Albstadt, Hechingen

Landgericht: Hausdurchsuchung wegen gefälschten Impfpasses bei Albstädterin nicht rechtmäßig

20.12.2021

von Pressemitteilung des Landgerichts Hechingen

Landgericht: Hausdurchsuchung wegen gefälschten Impfpasses bei Albstädterin nicht rechtmäßig

© Lea Irion

Ein gelbes Impfbuch mit Eintragungen der Covid-19-Schutzimpfungen (Symbolfoto).

Eine Hausdurchsuchung bei einer Albstädterin ist laut der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Hechingen nicht rechtmäßig. Sie soll in einer Apotheke ein gefälschtes Impfbuch vorgelegt haben, um einen digitalen Nachweis zu bekommen. Ob das strafbar ist oder nicht, ist für Fälle vor einer Gesetzesänderung noch immer unklar.

Es ist ein ähnlicher Fall wie der eines Rottweilers, über den unsere Zeitung vor wenigen Tagen berichtet hatte: Eine Albstädterin soll im September 2021 ein gefälschtes Impfdokument in einer Albstädter Apotheke vorgelegt haben, um ein europäisches Covid-19-Impfzertifikat und damit einen QR-Code für den digitalen Impfnachweis ausgestellt zu bekommen.

Anfangsverdacht der Urkundenfälschung

Die Beamten hatten wegen des Anfangsverdachts der Urkundenfälschung ermittelt. Das Amtsgericht Hechingen erließ am 5. Oktober den Durchsuchungsbefehl, also noch vor einer möglicherweise entscheidenden Gesetzesänderung.

Die Frau hat anschließend beim Landgericht Hechingen Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung eingelegt, der die 3. große Strafkammer des Landgerichts nun stattgegeben hat.

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Paragraf 279 StGB (alt): „Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

Paragraf 279 StGB (neu): „Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr von einem Gesundheitszeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.“

Sie war demnach nicht rechtmäßig, da das Verhalten der Frau nach der bis zum 24. November 2021 geltenden Rechtslage keiner Strafvorschrift unterfiel. Darüber informiert das Gericht in einer Pressemitteilung.

Rottweil-Fall: Kammer nicht gebunden

Was bedeutet das für den ziemlich ähnlichen Fall des 51-jährigen Rottweiler? Dort überprüft derzeit die 1. große Strafkammer im Zwischenverfahren, ob der hinreichende Verdacht einer Straftat besteht und das Hauptverfahren zu eröffnen ist. Gebunden an diese neuerliche Entscheidung ist die Kammer dabei nicht.

Wissmann betont: Bei der 1. großen Strafkammer und der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Hechingen handelt es sich um jeweils selbständige, mit unabhängigen Richterinnen und Richtern besetzte Spruchkörper.

Anordnung war vor Gesetzesänderung

Knifflig auch bei diesem Fall: Die Anordnung des Eingriffs bei der Albstädterin war vor dem 24. November ergangen, also noch bevor wie berichtet der Bundesgesetzgeber Anpassungen im Strafgesetzbuch vorgenommen hatte.

Begründet wurden diese unter anderem damit, dass so die Ahndung sämtlichen strafwürdigen Verhaltens im Bereich der Fälschung von Impfausweisen zweifelsfrei sichergestellt werden könne, schreibt Pressesprecher Richter Dr. Philipp Wissmann.

Strafbarkeit ist umstritten

Gegenstand der aktuellen Diskussion – und dabei wie berichtet umstritten – innerhalb der Rechtswissenschaft sei die Frage, ob strafrechtlich als Täterin oder Täter einer Urkundenfälschung verfolgt werden kann, wer vor dem 24. November dieses Jahres ein falsches Impfdokument in einer Apotheke vorgelegt hat, um dort ein europäisches Covid-19-Impfzertifikat und damit einen QR-Code für den digitalen Impfnachweis ausgestellt zu bekommen, schreibt Wissmann weiter.

Andere Landgerichte entscheiden gleich

Die bislang zu dieser Frage ergangene Rechtsprechung sei nicht einheitlich, weshalb die Staatsanwaltschaft Hechingen wie berichtet anstrebt, dass der Bundesgerichtshof höchstrichterlich dazu urteilt.

Ebenso wie die Beschwerdekammer des Landgerichts Hechingen hätten bislang Spruchkörper der Landgerichte Stuttgart und Osnabrück entschieden.

Wie die Kammer argumentiert

Ein Teil der Begründung der 3. großen Strafkammer bei ihrer Entscheidung: Die Strafvorschriften zu unrichtigen Gesundheitszeugnissen hätten bislang in der Gerichtspraxis gleichsam ein Schattendasein gefristet. Zumindest vor den aktuellen, der Pandemie geschuldeten gesellschaftlichen Phänomenen, wie es in der Pressemitteilung heißt. Sie seien aber maßgeblich entscheidungserheblich neben dem Paragrafen der Urkundenfälschung.

Dass der Gesetzgeber inzwischen eine Anpassung von Strafgesetzen als notwendig erkannt und umgesetzt habe, stütze die Entscheidung.

Die Entscheidung der Beschwerdekammer erstreckt sich auch auf eine Beschlagnahmeanordnung, die im Zuge des Durchsuchungsbeschlusses ergangen war. Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss der 3. großen Strafkammer sei nicht gegeben.

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