Haigerloch

Mann aus Haigerloch wegen Tierquälerei angeklagt: Er wirft Veterinäramt Schikane vor

02.05.2024

Von Olga Haug

Mann aus Haigerloch wegen Tierquälerei angeklagt: Er wirft Veterinäramt Schikane vor

© Rosalinde Conzelmann

Am Amtsgericht Balingen wird ein Fall wegen Tierquälerei verhandelt.

Ein 70-Jähriger ist wegen Tierquälerei in 41 Fällen angeklagt. Seine Verteidigung sieht hingegen ein unfaires Verfahren.

Déjà-vu am Amtsgericht Balingen: Auf der Anklagebank ein 70-jähriger Mann aus Haigerloch, der der Tierquälerei in 41 Fällen beschuldigt wird, 7 Zeugen und Vorwürfe der Verteidigung. Die Durchsuchung, die im November 2021 stattfand, sei rechtswidrig gewesen, es sei eine persönliche und mediale Kampagne gegen seinen Mandanten geführt worden und das Veterinäramt hätte nicht alle Bilder zur Verfügung gestellt – ein faires Verfahren sei folglich nicht möglich, so die Argumentation des Verteidigers.

33 Hunde und 8 Katzen im Dachgeschoss

Dem Rentner wird vorgeworfen, 33 Hunde und 8 Katzen im Dachgeschoss seines Privathauses nicht artgerecht gehalten zu haben, die Tiere seien in zu kleinen Buchten gewesen, die Böden seien von Kot und Urin verschmutzt gewesen, manche Tiere seien unterernährt, manche krank und verhaltensgestört gewesen, so die Anklage der Staatsanwaltschaft.

Alles, was am Donnerstag in einer rund siebenstündigen Verhandlung am Amtsgericht Balingen verhandelt wurde, war bereits in selbiger Ausführlichkeit schon im Oktober Thema gewesen, als die Hauptverhandlung eröffnet wurde.

Nun wird der Fall noch einmal aufgerollt, die Zeugen erneut gehört. Warum? Das wurde für die Zuhörer im Sitzungssaal nicht deutlich. Mutmaßlich ist zwischen der Eröffnung und der Fortführung zu viel Zeit verstrichen.

Tiere kommen ins Heim

Zu einem Urteil ist es auch am Donnerstag nicht gekommen. 5 der 7 Zeugen sagten aus, darunter der Kreis-Justiziar, der im November 2021 die Durchsuchung des Hauses angeordnet hatte, zwei Veterinärärztinnen, ein Polizist und der Tierarzt des Albstädter Tierheimes, in dessen Obhut die Tiere nach der Durchsuchung schließlich gelangten.

Letzterer nutzte am Donnerstag die Chance, seine damals vor Gericht getätigten Aussagen zu ergänzen und ins rechte Licht zu rücken. Ihm seien damals Fragen gestellt worden, die er nicht wirklich beantworten konnte, er hätte sich deshalb zu lange in Allgemeinplätzen aufgehalten, sagte der Tierarzt. In einem Pressebericht sei gar die Rede davon gewesen, der Arzt habe den Zustand der Tiere verharmlost.

Am Donnerstag dann seine erneute Aussage, gestützt auf sein Protokoll, das er bei der Begutachtung der Tiere in Zusammenarbeit mit dem Veterinäramt im November 2021 erstellt hatte.

Mangelnde Sorgfaltspflicht münde in klinischen Befund

Alles deute auf eine mangelnde Pflege hin. Die mangelnde Sorgfaltspflicht münde in einen klinischen Befund, so der Tierarzt. Seiner Einschätzung nach handle es sich um Tierquälerei durch Unterlassung.

Litten die Tiere Schmerzen? Das ist die Frage, die in diesem Prozess vordergründig geklärt werden muss. „Strafrechtlich müssen erhebliche Schmerzen festgestellt werden“, betonte der Anwalt des Angeklagten. Er bezog sich auf die Aussagen des Arztes, der von einer mangelnden Pflege und Sorgfaltspflicht gesprochen hatte. „Hier geht es aber um erhebliches Leiden“, betonte der Anwalt abermals.

„Mangelnde Pflege geht fließend über in Tierquälerei“

Doch für den Arzt sei klar: „Mangelnde Pflege geht fließend über in Tierquälerei“, sagte er. Er könne zwar nicht bestätigen, dass es in allen 41 Fällen Tierquälerei war, aber in einzelnen Fällen sei das ganz offensichtlich. Keiner der von ihm untersuchten und begutachteten Tiere sei in einem guten Zustand gewesen. Aus seinen Untersuchungen könne man nichts anderes ableiten, als dass die Tiere vernachlässigt worden sind.

Ein Abszess solcher Größe könne sich nicht über Nacht bilden

Mitunter einer der schlimmsten Fälle sei aus Sicht des Arztes eine Katze gewesen, die auf der Wange einen pflaumengroßen Abszess hatte, der bereits das Auge beeinträchtigte. Im Tierheim musste das Tier notoperiert werden. Entgegen der Behauptung des Halters, könne sich ein Abszess solcher Größe und Intensität nicht über Nacht bilden, betonte der Arzt.

Angeklagter unterstellt Zeugen, Märchen zu erzählen

Der Angeklagte beantwortete am Donnerstag keine Fragen, stellte gleichwohl den Zeugen welche. Dem Tierarzt unterstellte er, er kenne sich nicht mit den Gewichtsklassifizierungen der einzelnen Hunderassen aus, die als Maßgabe für Züchter gelten. Die Beurteilungen der Ärzte, ob die Tiere abgemagert waren, seien schlicht falsch, erläuterte der Angeklagte in seinen ausschweifenden Fragen. Die Behauptungen der Ärzte stünden auf zwei Beinen – „einmal auf Schneewittchen und den sieben Zwergen und einmal auf Ali Baba und den vierzig Räubern“, unterstellte der Angeklagte den Zeugen, „Märchen“ zu erzählen.

Abmagerungen nicht an Gewicht bemessen

Die Ärzte erläuterten hingegen jeweils im Zeugenstand, dass ein abgemagertes Tier nicht nach seinem Gewicht, sondern nach seinem äußerlichen Zustand gemäß dem sogenannten Body-Condition-Score beurteilt werde. Dabei werde der Hund unter anderem an den Knochen nach Fettablagerungen abgetastet. Das Gewicht selbst spiele dabei keine Rolle.

Tod durch Zahnsteinentfernung?

Der Angeklagte ergriff abermals das Wort und bezog sich auf das Gutachten, das vielen der Tiere besorgniserregenden Zahnstein attestierte. Er richtete seine Frage an den Arzt des Albstädter Tierheims: Solle man aus Sicht des Tierschutzes Zahnstein entfernen und den Tod riskieren oder dem Problem mit Hausmitteln Herr werden?

In seinen 46 Jahren Erfahrung als Tierarzt sei ihm noch nie untergekommen, dass ein Tier bei solch einem Eingriff gestorben wäre. Das halte er für eine Ausrede. Manche Hunde hatten so erheblichen Zahnstein, dass man diesem mit Hausmitteln keineswegs mehr Herr geworden wäre.

Seit vielen Jahren schwelt ein Konflikt zwischen Landratsamt und Angeklagtem

Auch die Veterinärärztin, die bei der Durchsuchung im November 2021 dabei war, schilderte schlimme Zustände, verwahrloste Tiere und unzumutbare Haltungszustände. Anlass der Durchsuchung war der Verdacht, dass der nicht zugelassene Züchter trotz Verbots und am Verwaltungsgericht getroffenen Vergleichs zu viele Tiere halte, die auch in ihrer Rasse nicht dem Vergleich entsprachen. Auf dem Veterinäramt gilt der Fall als „chronisch“. Seit vielen Jahren schwelt ein Konflikt zwischen dem Landratsamt Zollernalbkreis und dem Angeklagten, dem schon mehrere Zwangsbußgelder erteilt worden sind. Während der Durchsuchung bestand der Verdacht der Tierquälerei, weshalb bei der Staatsanwaltschaft beantragt wurde, die Tiere zu beschlagnahmen.

Ärztin sei aus Sicht des Anwaltes befangen

Eben diesen Vorgang stellt die Verteidigung in Frage und stellt den Verdacht in den Raum, das Veterinäramt sei von Beginn an mit der Absicht, die Tiere zu beschlagnahmen, zur Durchsuchung gefahren. Der Angeklagte sehe im gesamten Verhalten des Amtes seit Jahren Schikane. Die Verteidigung will die Aussagen der Veterinärärztin nicht als Sachverständigengutachten bewertet sehen, weil die Ärztin aus Sicht des Anwaltes befangen sei.

Ob die Durchsuchung in Ordnung gewesen ist, ob es eine objektive Grundlage für diese gab und ob das Veterinäramt mutmaßlich falsche Angaben gemacht hatte, wird das Gericht entscheiden. Ebenso, ob der Mann sich der Tierquälerei schuldig gemacht hat.

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