Zollernalbkreis

Hechinger Kinderärztin Ziebach: So ergeht es Kindern und Jugendlichen wegen Corona

14.12.2021

Von Pascal Tonnemacher

Hechinger Kinderärztin Ziebach: So ergeht es Kindern und Jugendlichen wegen Corona

© Daniel Seeburger

Bildung in Corona-Zeiten: Ein Schüler geht mit Mund-Nasen-Schutz zum Unterricht (Symbolfoto).

Psychologische Probleme, Tests und Impfungen: Die Corona-Pandemie bietet aktuell auch einiges an Gesprächsbedarf speziell zu Kindern und Jugendlichen. Die Hechinger Kinderärztin Dr. Rita Ziebach berichtete von ihren Erfahrungen im Online-Bürgerdialog von Landrat Günther-Martin Pauli.

Die Pandemie und insbesondere die Einschränkungen in den Lockdowns haben auch sie monatelang in besonderen und wichtigen Phasen des Lebens hart getroffen: Kinder und Jugendliche.

Kinderärztin Dr. Rita Ziebach stand dazu am Dienstagabend im Online-Bürgerdialog von Landrat Günther-Martin Pauli Rede und Antwort – stellvertretend für die „leider nicht zu vielen Kinderärzte“ im Zollernalbkreis, wie Pauli festgestellt hat.

Kollateralschäden bei jungen Menschen

Für die Mediziner offensichtlich hinterließen die Einschränkungen bei manchen jungen Menschen Kollateralschäden: In der Zeit des Lockdowns habe man besorgniserregend häufig, auch zunehmende, psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen feststellen müssen.

Ziebach nennt Essstörungen, in erster Linie bei jungen Mädchen. Auch Angst- und Zwangsstörungen sowie Depressionen seien häufiger geworden, einige Kinder seien auch adipös, also übergewichtig, geworden, weil die tägliche Bewegung fehlte.

Waschzwänge gibt es auch selten

Manche Kinder hätten auch Waschzwänge bekommen, berichtete Ziebach. Im Grunde würden sich aber die meisten Kinder (vorbildlich) die Hände vor dem Essen, zuhause und wenn etwas möglicherweise Infektiöses angefasst werde, waschen.

Kinder sollten zudem, so Ziebach, nicht lernen, dass ein sozialer Umgang etwas Schlechtes sei, bei dem man sich infiziere. Sie sollten weiterhin soziale Kontakte haben und lernen, sich in eine Gesellschaft einzufügen, aber auch an der frischen Luft sein dürfen. Auch Pauli hofft, dass es keine weiteren Lockdowns mit Bewegungseinschränkungen geben wird.

Positiver Nebeneffekt der Einschränkungen: Die Infektionszahlen, nicht nur für Corona, gingen drastisch nach unten, weil die Kinder und Jugendlichen kaum bis gar keinen Kontakt miteinander hatten. „Wir dachten fast, wir wären überflüssig“, erzählte Ziebach. So blieb sehr viel Zeit für die Patienten, „wir konnten Gespräche führen“.

Nun hat sich das Blatt gewissermaßen gewendet: So gebe es weniger neue psychiatrische Erkrankungen, doch eine unglaubliche Welle an Infektionen. Dabei gehe es weniger um Probleme mit dem Coronavirus, sondern andere Infektionskrankheiten, wie das RS-Virus, die sich nun summieren würden. „Wir haben fast doppelt so viele Patienten wie sonst in den Praxen“, sagte Ziebach.

Langfristige Folgen auch bei jungen Menschen möglich

Auch wenn die Covid-19-Erkrankungen nicht zum Hauptproblem der Kinderärzte wurden und die Datenlage bei Long Covid für Kinder laut Ziebach schlecht sei: Die Kinderärztin kennt Fälle, in denen Patienten nach einer Corona-Erkrankung über längere Zeit noch Symptome hatten, sagt sie. Diese seien noch matt und müde, haben Muskelschmerzen, kommen nicht richtig auf die Füße oder bleiben sehr infektanfällig. Extreme Fälle seien ihr aber nicht bekannt.

In der ersten Welle hätten aber auch Kinder unter dem Pädiatrischen Inflammatorischen Multiorgan-Syndrom (PIMS) infolge der Covid-Erkrankung gelitten und mussten in der Klinik behandelt werden. In der Folge kann es auch zu Herzproblemen kommen.

Vereinzelt werden Klassen geschlossen

Aktuell ist die 7-Tage-Inzidenz bei den Minderjährigen vergleichsweise niedrig. So lag der Wert für den ganzen Landkreis am Dienstag bei 649,9. Bei den unter 18-Jährigen liegt diese bei 168,3; bei unter 6-Jährigen bei 34,4. Schulschließungen sind Landrat Pauli nicht bekannt, doch „wir haben auch vereinzelt Klassenschließungen“.

Was die Tests bei Kindern und Jugendlichen betrifft, seien Eltern besorgt gewesen, berichtet Ziebach. Weil sie es nicht gekannt und noch keine Erfahrungen gemacht hätten. Doch nachdem es probiert und eingeführt wurde, habe man festgestellt, dass die Testungen keine Belastung darstellen. Der Test sei auch spannend für die neugierigen Kinder, zumal es wenig unangenehme Lolly- und Spucktests gebe.

