Hechingen

„Klimaschutz fängt vor der Haustür an“: Jürgen Baumer will Hechinger zum Gemüse-Anbau animieren

01.03.2024

Von Olga Haug

„Klimaschutz fängt vor der Haustür an“: Jürgen Baumer will Hechinger zum Gemüse-Anbau animieren

© Olga Haug

Hechingens Klimaschutzmanager Jürgen Baumer und Büchereileiterin Stefanie Pilat machen bei der neuen Saatgutbibliothek gemeinsame Sache.

In der Stadtbücherei Hechingen gibt es neuerdings eine Saatgutbibliothek. Klimaschutzmanager Jürgen Baumer erklärt im ZAK-Interview, wie er die Hechinger zum eigenen Gemüseanbau animieren will – und was das fürs Klima bringt.

Herr Baumer, neuerdings gibt es eine Saatgutbibliothek in der städtischen Bücherei. Wie kamen Sie auf die Idee?

Jürgen Baumer: Während der Erarbeitung des Maßnahmenpakets zum Integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept wurden neben einer intensiven Bürgerbeteiligung auch alle Fachbereiche und städtische Einrichtungen der Stadtverwaltung interviewt und Projekte, die dem Klimaschutz dienen, gemeinsam entwickelt. Stefanie Pilat, Leiterin der Stadtbücherei Hechingen, unterstützte die gemeinsame Idee, Hobbygärtnern ein solches Angebot bereitzustellen.

Wie trägt die Saatgutbibliothek zum Klimaschutz bei?

Der Klimaschutz hat mehrere Facetten. Neben einer Transformation – weg von den fossilen Energieträgern, Treibhausgase reduzieren und die auf uns zukommenden Klimafolgen abwehren – ist der Naturschutz ein überlebensnotwendiger Teil des Klimaschutzes. Die Saatgutbibliothek soll dabei unterstützen, gentechnikfreies und regionales Gemüse oder Kräuter anzubauen und zu genießen. Ganz nebenbei tragen die Hobbygärtner auch zur Artenvielfalt also zum Artenschutz bei.

Was sind die kurzfristigen und was die langfristigen Ziele der Saatgutbibliothek?

Kurzfristig würden wir uns freuen, wenn sich die Saatgutbibliothek bei den Hechinger und Hechingerinnen etablieren würde und die Nachfrage so stark ist, dass wir über eine Sortenerweiterung nachdenken können. Langfristig sollte sich durch den Tausch der gewonnenen Samen ein Netzwerk bilden, das seine Erfahrungen an junge Hobbygärtner weitergibt. Wir verfolgen damit ein wichtiges Ziel: Konsumenten den Genuss selbstangebauter, gesunder und regionaler Bioprodukte zu ermöglichen.

Im Zusammenhang der Saatgutbibliothek ist auch von Urban Gardening die Rede. Was ist das?

Urban Gardening ist gemeinschaftliches Gärtnern in der Stadt. Dabei finden sich Interessierte zusammen, um auf kleinen Flächen, nachhaltig und unter biologischen Gesichtspunkten, einen sortenreichen Garten anzulegen. Das soziale Miteinander aller Generationen und unter freiem Himmel steht hier im Vordergrund.

„Klimaschutz fängt vor der Haustür an“: Jürgen Baumer will Hechinger zum Gemüse-Anbau animieren

© Volkshochschule Hechingen

Hier, auf einem Grundstück zwischen der Oelser Straße und Am Fürstengarten, treffen sich Hobbygärtner zum gemeinsamen Gärtnern, dem sogenannten Urban Gardening. Geleitet wird das Projekt von der Volkshochschule Hechingen, die den Kontakt für Interessierte herstellt.

Gibt’s das auch in Hechingen?

Bisher gibt es eine engagierte Gruppe, die von der Stadt ein Gartengrundstück zwischen der Oelser Straße und Am Fürstengarten zur Verfügung gestellt bekommen hat. Wer mitmachen möchte, kann sich bei der Volkshochschule melden. Sie vermittelt den Kontakt zur Gruppe. Urban Gardening sehe ich als aktiven Beitrag zur Stärkung der urbanen Biodiversität gemäß dem Stadtentwicklungskonzept „Strategie Hechingen – 2030+“.

