Bisingen

Das sind die Erfinder der Bisinger Fasnet

15.02.2023

von Jörg Wahl

Das sind die Erfinder der Bisinger Fasnet

© privat

Die Gründungsmitglieder der gemeinsamen TSV-Narrengruppe vor vier Jahrzehnten.

Die „Nichthuldiger“ werden in diesem Jahr 40. Der Ursprung der „Kirchenmäuse“ reicht sogar 70 Jahre zurück. Ein Blick in die Geschichtsbücher.

„Mo hei – bischt grea“ ist ihr Schlachtruf, wenn die „Nichthuldiger“ und „Kirchamäus“ in der fünften Jahreszeit durch Bisingens Gassen ziehen und obendrein am Fasnetsfreitag ihren traditionellen Nichthuldigerball in der Hohenzollernhalle veranstalten. In diesem Jahr feiert man noch dazu 40-jähriges Bestehen – beim großen Fasnetball, einem Festakt am 13. Mai sowie der zweitägigen Marktplatzhockete am 8. und 9. Juli.

Jede Maske der „Nichthuldiger“ ist ein Unikat

Anlass genug, um in die Geschichtsbücher zu blicken: Die Maskengruppe der Nichthuldiger geht auf ein Ereignis im Jahre 1798 zurück, als sich Bisingen einem Friedensvertrag verweigerte (siehe Info am Ende dieses Artikels). Jede der aus Holz geschnitzten Masken hat einen eigenen Gesichtsausdruck, der den Bauern aus dem 18. Jahrhundert nachempfunden ist. Die Kopfbedeckung besteht aus Naturhaarperücken, hinzu kommen Hüte und Hauben sowie bäuerliche Kleidung. Das „Nichthuldigerweib“ trägt derweil Rock, Leinenbluse, Jacke und Haube.

Die „Kirchenmäuse“ bilden die zweite Maskengruppe. Ihr Ursprung geht aus der Überlieferung hervor. Es hieß: „Die Bisinger sind arm wie eine Kirchenmaus.“

Lukas Haug schuf 1953 die Figur der Kirchenmaus

Dies nahm der damalige Vorsitzende des Bisinger Heimatvereins, Lukas Haug, zum Anlass, für den Fasnetsdienstag 1953 die Figur der Kirchenmaus zu schaffen, die seither aus der Bisinger Fasnet nicht mehr wegzudenken ist. Am 16. Januar 1974 wurde beim TSV Bisingen ein Ausschuss zur Bildung einer Nichthuldigergruppe ins Leben gerufen. Zwei Jahre später dann, am 18. März 1976, wurde der Beschluss gefasst, anlässlich des Kirchspielfasnetsumzugs eine Maskengruppe „d’Strooß na zu schicka“, nämlich die Kirchenmäuse.

Masken zu brüchig: „Gips-Experiment“ wurde schnell wieder eingestellt

25 Kirchenmauskostüme wurden angeschafft, 25 Overalls und 25 Kunststoffmasken. 25 Maskenträger waren „a’ghäst“ – das Abenteuer „Bisinger Kirchenmaus“ konnte beginnen. Im Jahr darauf kamen weitere 25 Kirchenmäuse hinzu. Auch mehrere Gummimasken wurden angeschafft, die später als Vorlage dienten, um Mausmasken aus Gips herzustellen. Dieses „Gips-Experiment“ wurde allerdings schnell wieder eingestellt, nicht zuletzt, weil der Gips viel zu brüchig war. Dennoch: Fünf Gipsmasken wurden damals gefertigt. 1977 tauchten so die ersten Kirchenmäuse auf und zogen an der Fasnet kostümiert durch Bisingens Straßen.

1983 kamen die Gründer zusammen

Wolfgang Ott hatte dann vor 4 Jahrzehnten die Idee, eine gemeinsame TSV-Fasnetsgruppe entstehen zu lassen, weiß Mit-Gründungsmitglied Willi Birkle zu berichten. In die Tat umgesetzt und inszeniert habe dies seinerzeit Armin Haspel.

Gründungsmitglied KIaus Ertl erinnert sich: Auf dessen Initiative kamen 1983 dann 15 Fasnetsinteressierte zusammen, um eine Narrenabteilung des TSV Bisingen zu gründen. Namen wie Familie Haspel, Siegfried Sickinger und Adolf Binder sind in die Geschichte eingegangen.

Historiker wie Werner Metzger wollten die Ortsfasnet vorantreiben

Zu den Gründungsmitgliedern im Jahr 1983 zählen: Armin Haspel, Edi Liener, Karin Liener, Wolfgang Koch, Rose Koch, Alfred Sauter, Richard Wagner, Klaus Ertl, Willi Birkle, Siegfried Scherer, Claus Payean, Kerstin Payean, Oliver Buchstor, Karl-Heinz Buckenmaier und Matthias Buckenmaier. Zuerst tagte man im Gasthaus Lamm in Bisingen, später dann in der Rose. Historiker wie Werner Metzger, Jürgen Hohl und Alf Müller wurden eingeladen. Ihnen war es besonders wichtig, dass Bisingen die Ortsfasnet vorantreibt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es viele Wirtshäuser nicht mehr gibt oder aber während der Fasnet geschlossen haben.