Erwachsene können Kinder mitschützen

Um Kinder und Jugendliche vor Infektionen zu schützen, sei auch bei ihnen die Maske wichtig, auch wenn Kinder unter 5 Jahren keine tragen müssen – was Ziebach ausdrücklich gut finde. „Nur wir als Erwachsene können unsere Kinder davor schützen, sich anzustecken, indem wir die AHA-Regeln einhalten, die Maske korrekt tragen und uns impfen lassen“, sagte Ziebach.

Doch seit den Sommerferien können auch Kinder ab 12 Jahren und ab sofort auch Kinder ab 5 Jahren geimpft und so vor schweren Krankheitsverläufen geschützt werden.

Kleinere Kinder werden auch geimpft

Die kürzlich empfohlene Impfung für Kinder von 5 bis 11 Jahren mit Vorerkrankungen sei unstrittig für die meisten Eltern, sie würden bereits darauf warten oder hätten gar versucht, die Impfung im sogenannten Off-Label-Use vorab für ihre Kinder zu bekommen, berichtete Ziebach.

Erste Dosen würden voraussichtlich am Mittwoch an die Praxen ausgeliefert, meinte Ziebach am Dienstag. Erst dann könne sie die Impfung vernünftig planen. Nachschub gebe es erst im neuen Jahr, was Ziebach gar nicht schlecht findet, da sie noch Jugendliche zu impfen hat und die Feiertage warten. Sie erwartet beim Kinderimpfstoff analog zu dem der Erwachsenen aber Lieferschwierigkeiten, was auch die Planung erschwere.

Angebot auch in den Impfzentren notwendig

Nicht alle Kolleginnen und Kollegen würden die Impfung anbieten, manche sie auch ablehnen, erzählte Ziebach. Doch auch deren Patienten bräuchten ein Impfangebot – wie beispielsweise in den drei Impfzentren im Zollernalbkreis.

Auch dort warteten die Verantwortlichen bis zuletzt auf die erste Lieferung, um den Impfstoff für jüngere Kinder dann anbieten zu können. Und zwar in Zusammenarbeit mit Kinderärzten, weil es wichtig sei, dass Fachleute dabei sind – auch bei möglichen aber unwahrscheinlichen Allergien, sagte Ziebach.

Bei Jugendlichen beteilige sie sehr stark deren Meinung bei der Beratung, auch wenn diese, wenn sie zu ihr kommen, meist ohnehin von der Impfung überzeugt seien.

Hechinger Kinderärztin Ziebach: So ergeht es Kindern und Jugendlichen wegen Corona

© Landratsamt

Kinderärztin Dr. Rita Ziebach (links) war zu Besuch bei Landrat Günther-Martin Paulis Online-Bürgerdialog, um über die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche zu reden.

Diese würden nicht nur gesund bleiben wollen, sondern auch die ganzen lästigen Einschränkungen weg haben, erzählte Ziebach. „Jugendliche gehen mit dem Impfthema viel ungezwungener um als Erwachsene, die nicht gewöhnt sind, dass sie geimpft werden“, so Ziebach.

Auch seien schon Kinder und Jugendliche ohne Vorerkrankungen mit einem Impfwunsch gekommen, weil sie den Lockdown so schrecklich fanden und psychisch darunter gelitten haben, sagte Ziebach. Das würden sie nie wieder erleben wollen und sich mit allem möglichem wappnen wollen.

Kinderimpfung auf Wunsch

Für Kinder ohne Grunderkrankungen und deren Eltern sei es eine komplett freiwillige Sache. Wer es wünscht, werde aber geimpft.

Generell seien die Eltern aber sehr gut informiert und hätten keine relevanten Fragen mehr, die die Impfung scheitern ließen, so Ziebachs Erfahrung. Bei kleineren Kindern helfe zur Vorbereitung die positive Grundhaltung der von der Impfung generell überzeugten Eltern. Denn dann seien Kinder nicht so angespannt und schmerzempfindlich.

Pauli ärgert sich über gefälschte Impfausweise

Relevante kurzfristige Impfreaktionen hat Ziebach noch nicht beobachten können. Bei wem bekannt sei, dass er generell Kreislaufprobleme bekomme bei Impfungen, der werde auch besonders im Sitzen oder Liegen beobachtet.

Als Impfreaktionen langfristiger Art seien ihr lediglich Schmerzen an der Einstichstelle oder Rötungen, Lymphknotenschwellungen in der Achsel und grippale Symptome, die bis zu vier Tage bestehen können, bekannt.

Besonderen Ärger gebe es im Landkreis mit gefälschten Impfausweisen, erzählte Landrat Pauli. „Meine Damen und Herren, das ist nicht lustig“, meinte Pauli. Wer sich so rücksichtslos verhält, befeuere die Pandemie. „Ich halte das persönlich für sehr unanständig, weil so Personen zusätzlich gefährdet werden.“

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