich Menschen begegnet, deren Kinder an Hunger gestorben oder akut gefährdet sind, an den Folgen von Mangelernährung zu sterben“, schildert er sein Entsetzen über die Situation vor Ort.

Ein tödlicher Kreislauf

Seine Schilderungen: komplett ausgetrocknete Bäche, ringsum angepflanzte Maisfelder, die komplett verdorrt sind, teilweise totes, ausgedorrtes Vieh auf den Feldern. Aufgrund des Wassermangels trinken die Menschen aus verschmutzten Tümpeln und Pfützen. Die Bäuche der Kinder sind aufgebläht, voller Würmer. Weil kein Wasser da ist, leidet die Hygiene, die Augen der Kinder sind voller Fliegen. Diese legen ihre Larven zum Teil in den Wunden der Kinder ab, was zu schweren Infektionen führt. Die Körper der Kinder sind so geschwächt, dass sie nicht gegen die Infektion wehren können. Ein tödlicher Kreislauf.

Longolis Schicksal treibt ihn an: Der Leidringer Reinhold Helm initiiert ein neues Hilfsprojekt

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Das 1000-Ziegen-Projekt hat die 1000er-Marke geknackt und öffnet die Herzen, sagt Helm.

Es ist wieder ein Einzelschicksal, das Reinhold Helm nicht loslässt, ihn zum Handeln antreibt und ein weiteres Hilfsprojekt anstößt. Im Sommer hatte er in einem Facebook-Posting ein Foto eines vollkommen unterernährten Mädchens entdeckt, das ihn bewegte. Er bat einen ugandischen Bekannten, in dieser Region ein Screening durchzuführen und einen Lebensmitteltransporter zu organisieren.

Am letzten Tag auf der Rückfahrt hielt der Laster in der Nähe von Kotido in einem typischen Karamajong-Dorf an. Zu Helms Überraschung hatte sein ugandischer Mitarbeiter die Familie ausfindig machen können. Helm lernte so die elfjährige Longoli und ihre Mutter persönlich kennen. „Beim Abschied hatten sie Tränen und Dankbarkeit in den Augen“, erzählt er. Nach dieser Begegnung war für ihn klar, dass er diesen Menschen helfen wird.

Ein Team ist vor Ort

Das Ziel der Stoppt-den-Hunger-Initiative ist es, kurzfristig Lebensmitteltransporte zu organisieren, mittelfristig Saatgut zu pflanzen und langfristig Menschen auszubilden, um Landwirtschaft unter diesen schweren Bedingungen zu etablieren. Dafür hat das Hilfswerk ein vierköpfiges Mitarbeiterteam aus der Region zusammengestellt, das in Karamoja das Projekt initiieren und eine Infrastruktur aufbauen wird. Denn, obwohl die schreckliche Hungersnot medial thematisiert werde, geschehe vor Ort nur wenig, sagt Helm.

Für zehn Euro ein großes Paket

Die Lebensmittel, die benötigt werden, sind vor allem Reis, Maismehl, Zwiebeln und Bohnen. „Für 10 Euro können wir ein Lebensmittelpaket mit 4 Kilo Reis, einem Kilo Bohnen und 2 Kilo Maismehl schnüren“, verdeutlicht Helm. In der Regel kämen noch ein paar Beigaben wie Tomaten, Zwiebeln, Zucker und Salz hinzu. Das Hilfswerk hat zudem Geld hinterlassen, damit die Kinder in Krankenstationen gegen den Würmer- und Parasitenbefall behandelt werden.

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Das 1000-Schüler-Projekt ist ein großer Hoffnungsträger. Noch bis Jahresende läuft eine Spenden-Challenge.

Reinhold Helm hat seinen eigenen Kindern, die 3, 8, 11 und 13 Jahre alt sind, auch von dieser Reise erzählt. Für sie ist es Alltag, dass ihr Vater seit über sieben Jahren in der Entwicklungsarbeit ehrenamtlich tätig ist. „Das Bewusstsein, dass es uns gut geht, ist da“, sagt ihr Vater. Wer spenden will, erfährt die Details auf der Website StoppHunger.de

Spenden-Challenge

Im vergangenen Schuljahr wurden 569 Kinder eingeschult. Dieselbe Zahl ist das Ziel für 2023. Befreundete Unternehmer und Unterstützer fordern das Hilfswerk Stephanus nun heraus: Wenn dieses es bis zum 31. Dezember schafft, weitere 12.000 Euro Spenden zu sammeln, wird die Spendensumme verdoppelt. Es konnten bereits Spenden für 166 Schüler gesammelt werden. Bleiben 403 Schüler, die mit einer erfolgreichen Challenge aus der Abwärtsspirale aus Trauma, Flucht und Analphabetismus befreit werden können, sagt Helm. Die Kontonummer steht auf 1000schüler.de.

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