Schörzingen

Bei Gedenkfeier der Initiaitve Eckerwald in Schörzingen kommen Enkel von KZ-Überlebenden zu Wort

21.04.2024

Von Daniel Seeburger

Bei Gedenkfeier der Initiaitve Eckerwald in Schörzingen kommen Enkel von KZ-Überlebenden zu Wort

© Daniel Seeburger

Mitglieder der Verwaltung und der Initiative Eckerwald mit den Angehörigen von Überlebenden des KZ Dautmergens: (von links) Wieslawa Melwinska, Rottweils Bürgermeisterin Ines Gaehn, Dorota Nowakowska, Iga Kozlakowska, Schömbergs Bürgermeister Karl-Josef Sprenger, Gaston Raths, Wieslaw Majchrzak, Klara Majchrzak und Brigitta Marquart-Schad von der Gedenkstätte Eckerwald.

Gibt es noch genügend Interesse an der Vergangenheit? Diese Frage stellte Gaston Raths aus Luxemburg bei der Gedenkfeier auf dem Schörzinger KZ-Friedhof. Rund 100 Gäste waren gekommen, einige mussten sogar vor der Kapelle im Schnee stehen, weil der Platz knapp war. Dabei auch Jugendliche und junge Erwachsene. Das Gedenken, so wurde es am Sonntag deutlich, wird weitergetragen. Aber es ist anders als zuvor.

Die Überlebenden der KZ Dautmergen, Schörzingen und Schömberg sind zwischenzeitlich verstorben. Die Zeugnisse von der Gewalt, dem Schrecken und dem Unrecht in den KZ im Oberen Schlichemtal sind aufgeschrieben, können aber nicht mehr aus direkter Quelle aufgenommen werden. Aber sie werden nicht vergessen. Die Erinnerungskultur heutzutage ist anders, hat eine Wandlung durchgemacht. Die Kinder und Enkelkinder der KZ-Opfer tragen die Zeugnisse ihrer Eltern weiter in die Gegenwart. Denn der Schrecken ist auch 80 Jahre nach dem Geschehenen noch manifest.

Erinnerung an die Urgroßväter

Auf dem KZ-Friedhof Eckerwald kamen am Sonntag die Urenkel zu Wort. Klara Majchrzak beispielsweise, die mit der Violine „Chanson triste“ von Peter Tschaikowski spielte, das Lieblingslied ihres Urgroßvaters Stanislaw Majchrzak, einem Überlebenden des KZ Dautmergen. Er starb 2016.

Oder Iga Kozlakowka aus Polen, die von ihrem Urgroßvater Jacek Zieliniewicz berichtete, der die KZ Ausschwitz und Dautmergen überlebt hatte und vor wenigen Jahren hochbetagt starb. Sie erzählte von seinem Engagement in den Schulen, unter anderem auch in Schömberg, wie er auf junge Menschen zuging und die Jugendlichen auf das Grauen der KZ aufmerksam machte. Und sie ging auf die letzte Reise ein, die ihr Urgroßvater gemacht hat – mit seiner Urenkelin zusammen zum früheren KZ Auschwitz.

Bei Gedenkfeier der Initiaitve Eckerwald in Schörzingen kommen Enkel von KZ-Überlebenden zu Wort

© Daniel Seeburger

Klara Majchzak spielt das Lieblingslied ihres Urgroßvaters auf der Violine.

Eine Enkeltochter berichtete eindrucksvoll von der Suche nach ihrem Großvater aus Litauen, der im KZ Dautmergen ermordet worden ist. Ihr Vater habe bereits in den 1950er-Jahren versucht, das Schicksal ihres Großvaters zu ergründen. In Schömberg allerdings wusste man damals nichts. Erst vor kurzem hatten ihre Recherchearbeiten Erfolg, und sie stand erstmals am Wochenende zusammen mit Brigitta Marquart-Schad von der Initiative Eckerwald vor dem Gedenkstein auf dem KZ-Friedhof Schömberg, auf dem der Name ihres Großvaters geschrieben steht. „Wenn Geschichte nicht in Erinnerung gehalten wird, wiederholt sie sich“, so ihr Fazit.

Demokratie versus Populismus

Auf diese Problematik ging Gaston Raths von der Amicale Luxembourg in seiner Ansprache ein und verknüpfte die Geschichte mit den aktuellen Geschehnissen. In den bürgerlichen Parteien und ihrer Wählerschaft habe sich ein Jargon der Demokratie-Verachtung etabliert, der das eigentliche Kernargument der Populisten bekräftige, so Raths. „Demokratische Entscheidungsprozesse können lang sein, während simple populistische Lösungen schnell verführen“, erklärte er. „Nie wieder sollen Feinde der Freiheit die freiheitliche Verfassung zum Kampf gegen die Verfassung nutzen dürfen“, führte er aus. Mehr denn je dürfe die Erinnerung nicht verblassen. „Sollten wir vergessen, so würde das bedeuten, kostbare Erfahrungen zum Fenster hinauszuwerfen“, so sein Fazit.

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Erfahrungen, die Wieslaw Majchrzak, Sohn des Überlebenden der KZ Auschwitz und Dautmergen Stanislaw Majchrzak, mit den Besucherinnen und Besuchern der Gedenkveranstaltung teilte. Die Ereignisse der vergangenen Jahre hätten gezeigt, wie brüchig der Frieden auf der Welt ist. „Die Geschichte dreht sich im Kreis“, so Majchrzak. Er erzählte die Eckpunkte im Leben seines Vaters, sein Überleben in den KZ. Von den „Fitness-Übungen“, die sein Vater in Ausschwitz machen musste. Diejenige, die sie bestanden, wurden zum Arbeiten geschickt, diejenigen, die versagten, in die Gaskammer. Er berichtet vom SS-Aufseher, dessen Schäferhund einen Häftling zu Tode biss und danach zum Lob ein Stück Fleisch bekam. Vom Todesmarsch nach Oberschwaben, davon, dass entkräftete Häftlinge auf diesem Marsch in Scheunen gesteckt wurden, die dann angezündet wurden.

„Furchtbarstes Lager von allen“

Brigitta Marquart-Schade zitierte schon in ihrer Rede zu Anfang einen ehemaligen Häftling, der das KZ Dautmergen einordnete. Es sei das furchtbarste Lager von allen gewesen, „etwas Schlimmeres kann man sich nicht vorstellen. Eine Hölle.“

Eine Abordnung des Musikvereins Zepfenhan umrahmte die Gedenkfeier, zu der auch der frühere Ministerpräsident Erwin Teufel gekommen war. Ebenso der frühere Landtagsabgeordnete Franz Schuhmacher aus Spaichingen, Rottweils Bürgermeisterin Ines Gaehn, Schömbergs Bürgermeister Karl-Josef Sprenger, Dautmergens Bürgermeister Hans Joachim Lippus und Zepfenhans Ortsvorsteher Ewald Mager.

Dank an die Initiative Eckerwald

„Man erfährt Geschichte ganz anders, wenn sie von jemandem erzählt wird, der sie selbst erlebt hat“, sagte Iga Kozlakowka und verwies auf ihren Urgroßvater Jacek Zieliniewicz. Die Enkel und Urenkel tragen das Gedenken an das Grauen des KZ Dautmergen weiter. Sie finden in der Region Ansprechpartner, die zu Freunden geworden sind. „Die Wichtigkeit der Initiaitive Eckerwald ist unermesslich“, führte Wieslaw Majchrzak aus.

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