Ist die Saatgutbibliothek die erste Maßnahme des Klimaschutzkonzeptes, die konkret umgesetzt wurde?

Das vom Gemeinderat im Juni 2023 beschlossene Integrierte Energie- und Klimaschutzkonzept beinhaltet über 70 Maßnahmen mit weit über 100 Einzelprojekten. Davon sollen 35 Maßnahmen sofort beziehungsweise in den nächsten zwei Jahren angegangen werden oder bereits umgesetzt sein. Die Eröffnung der Saatgutbibliothek ist eines dieser Projekte. Eine Vielzahl der Maßnahmen ist in der Umsetzung oder in der Planung.

Welche Projekte des Klimaschutzkonzeptes sollen als Nächstes folgen?

Jede Maßnahme aus insgesamt 9 Sektoren ist den Fachbereichen, Sachgebieten und städtischen Eigenbetrieben zugeteilt worden. Ich bin mir sicher, dass die zuständigen Kollegen und Kolleginnen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, zunächst die kurzfristig umzusetzenden Projekte angehen. Selbstverständlich wird ein ständiges Monitoring stattfinden, um zu sehen, wo die Stadt hinsichtlich ihrer Zielvereinbarung steht. Ich selbst beschäftige mich mit der Öffentlichkeitsarbeit zum Klimaschutz, mit der Unterstützung der neu gegründeten Bürgerenergiegenossenschaft Hechingen, der kommunalen Biotopverbundplanung, dem ständigen Austausch im Netzwerk der Klimaschutzbeauftragten im Landkreis und mit der sehr engagierten Energieagentur Zollernalb, der Energieberatung und der Werbung für Dachflächenphotovoltaikanlagen – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Langeweile kommt bei dieser Aufgabe nicht auf.

Welche Maßnahme im Klimaschutzkonzept ist Ihrer Ansicht nach die wichtigste?

Eines der zwei wichtigsten Projekte ist die Transformation, hin zu den „grünen Energien“. Wir sollten einen Energiemix aus mehreren Energiequellen anstreben, der eine treibhausgasneutrale Produktion gewährleisten und am Ende ihrer Nutzungszeit wieder recycelt werden können. Dazu gehören selbstverständlich Wind- und Photovoltaikanlagen. Es wird entscheidend sein, dass man in einem konstruktiven Miteinander die Möglichkeiten auslotet, wo in Hechingen Windkraftanlagen oder Freiflächenphotovoltaikanlagen gebaut werden können. Gleichzeitig haben wir in Hechingen ein noch auszuschöpfendes Dachflächenpotential. Hier können die Hauseigentürmer zu noch mehr Klimaschutz beitragen. Nebenbei machen sie sich ein Stück weit unabhängig von den steigenden Energiepreisen. Sicher ist, dass wir diese Zukunftsenergie nicht nur für die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder benötigen, sondern auch für den Erhalt unserer geschätzten Heimat und den Wirtschaftsstandort Hechingen. Wir haben den Auftrag, den kommenden Generationen einen noch lebenswerten Planeten zu vererben.

Welche Tipps haben Sie, die jeder in seinem Alltag umsetzen kann, um ein kleines bisschen klimafreundlicher zu sein?

Hier will ich keinen belehren. Ich denke, dass das Bewusstsein vorhanden ist, dass der Klimaschutz uns alle angeht und jeder und jede auch einen Beitrag dazu leisten kann. Klimaschutz fängt vor der eigenen Haustüre und in kleinen kontinuierlichen Schritten an. Alle müssen einen Beitrag leisten. Leider ist der Klimaschutz aufgrund geopolitischer Krisen ein wenig in den Hintergrund geraden. Wichtig ist jedoch, dass wir positiv bleiben und uns darüber im Klaren sind, dass wir die Erderwärmung noch aufhalten können. Wir müssen nur jetzt damit anfangen. Meine Tipps: Machen Sie bei der diesjährigen Earth Hour am 23. März, eine weltweite Aktion für mehr Klimaschutz, mit und schalten Sie für eine Stunde ihre Beleuchtung zu Hause aus. Werden Sie aktiv und informieren Sie sich über ein klimafreundliches Verhalten in Ihrem Alltag. Informationsquellen gibt es genug.

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