Balingen

Mahnschreiben ans Landratsamt des Zollernalbkreises: RP Tübingen stellt Regionalstadtbahn infrage

19.03.2024

Von Klaus Irion

Mahnschreiben ans Landratsamt des Zollernalbkreises: RP Tübingen stellt Regionalstadtbahn infrage

© Landratsamt Zollernalb

Gleich zwei Jahrhundertprojekte parallel für den Zollernalbkreis – der Anteil an der Regionalstadtbahn Neckar-Anteil und das Zentralklinikum: Das Regierungspräsidium Tübingen mahnt und drängt auf eine Priorisierung.

Zu teuer und zu risikobehaftet? Mit scharfen Worten kritisiert das Regierungspräsidium die angesetzten Kosten für den Zollernalbkreis für die Regionalstadtbahn bei gleichzeitiger Planung des Zentralklinikums. Was das RP fordert und wie Landrat Günther-Martin Pauli darauf reagiert.

Unmissverständliche Worte, die die Landkreisverwaltung und die Kreisräte dieser Tage aus dem Regierungspräsidium Tübingen zu hören bekamen: „Eine Realisierung des Großvorhabens ist daher nur nachgeordnet, nach Erfüllung der eigenen Pflichtaufgaben und im Rahmen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, möglich.“ Mit dem Großvorhaben ist die Regionalstadtbahn Neckar-Alb gemeint.

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Kein Hinweis, eher Anordnung

Der Satz ist Teil der „Hinweise des Regierungspräsidiums Tübingen zur Haushalts- und Finanzplanung 2024“. Es klingt jedoch weniger wie ein Hinweis, denn wie eine Anordnung der den Kreishaushalt überprüfenden Aufsichtsbehörde an die Adressaten im Balinger Landratsamt.

Als „außergewöhnlich deutlich“ empfindet der CDU-Fraktionsvorsitzende im Kreistag, Frank Schroft, die Post aus Tübingen. Er wolle jetzt kein Nestbeschmutzer sein, „aber in der Zeit, in der ich selbst noch in dieser Behörde mit der Prüfung von Haushalten beschäftigt war, ist nie in dieser Schärfe reagiert worden“, meinte der heutige Meßstetter Bürgermeister am Montag in der Kreistagssitzung. „Für mich liest sich das ganze so: Ihr wisst gar nicht, worauf ihr Euch eingelassen habt und die Verwaltung sagt Euch nichts“, so Schroft.

Investitionen priorisieren

Konkret warnt das RP davor, dass die Investitionskosten für den Zollernalbkreis in den kommenden 10 Jahren aus dem Ruder laufen könnten. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: „Der Liquiditätsbedarf des Landkreises wird sich in den nachfolgenden Jahren durch weitere Investitionen im Bereich der Schulen sowie für die Großprojekte Zentralklinikum und Regionalstadtbahn beträchtlich erhöhen.“

Dabei seien die Rahmenbedingungen für die Planungen „gekennzeichnet durch große Unsicherheiten im Hinblick auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die zu erwartenden Steuereinnahmen, Kostensteigerungen und steigenden Personalaufwendungen sowie zunehmende Belastungen im Rahmen der kommunalen Aufgabenerfüllung“. Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Regierungspräsidium, „die anstehenden Investitionsmaßnahmen vorsorglich zu priorisieren und auf eine Begrenzung der Verschuldung zu achten“.

Zentralklinikum versus Regionalstadtbahn

Eine konkrete Priorisierung wird vom Regierungspräsidium zwar nicht vorgenommen, da im Mahnschreiben aber ausschließlich vor den finanziellen Risiken in puncto Regionalstadtbahn gesprochen wird, scheint klar, dass man in Tübingen den Bau des Zentralklinikums vor die Umsetzung der Regionalstadtbahn setzen würde.

Zollernalbkreis-Landrat Günther-Martin Pauli war alles andere als erfreut über die Post aus Tübingen. „Ich weiß nicht, ob es dafür Zeilengeld gegeben hat, aber dieser Belehrungen hätte es nun wirklich nicht bedurft.“ Er werde noch einmal „hinter den Kulissen abklären, wo es denn klemmt“.

B27-Ausbau der wahre Grund?

Vielleicht ja gar nicht ausschließlich bei den Finanzen des Zollernalbkreises. Womöglich sieht man im Regierungspräsidium vielmehr die Felle in Sachen vierspuriger Ausbau der B27 davonschwimmen. Was Letzteres mit dem Schreiben ans Balinger Landratsamt zu tun hat?

Im November 2022 berichtete der ZOLLERN-ALB-KURIER über die zu wiederholenden Verkehrsuntersuchungen für die Ofterdinger B27-Umfahrung, die wegen neuer Gesetzesvorgaben durchgeführt werden müssen. Hierzu gehört auch eine Untersuchung eines neudeutsch „modal split“. Es geht dabei um eine Prognose, wie viele Menschen eines Tages mit der Regionalstadtbahn unterwegs sein werden und wie viele im Auto auf der B27. Auch vom Ergebnis dieser Prognose wird abhängen, ob die Bundesstraße überhaupt noch vierspurig um das Nadelöhr Ofterdingen herum ausgebaut wird oder nicht. Der Verzicht (aus finanziellen Gründen) auf die Regionalstadtbahn-Strecke zwischen Tübingen und Sigmaringen würde den Straßenausbau-Befürwortern (auch im Tübinger Regierungspräsidium) daher natürlich in die Karten spielen.

Es wäre nicht das erste Mal, dass der Zollernalbkreis quasi als „Anhängsel“ der Region Neckar-Alb zum Spielball der unterschiedlichen (Verkehrs-)Interessen im kommunalpolitisch gewichtigeren Doppel-Oberzentrum Tübingen/Reutlingen würde. Auch wenn dies von Seiten der hiesigen Landratsamtsverwaltung in der Vergangenheit immer wieder bestritten wurde.

Allen Mahnungen des Regierungspräsidiums zum Trotz wurden am Montag in der Kreistagssitzung bezüglich des Regionalbahn-Teilabschnitts Albstädter „Talgangbahn“ weitere Nägel mit Köpfen gemacht. Der landeseigenen SWEG Schienenwege GmbH wurde im Erbpachtmodell der künftige Betrieb der in Planung befindlichen Zugstrecke zwischen Ebingen und Onstmettingen zugeschlagen.

Schlechte Nachricht für Boris Plamer

Einen dürfte das so gar nicht freuen: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer. Hatte er vor doch vor knapp drei Jahren, aus Wut darüber, dass ihm die Tübinger per Bürgerentscheid seine Innenstadtbahn als Regionalbahn-Teilprojekt verweigert hatten, den Bau der Talgangbahn als „Zugstrecke im Nirgendwo“ bezeichnet.

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