Balingen

Kontroverse um den Vorsitzenden der TSG Balingen endet mit Wahl eines neuen Vorstands

16.03.2024

Von Klaus Irion

Kontroverse um den Vorsitzenden der TSG Balingen endet mit Wahl eines neuen Vorstands

© Klaus Irion

Sie bilden den neuen Vorstand der TSG Balingen. Von links: Vorstandsmitglied und Ehrenvorsitzender Jürgen Koch, Vorsitzender Tom Jessen, Schatzmeisterin Sabine Francina, Vorstandsmitglied und Ehrenvorsitzende Ute Hirthe sowie Vorstandsmitglied Werner Jessen.

Ein chancenloser Vorsitzender, der doch wiedergewählt werden wollte. Ein neuer Vorstand, in dem auch Ehrenvorsitzende wieder aktiv ins Geschehen eingreifen. Dazu die Erkenntnis, dass der Sport, auch der im Amateurbereich, niemals völlig unpolitisch ist. So verlief die Hauptversammlung der TSG Balingen.

„Wenn man einen Sportverein führt und gleichzeitig lokalpolitisch engagiert ist, dann lässt sich das nie völlig trennen.“ Gesagt hat das am Freitagabend in der Sülzle Lounge der Balinger Bizerba-Arena nicht der kurz danach abgewählte Vorsitzende der TSG Balingen, Menso Hobbing, sondern Balingens Oberbürgermeister Dirk Abel.

„Sport ist immer auch politisch“

Abel selbst war vor seiner Wahl zum Balinger Stadtoberhaupt Vorsitzender der Spvgg Mössingen und Stadtverbandsvorsitzender der Mössinger CDU. Für ihn war, wie er die rund 150 anwesenden TSG-Mitglieder wissen ließ, dies nie ein Problem. „Man muss eben nur offen damit umgehen, denn Sport ist immer auch ein Stück weit politisch.“ Und sei es ausschließlich kommunalpolitisch. Der OB verwies auf die aktuelle Diskussion um den Kunstrasenplatz des vor geraumer Zeit von der TSG abgekoppelten Vereins TSG Fußball.

Aber auch die TSG selbst hat schon seit längerem Wünsche, die ohne die (finanzielle) Zustimmung des Balinger Gemeinderats nicht zu realisieren sind. Stichwort: Bessere Trainingsbedingungen für die Drittliga-Turnerinnen.

Keine Teilnahme an Kundgebung

Der bisherige TSG-Vorsitzende Menso Hobbing glaubte, Sport und Kommunalpolitik auseinanderhalten zu können. Dabei war es gerade ein politischer Akt, der den Anfang vom Ende seiner Tätigkeit als TSG-Vorsitzender einläutete. Er selbst sprach in seiner Rede als Noch-Vorsitzender am Freitagabend „von dieser Demonstration vor wenigen Wochen in der Balinger Innenstadt“. Gemeint war die Kundgebung vieler Parteien, Gruppen und Vereine gegen Hass und Hetze und gegen den zunehmenden Ruck in der Gesellschaft in Richtung Rechtspopulismus.

„Als die Veranstalter auch bei der TSG angefragt haben, ob wir als Verein auch dafür werben und daran teilnehmen würden, war für mich klar, dass wir das nicht tun, weil wir das vereinsrechtlich gar nicht dürfen“, argumentierte Hobbing. Schließlich könne ein politisches Engagement eines Sportvereins bis hin zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen. „Ich weiß, dass es innerhalb der TSG Mitglieder gegeben hat, die diese Nicht-Teilnahme nicht verstanden haben“, erklärte Hobbing.

Kontroverse Diskussionen im Vorfeld

Das Tischtuch zerschnitten zwischen dem Verein und seinem Vorsitzenden wurde aber endgültig, als durchsickerte, dass Hobbing sich auf die Liste der AfD für den Balinger Gemeinderat hatte setzen lassen. „Wobei ich betone, dass ich dies als Nicht-Mitglied der AfD tue.“ Er könne einfach nicht mehr zusehen, wie in Deutschland alles kaputtgehe und alles auf schwarz und weiß reduziert werde, erklärte er in der Hauptversammlung seine Beweggründe.

Schon vor der Versammlung hatten die übrigen aktuellen und ehemaligen Vereinsverantwortlichen darüber kontrovers diskutiert, wie man mit dieser Situation umgehen sollte. Es sei darum gegangen, öffentlichen Schaden von der TSG abzuwenden. Aber auch gegenüber den Sponsoren ein Signal zu setzen, dass im abteilungsstärksten, aber seit der Abkoppelung der Fußballer nicht mehr mitgliederstärksten Verein Balingens kein Platz für rechtspopulistische Aktivitäten ist. So war es hinter vorgehaltener Hand zu vernehmen.

Große Mehrheit für Vorstandsmitglieder

Wer dann am Freitag vor Ort erlebte, wie zügig mit dem Ehrenvorsitzenden Jürgen Koch ein Versammlungsleiter bestimmt und mit Tom Jessen ein Gegenkandidat zu Menso Hobbing gefunden wurde, dem war bewusst, dass man sich über die TSG-Personalien bereits im Vorfeld verständigt hatte. Selbstverständlich konnte niemand voraussagen, wie die anwesenden Mitglieder über die vorgeschlagenen Vorstandskandidaten – neben Tom Jessen waren dies die Ehrenvorsitzende Ute Hirthe, Jürgen Koch und Werner Jessen, die alte und neue Schatzmeisterin Sabine Francina, die Beisitzer im Hauptausschuss Jutta Mayer-Reichart, Ute Mayer sowie Rudi Bareth und die Kassenprüfer Karl Saile und Olga Renner – abstimmen würden. Am Ende aber wurden sämtliche Kandidaten mit ganz großer Mehrheit gewählt.

Kontroverse um den Vorsitzenden der TSG Balingen endet mit Wahl eines neuen Vorstands

© Klaus Irion

Die beiden Ehrenvorsitzenden Ute Hirthe und Jürgen Koch überreichten dem abgewählten Vorsitzenden Menso Hobbing ein Präsent.

Unmittelbar vor der Wahl des Vorsitzenden hatte Menso Hobbing noch erklärt, dass er den Vorschlag, ihn wiederzuwählen, nicht ausschlagen werde, „um hier eine demokratische Wahl zu gewährleisten“. Im Gespräch mit dem ZAK tags zuvor hatte er sich noch alle Optionen offengehalten. Es blieb letztlich bei einer Stimme für ihn. Die einer älteren Dame, die ihn auch vorgeschlagen hatte und meinte: „Herr Hobbing hat doch niemandem etwas getan.“

Tom Jessen lobt Arbeit auf der Geschäftsstelle

Nach der Wahl richtete der neue TSG-Vorsitzende Tom Jessen den Blick nach vorne. „Ich denke, ich bin nach 30 Jahren Mitgliedschaft in der Leichtathletikabteilung erfahren genug für diese Position.“ Jessen ist seit vielen Jahren Abteilungsleiter Leichtathletik und bekleidete zuletzt auch das Amt des stellvertretenden Gesamtvorsitzenden. Außerdem wisse er, welch hervorragende Arbeit auf der TSG-Geschäftsstelle geleistet werde, was ihm bei seiner künftigen Tätigkeit sehr helfe. Jessens Lob ging direkt an die Geschäftsführerin des Vereins, Martina Lubitz.

Einstimmige Entlastung

Aber auch bei der Arbeit der bisherigen Vorstandsmitglieder gab es am Freitagabend in verwaltungstechnischer und sportlicher Hinsicht nichts zu kritisieren. Die Kassenlage ist zufriedenstellend, die Kassenprüfer konnten erfolgreich Vollzug melden. Jürgen Koch übernahm die Entlastung, die von den Mitgliedern einstimmig erteilt wurde. Sabine Francina schließlich gab noch einen bebilderten Überblick aufs vergangene Jubiläumsjahr zum 175-jährigen Bestehen der TSG Balingen.

Diesen Artikel teilen: