Albstadt

HET in Albstadt als Beispiel: Vier-Tage-Woche soll mehr Bock auf Handwerk machen

15.04.2023

von Eva Stoss

HET in Albstadt als Beispiel: Vier-Tage-Woche soll mehr Bock auf Handwerk machen

© OH

Matthias Dobbrunz (rechts) macht in seinem Betrieb HET in Albstadt gute Erfahrungen mit dem neuen Arbeitszeitmodell.

Betriebe in der Region, wie beispielsweise der Sanitär– und Heizungsbaufachbetrieb HET in Albstadt, wollen mit der Vier-Tage-Woche gegen den Fachkräfteengpass steuern. Doch nicht immer geht die Rechnung auf.

Matthias Dobbrunz hat es ausprobiert und nach erfolgreichem Testlauf im Mai 2022 für alle seine Monteure umgesetzt. Bei dem Sanitär– und Heizungsbaufachbetrieb HET in Albstadt verteilt sich die 40–Stunden–Woche auf Montag bis Donnerstag, wobei die Fahrtzeit zur Arbeitszeit zählt.

„Effektiv sind es meist neun Stunden auf der Baustelle“, sagt der 38–jährige Junior–Chef, der mit seinem Vater Detlef Dobbrunz den schnell wachsenden Handwerksbetrieb führt.

Ältere Mitarbeiter werden überzeugt

Kunden sind die Industrie, der Staat oder auch Privatkunden. HET ist zwischen Balingen und Stuttgart aktiv, da fallen leicht 30 Minuten Anfahrtszeit an. Nicht alle seien von Beginn an von seiner Idee begeistert gewesen: „Die Jungen waren gleich dabei, die älteren Mitarbeiter haben wir überzeugt“, so Dobbrunz im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Mittlerweile seien die Rückmeldungen von den Monteuren „durchweg positiv“.

Früher wurde freitags bis zur Mittagszeit gearbeitet. Seit der halbe Freitag weggefallen ist, seien die Mitarbeiter produktiver: „Wenn die Monteure wissen, dass ab Donnerstagabend Wochenende ist, dann geben die donnerstags nochmal richtig Gas“, so seine Erfahrung.

Unternehmen will so wachsen können

Die etwas geringere Arbeitszeit auf den Baustellen werde durch die höhere Produktivität wettgemacht. Der Grund für die Umstellung war jedoch ein anderer: „Wir wollen unsere guten Mitarbeiter halten und neue dazu gewinnen“, erklärt Dobbrunz. HET beschäftigte 2010 noch neun Mitarbeiter, heute sind es 60 und das Unternehmen will noch größer werden.

Der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) geht schon heute von einer Fachkräftelücke von rund 250.000 bundesweit aus, die sich in den kommenden Jahren noch verschärfen dürfte.

Um gegenzusteuern könnte die Vier–Tage–Woche eine Möglichkeit für Betriebe sein, „um ihre Arbeitgeberattraktivität zu steigern und die Chancen im Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte zu erhöhen“, so äußerte sich kürzlich ZDH–Präsident Jörg Dittrich. Ob es im Einzelfall umsetzbar sei, hänge von vielen Faktoren ab.

Vier-Tage-Woche allein reicht nicht

Eine Allzweckwaffe sei es sicher nicht: „Fest steht aber auch: Allein das Angebot einer Vier–Tage–Woche kann den Fachkräftemangel ganz sicher nicht lösen, da dadurch in der Summe nicht mehr Fachkräfte zur Verfügung stehen“, so Dittrich.

Bei den Kammern kommen unterdessen mehr Anfragen zu dem Thema an. Die Handwerkskammer Stuttgart etwa sammelt derzeit Beispiele und will diese im Mai bei ihrem „Morgentalk“ zu Wort kommen lassen.

Kein pauschales Befürworten

Gabriele Hanisch, Geschäftsführerin Unternehmensservice bei der Handwerkskammer, äußert sich dennoch vorsichtig: „Die 4–Tage–Woche ist ein interessanter Ansatz, der wie viele andere kreative Ideen im Einzelfall eine erfolgversprechende Lösung darstellen kann. Eine pauschale Befürwortung des Ansatzes ist allerdings nicht möglich“.

Mehr Bewerber: HET kann Effekt schwer abschätzen

Bei HET bewerben sich tatsächlich seit der Einführung mehr Fachkräfte auf ausgeschriebene Stellen. Doch ob es allein an der Vier–Tage–Woche liegt, kann Dobbrunz nicht sagen. „Der Effekt ist schwer abzuschätzen“, sagt er, weil HET gleichzeitig auch Kampagnen in den sozialen Netzwerken startete und damit um Mitarbeiter wirbt. „Vielleicht hat auch das zu den steigenden Anfragen geführt“, so der Firmenchef.

Für Ayleen Bauser, Geschäftsführerin beim Sanitär– und Heizungsunternehmen Gaßner in Denkingen (Kreis Tuttlingen), ist dagegen klar: „Die Hoffnung auf mehr Bewerber hat sich nicht erfüllt.“ Das Unternehmen hat schon 2017 auf die Vier–Tage–Woche umgestellt.

Arbeitszeit leicht abgesenkt

Die Arbeitszeit wurde leicht abgesenkt, die Monteure bekommen bei 37 Stunden wöchentlich den vollen Lohn. Die freien Tage wechseln unter den Mitarbeitern, „so dass Montag bis Freitag abgedeckt sind“, wie Bauser gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ erklärt. Das Modell sei „fest etabliert“, ihre Mitarbeiter haben nicht die Wahl.

