Balingen

Schäden und Maßnahmen: Wie Ortsvorsteher und Balinger Verwaltung die Unwetter-Folgen einschätzen

08.05.2023

Von Jasmin Alber

Schäden und Maßnahmen: Wie Ortsvorsteher und Balinger Verwaltung die Unwetter-Folgen einschätzen

© Jasmin Alber

Am Montagvormittag sind die Schäden, die die Sturzflut von der Schalksburgstraße hinunter zur Heinzengasse in Dürrwangen verursacht hat, deutlich zu sehen.

Montagvormittag, der Tag nach dem Unwetter: Letzte Aufräumarbeiten laufen, Anwohner der besonders betroffenen Stadtgebiete in Dürrwangen und Endingen fegen Unrat und angespültes Astwerk beiseite, wischen Hausflure und säubern Fahrzeuge. Mitarbeiter des Bauhofs und Vertreter von Versicherungen sind vor Ort. Wie hoch die Schäden sind, kann noch nicht beziffert werden. Ein Sachstandsbericht.

Videos und Fotos zeigen das ganze Ausmaß des Unwetters am Sonntagabend. Vor allem die Balinger Stadtteile Frommern, Dürrwangen, Stockenhausen und Endingen waren besonders betroffen. In die Heinzengasse schoss das Wasser als Sturzbach von der Schalksburgstraße herab. Teile des Friedhofs am Ortseingang von Stockenhausen stand unter Wasser. In Frommern wurde der Bahndamm unterspült und im Bereich der Beethoven- und Bruckwiesenstraße liefen etliche Keller voll. Im Ortskern Endingens schlug das reißende Wasser sich eine Schneise zwischen Am Wettbach und Bruckrain.

Neben diesen Schwerpunkten der Unwetterschäden habe es durch den Starkregen viele vollgelaufene Keller und Gebäude und Schäden geringeren Ausmaßes vor allem in den südlichen Stadtteilen gegeben, so die Stadtverwaltung. Die Höhe des insgesamt entstandenen Schadens lässt sich aber noch nicht beziffern.

Hochwasser und Oberflächenwasser kommen zusammen

Fehlt es an Schutzmaßnahmen? Hierbei müsse man zunächst einmal die Wirkungen unterscheiden, stellt Frommerns Ortsvorsteher Stephan Reuß klar. Beim Hochwasserschutz gehe es vereinfacht gesagt darum, den Pegelanstieg in Bächen und Flüssen zu verhindern. Für Starkregen müsse das Kanalsystem ausreichend dimensioniert sein. Am Sonntag habe „eine Kombination aus beidem“ – also Hochwasser und viel Starkregen-bedingtes Oberflächenwasser – zur Situation in der Heinzengasse geführt. Seiner Ansicht nach ein Zusammenspiel, vor dem man sich nicht komplett hätte schützen können.

Schäden und Maßnahmen: Wie Ortsvorsteher und Balinger Verwaltung die Unwetter-Folgen einschätzen

© Jasmin Alber

Der Hof an der tiefsten Stelle der Heinzengasse: Hier stand am Sonntag das Wasser teilweise kniehoch.

Dennoch: Er habe volles Verständnis für den Ärger der Anwohner und dass sie sauer sind. Sie hätten die volle Unterstützung des Ortschaftsrats und des Ortsvorstehers. Es selbst sei am Sonntag mehrere Stunden unterwegs gewesen, um sich ein Bild von den Schäden zu machen und mit den Anliegern zu sprechen, so Reuß.

Eyach-Pegel steigt innerhalb kürzester Zeit

Bürgermeister Ermilio Verrengia teilt hierzu mit, dass durch die sehr starke Sättigung aller Wiesen und Flächen bei dem starken Regen am Sonntag ein großer Anteil des Niederschlagswassers einfach abgeflossen ist. Er erklärt seitens der Verwaltung: „Die städtische Kanalisation konnte dies planmäßig nicht mehr abführen. Dieser Oberflächenabfluss, der zum Beispiel die Schäden in der Heinzengasse ausgelöst hat, ist dann auf eine sehr stark gefüllte Eyach getroffen, die in kürzester Zeit von einem Pegelstand von 50 Zentimetern auf 208 Zentimeter gestiegen ist.“

Durch die ebenfalls starken Niederschläge im Bereich Albstadt habe die Eyach bereits einen sehr hohen Pegel erreicht gehabt.