Die Masken kommen aus Haslach im Kinzigtal

Die damalige Idee von Armin Haspel in die schwäbisch-alemannische Fasnet aufgenommen zu werden, konnte nicht verwirklicht werden; jedoch zählt die Narrenvereinigung heute zum Narrenfreundschaftsring Zollernalb. Hubert Schultis aus Haslach im Kinzigtal schnitzte die bis heute rund 300 Holzmasken. Während die Masken der Kirchenmäuse alle gleich aussehen, handelt es sich bei den Nichthuldigermasken um Unikate; jede Maske hat ihren eigenen, charakteristischen Gesichtszug.

Trabi der „Narrapolizei“ ist bis heute im Einsatz

1988 kam die Einzelfigur „Wedelweible“ hinzu. Der Sage nach hielt sich das Wedelweible im Kirchhölzle auf, steckte Kinder in ihren großen Weidenkorb und verschwand im Lindenwald. Zudem entstand 1990 die Einzelfigur „Narrenvogt“. Und woher kommt der Trabi? Nach der Wende 1990 reisten die Narren nach Mohorn im Osten Deutschlands, wo sie als Geschenk einen Trabi bekamen. Umgebaut, aufgerüstet und bemalt als „Narrapolizei“ wird dieser Trabi bis heute zum „Sechsewecka“ am Fasnetdienstag wie auch im Umzug eingesetzt.

Der „Hangagoascht“ diente Fuhrleuten auch als Ausrede . . .

Der Hangengeist, ebenfalls eine weitere Einzelfigur, entstand sodann im Jahr 1993. Der Sage nach lebte dieser im Gewann Hangen – nahe der heutigen Firma Loesdau – und stahl sich zwischen die Wagenfracht, so dass die Pferde dampfend und mit aufgeblähten Nüstern den Berg hinaufsprangen und in panischer Angst gejagt wurden. Oftmals war er die Ausrede der Fuhrleute bei ihren Frauen, wenn sie später nach Hause kamen: „Der Hangagoascht hat das Fuhrwerk gebremst, weshalb ich mehr Zeit brauchte.“ In Wirklichkeit haben sie jedoch noch in der Esso-Tankstelle eingekehrt und einen Schoppen genossen.

Aus der Kuh wurde nichts

Eine Kuh als Einzelfigur in die Narrengruppe aufzunehmen wurde vom Ausschuss abgeschmettert. Ebenso wie der Fürst mit Gefolge und Kutsche aus Kostengründen zurückgestellt wurde, wie Klaus Ertl zu erzählen weiß. Aus seinen akribisch geführten Protokollaufzeichnungen ist dies alles nachweislich ersichtlich. Auch dass der erste Nihu-Ball 1985 zusammen mit dem Musikverein Bisingen und mit Programm des Elferrats Unterhausen stattfand. Ab 1990 gab es zwei Nihu-Bälle, am Schmotzigen und tags drauf am Freitag, aufgrund der immensen Besucheranzahl.

Die „Kirchenmäuse“ haben einen eigenen Tanz

Tradition bei den Nichthuldigern hat auch das jährliche Hasenessen am 11.11. Schließlich sind es die Hasenfelle der Blauen Wiener, die sie für ihre Kirchenmausmasken benötigen. Paul Haspel („d’r Bot“) berichtet, dass einst die Lederriemen für das Glockengeschell der Mäuse „in Eigenarbeit beim Schuh Schoy angefertigt wurden“, die Glocken des Geschells musste jeder Narr selbst schleifen. Die Kirchenmäuse haben einen eigenen Tanz, den sie am 6. Januar zur Fasnetseröffnung auf dem Marktplatz aufführen, und traditionell am Fasnetsfreitag beim Ball.

Geschichte auf der Bühne

Und es gibt sogar ein Laientheater: „Der Nichthuldiger.“ Es bringt die Nichthuldigung des Bisinger Volkes 1798 gegen den Fürsten zum Ausdruck. Verfasser der heimatgeschichtlichen Posse sind die einstigen TSV-Mitglieder Karl und Xaver Schellinger. In den 20er-Jahren war die Inszenierung durch die Obrigkeit noch zensiert worden; einige Inhalte mussten gestrichen werden. Zudem wurde die Erstaufführung polizeilich überwacht. Zur 1200-Jahrfeier von Bisingen 1986 und auch im Jahr 2001 führten engagierte Laienschauspieler des TSV das Stück vor großem Publikum auf.

Wieso heißen die Bisinger eigentlich „Nichthuldiger“?

Fürst Hermann Maria Friedrich Otto von Hohenzollern-Hechingen eröffnete 1798 direkt nach seinem Regierungsantritt Verhandlungen mit den Landgemeinden, um mit ihnen zu einer endgültigen Regelung in den Pirsch-, Fron- und sonstigen Fragen zu kommen, die seit 200 Jahren Fürst und Untertanen gegeneinander aufgebracht hatten. Am 26. Juni 1798 unterzeichneten beide Parteien den Landesvergleich.

Der wesentlichste Gewinn für die Untertanen war dabei, dass der Fürst sie aus der Leibeigenschaft entließ. Nur Bisingen unterschrieb nicht! Es schloss sich von dem Friedensvertrag aus. Die Bisinger erhielten daraufhin landesweit den Spitznamen „Nichthuldiger“. Bis zum Jahre 1848 blieb Bisingen in seinem ehemaligen Rechtszustand. Der nächste Fürst, dem sie huldigten, war 1851 König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.

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