Von 13 Beschäftigten sind drei als Monteure auf den Baustellen unterwegs. Sie arbeiten 9,25 Stunden täglich, was arbeitsrechtlich korrekt sei, so Bauser. Der Vorteil: Durch die langen Arbeitstage fallen steuerfreie Verpflegungs–Zuschläge an. „Das macht sich beim Monatslohn bemerkbar“, so die Chefin, die mit Inhaber Marcus Gaßner den Betrieb führt. Einen Nachteil sieht sie nicht: „Wir arbeiten in weniger Zeit produktiver“, stellt Bauser fest.

Handwerkspräsident Joachim Krimmer sieht Klärungsbedarf

Der Ulmer Handwerkspräsident Joachim Krimmer, der selbst einen Sanitäter und Heizungsbaubetrieb führt, steht dem Modell offen gegenüber. Jedoch müsse dafür einiges geklärt werden: „Generell stellen sich beim Thema Vier–Tage–Woche zwei Fragen: Wie schaffen wir auch in vier Tagen unsere Arbeit und die Versorgung der Kunden? Denn Aufträge müssen ja trotzdem erledigt werden. Und was passiert mit der Bezahlung?“

Grenzen setzt solchen Modellen auch das Arbeitszeitgesetz. Es schreibt vor, dass Arbeitnehmer maximal zehn Stunden am Tag arbeiten dürfen. Auch Tarifverträge können langen Arbeitstagen entgegenstehen.

Verbände wollen mehr Arbeitsstunden

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen fordern Verbände eher mehr als weniger Arbeitsstunden. Sigfried Russwurm, Chef des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), hatte vergangenes Jahr die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden gefordert. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), äußerte kürzlich im Interview, es brauche statt immer mehr Work–Life–Balance „mehr Bock auf Arbeit“.

Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bezweifelte kürzlich, dass die Produktivität generell steigt, wenn nur vier Tage in der Wiche gearbeitet wird. Angesichts der demografischen Entwicklung sei weniger Arbeit nicht der richtige Weg: „Wir müssten eigentlich mehr arbeiten“, sagte IW–Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer.

Handwerker Sebastian Hunger fordert ein Umdenken

Sebastian Hunger sieht das ganz anders. Anstatt zu klagen, dass sich zu wenige Jugendliche für das Handwerk entscheiden, müssten die Betriebe mehr Kreativität zeigen. „Wir brauchen ein Umdenken“, sagt er und meint damit in erster Linie die Handwerker selbst. In seinem Betrieb hat er die Arbeitszeit von 40 auf 36 Stunden abgesenkt, allerdings bei entsprechend weniger Geld.

Das Unternehmen, Komfortbau Hunger, sitzt in Aspach (Rems–Murr–Kreis) bietet komplette Sanierungen an und beschäftigt 60 Mitarbeiter. Seit Januar arbeiten alle regelmäßig vier Tage die Woche, Montag bis Donnerstag, „freiwillig“ wie der Firmenchef betont. „Wer mehr will, darf freitags und samstags zusätzlich arbeiten und bekommt dafür Zuschläge“, erklärt Hunger im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.

Wirkung bei potenziellen Mitarbeitern enorm

Die Wirkung sei enorm: Es gebe viel mehr Bewerber–Anfragen als 2022. Während im vergangenen Jahr nur zwei Helfer für die Baustellen gewonnen werden konnten, sind dieses Jahr bisher schon fünf qualifizierte Fachkräfte dazu gekommen.

Auch für Alfred Keller, der seinen Betrieb für Sanitär, Heizung und Lüftungen in Überlingen–Lippertsreute hat, steht fest, dass die Einführung der Vier–Tage–Woche vor drei Jahren die richtige Entscheidung war. Allerdings hat er dazu, anders als Hunger, die Arbeitszeit nicht abgesenkt.

Arbeitszeit wird nicht weniger

Seine Baustellenteams arbeiten Montag bis Donnerstag 9,5 Stunden. Die Mitarbeiter im Kundendienst wollten bei ihrer 5–Tage–Woche bleiben. In den Sommermonaten arbeiten dann alle wieder von Montag bis Freitag und genießen den frühen Feierabend.

Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ sagt Keller: „Die Vier–Tage–Woche ist keine Eier legende Wollmilchsau, aber es ist eine coole Sache.“ Die Mitarbeiter seien einfach zufriedener und würden das nach außen tragen. Die Azubis, immerhin acht bei 25 Mitarbeitern, werben wieder neue Azubis an. Tatsächlich kämen mehr Bewerbungen, seit das neue Arbeitszeitmodell eingeführt wurde.

Gesamtpaket muss stimmen

„Doch letztlich ist es das Gesamtpaket, in dem die Vier–Tage–Woche ein Baustein ist“, sagt der Unternehmer. Zu diesem Paket gehören unter anderem das Jobrad und die Beteiligung an den Führerscheinkosten. Sein Unternehmen hatte in den 27 Jahren seit der Gründung kaum Probleme, gutes Personal zu finden.

„Das Image der Branche hat sich in den letzten Jahren deutlich gedreht. Jugendliche haben die Attraktivität des Handwerks entdeckt“, so ist Keller überzeugt und verweist auf die Zahlen: Im SHK–Handwerk ist seit 2012 die Zahl der Neuverträge in Baden–Württemberg um 44 Prozent gestiegen. „Die Trendwende ist eingeleitet“, sagt Keller.

Es gibt einen Fachkräftebedarf, keinen Mangel

Ganz wichtig ist ihm die Feststellung: „Wir haben generell keinen Fachkräftemangel, sondern einen Fachkräftebedarf im Handwerk“, so Keller. Bedeutet: „Die Aufgaben der Handwerker haben sich vor allem durch politische Vorgaben verdreifacht, die Gesellschaft aber nicht“. Die gute Nachricht: „Ein sichereren Job als den des Heizungsbauers gibt es wahrscheinlich nicht.“

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