„Nur ein Teil der gestern aufgetreten Schäden würde sich durch einen baulichen Hochwasserschutz vermeiden lassen, der Ansprechpartner hierfür ist aber das Land Baden-Württemberg als Träger der Gewässerbaulast für die Eyach. Die Maßnahmen zum Schutz vor Starkregen werden derzeit im Rahmen des Starkregenrisikomanagements erarbeitet“, teilt die Verwaltung Reuß’ Einschätzung.

„Die bisher aufgestellten Maßnahmen wie organisatorische und bauliche Vorkehrungen haben gegriffen, so dass größere Schäden vermieden werden konnten“, so Bürgermeister Ermilio Verrengia mit Blick auf die Gesamtstadt. Beispielsweise der Hochwasserschutz an der nördlichen Hindenburgstraße und bei der Bizerba-Arena oder die Retentionsfläche bei Weilstetten. „Welche weiteren zusätzlichen Maßnahmen ergriffen werden können, wird nun eruiert und – so schnell es möglich ist – umgesetzt.“

Feuerwehr pumpt bis in den späten Abend Wasser vom Friedhof

Der Feuerwehreinsatz auf dem Friedhof in Stockenhausen, der in Teilen unter Wasser stand, dauerte am Sonntag noch bis in die späten Abendstunden. Mitarbeiter des Bauhofs waren ebenfalls vor Ort. Grund für die Überflutung, durch die unter anderem Schäden an der Aussegnungshalle entstanden sind, war laut Verwaltung ein Rückstau aus der Verdolung der L442/Dürrwanger Straße.

Das Tiefbauamt der Stadt eruiert zudem die Schäden, die bei der Überflutung insbesondere des Kunstrasenplatzes in Frommern entstanden sind.

Planungen zügig in die Tat umsetzen

Planungen für die Kanalsanierungen, die es für Frommern und Dürrwangen gibt, „müssen zügig in die Tat umgesetzt werden“, fordert Reuß. Darauf müsse auch der Ortschaftsrat wert legen und immer wieder darauf hinweisen. Er schränkt aber ein, dass Kanäle nicht beliebig aufdimensioniert werden können, denn auch zu große Kanäle, die quasi nicht regelmäßig ausgelastet seien, bergen Risiken. Die Verwaltung arbeite bereits sehr prioritär im Rahmen der Planungen, sei jedoch auch EU- und Bundesregularien unterworfen. Zudem sei ein abgestimmtes, interkommunales Konzept notwendig, um das Problem nicht nur geografisch zu verlagern. „Sehr viele Faktoren laufen zusammen“, sagt der Ortsvorsteher.

„Es ist bezeichnend, dass innerhalb eines Jahres in Frommern und Dürrwangen zwei Starkregenereignisse große Schäden verursacht haben“, merkt Reuß mit Verweis auf das Unwetter im August 2022 an.

Bahndamm wird in Frommern unterspült

Ferner teilt Bürgermeister Verrengia mit, dass am Sonntagnachmittag im Bereich Beethoven-, Bruckwiesen- und Langenäckerstraße in Frommern sehr starker Oberflächenabfluss auf gesättigten und nicht bewachsenen, landwirtschaftlichen Flächen zu verzeichnen war. „Der Rappentalbach und der Stichgraben führten viel Wasser in Richtung der Bahnübergänge an der Marienstraße und Beethovenstraße.“ In diesem Gebiet habe es insbesondere Schäden an privaten Häusern und kurzzeitige Beeinträchtigung der Bahnanlage, jedoch ohne längerfristige Auswirkungen, gegeben. Der Bahndamm sei außerdem unterspült worden, ergänzt Stephan Reuß. Der Schienenverkehr zwischen Albstadt und Balingen war am Sonntag für mehrere Stunden unterbrochen, am Abend fuhren aber bereits wieder Züge.

Feuerwehren arbeiten Hand in Hand

„Die Feuerwehr hat Großartiges geleistet“, zollt Stephan Reuß den Ehrenamtlichen seinen Respekt. Und habe einmal mehr gezeigt, wie gut die Zusammenarbeit auch inner- und überstädtisch funktioniert. Nicht nur die Balinger Abteilungen waren im Einsatz. Die Geislinger Wehr war ebenfalls in der Heinzengasse tätig und unterstützte die Kollegen der Balinger Gesamtwehr, berichtet der Ortsvorsteher. Er betont zudem: Einsätze wie am Sonntag zeigen einmal mehr, dass sich die Investitionen in die Ausrüstung der Feuerwehr bewähren. Viele Keller konnten schnell ausgepumpt werden, da die Fahrzeuge der Abteilungen mit entsprechendem Gerät ausgestattet worden seien. Auch das sei ein Teil der Prävention. Dem Dank an die ehrenamtlichen Einsatzkräfte sowie Helferinnen und Helfer für den beherzten Einsatz schließen sich Oberbürgermeister Helmut Reitemann und Ermilio Verrengia an.

Verdolung des Wettbachs über der Leistungsgrenze

Neben Frommern war auch Endingen besonders vom Unwetter besonders betroffen. Er könne sich nicht erinnern, dass er Wassermassen in dieser Form in Endingen je erlebt habe, verdeutlicht Ortsvorsteher Thomas Meitza das Ausmaß des Unwetters. „Der Wettbach hat wahnsinnig viel Wasser gebracht.“ Straßen sind beschädigt worden, Keller und Tiefgaragen liefen voll.

Fotostrecke
/
So sah es am Montagvormittag in der Straße Bruckrain in Endingen aus.

© Jasmin Alber

So sah es am Montagvormittag in der Straße Bruckrain in Endingen aus.

© Jasmin Alber

So sah es am Montagvormittag in der Straße Bruckrain in Endingen aus.

© Jasmin Alber

So sah es am Montagvormittag in der Straße Bruckrain in Endingen aus.

© Jasmin Alber

So sah es am Montagvormittag in der Straße Bruckrain in Endingen aus.

© Jasmin Alber

„Der Wettbach, vom Albtrauf kommend, durchquert Endingen verdolt, sprich als Kanal. Bei Niederschlägen wie dem gestrigen kommt diese Verdolung an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit“, teilt Ermilio Verrengia die Ursache mit. „Zudem begünstigt der Gewässerlauf oberhalb Endingens ein Austreten des Baches bei solchen extremen Abflüssen. Ein weiteres Problem besteht darin, dass der Wettbach sehr viel Geschwemmsel (Holz, Gras, Müll) mit sich führt und damit häufig und regelmäßig in schneller Zeit städtische Einläufe belegt und dadurch die Leistungsfähigkeit weiter reduziert.“

Schlikkuchen zeitweise abgeschnitten

Durch die Wassermassen, die den Kreuzungsbereich der B27 und die Straßen Bruckrain und Am Wettbach fluteten, war auch das Wohngebiet Schlikkuchen abgeschnitten. Die Zufahrt stelle in solchen Schadenslagen ein Problem dar, weiß Meitza. Die notfallmäßige „Behelfszufahrt“ vorbei an Messegelände und Tennisheim wäre am Sonntag vermutlich auch nicht möglich gewesen, da der dortige Radweg ebenfalls unter Wasser gestanden habe, merkt Ortsvorsteher Meitza an. Die Anbindung über eine zweite Zufahrt in das große Wohngebiet, das bis dato allein über den Bruckrain erreicht werden kann, werde im Nachgang sicherlich nochmals in die Diskussion einfließen.

Ebenso werde man die Planungen für Retentionsmaßnahmen zwischen Endingen und Erzingen beziehungsweise Roßwangen sicherlich voranbringen müssen, unterstreicht Meitza. Wobei er schätzt, dass Retentionsbecken und Dämme zwischen Endingen und Erzingen das Hochwasser des Wettbachs, der am Bruckrain in die Steinach mündet, nicht verhindert hätten.

Trotz allem: Beide Ortsvorsteher sind genauso wie Vertreter der Stadtverwaltung froh, dass es bei Sachschäden geblieben sei und keine Personen bei dem Unwetter verletzt wurden.

Ein Blick in die Kernstadt: Die Schäden auf der Gartenschau waren sehr überschaubar, heißt es von Seiten der Verwaltung. Am Montag konnte der reguläre Betrieb wieder aufgenommen werden. Schon am Morgen hatten die Verantwortlichen vor Ort über die Sachlage informiert.

Keine Schäden am Stadtwerke-Netz

Die Stadtwerke erklären darüber hinaus, dass es an den Versorgungsnetzen für Gas, Wasser, Strom, Wärme und Daten keine Schäden gegeben hat. „Allerdings haben uns einige besorgte Anrufe auf der Störungshotline Wasser erreicht. Hierbei handelte es sich um vermeintliche Rohrbrüche, die jedoch nicht bestätigt werden konnten. Es konnte jedoch festgestellt werden, dass bei den Arbeiten zur Bekämpfung des Hochwassers eine Wasserleitung beschädigt wurde. Diese Beeinträchtigung konnte aber umgehend behoben werden und hatte keinerlei Auswirkungen auf die Versorgungssituation“, heißt es in der Stellungnahme der Stadtwerke.

Diesen Artikel teilen: