Zollernalbkreis

Bis an die Grenzen und darüber hinaus: RTL-Zwei-Doku zeigt Alltag auf Corona-Station in Balingen

17.12.2021

Von Pascal Tonnemacher

Bis an die Grenzen und darüber hinaus: RTL-Zwei-Doku zeigt Alltag auf Corona-Station in Balingen

© RTLZWEI / Janus TV GmbH

Sie repräsentierten in der RTL-Zwei-Dokumentation „In Echtzeit: Auf Corona-Station“ das Zollernalb-Klinikum: Dr. Oliver Kinder (links oben), Freya Noerenberg (rechts oben), Hanna Schneider (links unten) und Dr. Jürgen Reinhardt.

Die dreistündige RTL-Zwei-Dokumentation von den Corona-Stationen im Balinger Zollernalb-Klinikum hat am Donnerstagabend eindrücklich deutlich gemacht: Das gesamte Personal geht im Kampf gegen die unberechenbare Krankheit und für die Patienten ans (persönliche) Limit. Zahlreiche Beispiele aus ganz Deutschland zeigen, dass auch Überlebende nach einer Covid-19-Erkrankung lange Zeit nur schwer zurück ins Leben finden.

Als Pflegerin Hanna Schneider an diesem Dienstagmorgen zu Beginn ihrer Schicht ihren Patienten auf der Covid-Intensivstation im Balinger Zollernalb-Klinikum umsorgt und ihm erzählt, was sie jetzt tun wird, wird Florian aus Münster eingeblendet. Er erzählt wie viele an diesem Fernsehabend von seinem Covid-Verlauf, wie es ihm danach erging, worunter er jetzt noch leidet.

Das ist das Konzept der Dokumentation „In Echtzeit: Auf Corona-Station“, die am 7. Dezember im Balinger Zollernalb-Klinikum gedreht wurde und zur besten Sendezeit bis Mitternacht das RTL-Zwei-Programm am Donnerstagabend ausfüllt (hier nachträglich auf TV Now zu sehen).

Klinikalltag hautnah erleben

Dem ein oder anderen Zollernälbler werden nicht nur der Ort, die Klinikräume oder gar einzelne Mitarbeiter bekannt vorkommen. Denn der Alltag auf den Corona-Stationen, der hier mit Bodycams gefilmt hautnah gezeigt wird, spielt sich so zigfach in deutschen Krankenhäusern ab.

Und ist so auch bekannt aus zahlreichen anderen Reportagefilmen, der Tagesschau, aus Nachrichtenmagazinen. Zu sehen und mitzuerleben, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, quasi direkt um die Ecke, bis an ihre Grenzen und auch darüber hinaus gehen, um ihre Patienten zu retten und diese unberechenbare neue Krankheit zu bekämpfen, macht etwas mit einem.

Viel Respekt und Lob für das Klinikpersonal

Das zeigt sich während der Ausstrahlung auch auf unserer Facebook-Seite, wo ZAK-Leserinnen und -Leser vor dem Klinikpersonal symbolisch den Hut ziehen und ihnen Respekt zollen, doch die Bilder und persönlichen Schicksale als hart und ergreifend beschreiben – auch wenn die Gesichter und Namen der Patienten und Teile des Personals unkenntlich gemacht wurden.

Hart ist auch der neue Standard im Arbeitsalltag des Klinikpersonals. Dass wird auch bei Kleinigkeiten deutlich. Dr. Jürgen Reinhardt, ärztlicher Bereichsleiter der Intensivstation, erzählt beispielsweise in einem der eingeblendeten Interviews, dass er und seine Kolleginnen und Kollegen mittlerweile quasi den ganzen Tag durcharbeiten.

So verstreicht während der Schicht auch Gelegenheit für Gelegenheit für eine Kaffeepause. Es wird auch deutlich: Gerne hätten sie mehr Zeit für die einzelnen Patienten und Schicksale. Doch es geht nicht anders.

Geschichten vom Zusammenhalt und der Wut

Auch wenn die müden Gesichter mittlerweile von den Anstrengungen der letzten anderthalb Jahren zeugen: Reinhardt betont und lobt den Zusammenhalt des Teams seit der ersten Welle.

Dr. Oliver Kinder, leitender Oberarzt in der Zentralen Notaufnahme, erzählt aber auch von der Frust und der Wut im Team. Man hätte es in der Hand gehabt und eine solche schlimme vierte Welle verhindern können. Verstehen könne er mittlerweile nicht mehr, wie sich Menschen so sehr gegen die Impfung sträuben können.

Dass die Impfung nicht mehr nur eine persönliche Entscheidung und es ein persönliches Risiko ist, betont Professor Dr. Boris Nohé, Chefarzt der Intensivstation. „Durch meine Entscheidung beeinflusse ich erheblich das Risiko aller Menschen um mich herum, dass die sich infizieren und auch das Risiko für Menschen mit anderen Erkrankungen, die wir immer schwerer adäquat versorgen können“, erläuterte Nohé.

Belastung war und ist zu hoch

Und nach dem Beklatschen der Pflegekräfte in der ersten Welle habe sich wenig getan, so Kinder. Die Belastung sei noch immer zu hoch und werde demnächst definitiv noch mehr Probleme verursachen.

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Kinder wird konkret, indem er sagt, er wisse dann nicht mehr, wo er die Verletzten des schweren Unfalls unterbringen soll. Reinhardt macht die Dynamik deutlich: Sei man in der glücklichen Lage und hat drei freie Betten, werde ein junger Covid-Patient von einem anderen Krankenhaus nach Balingen verlegt. Bis dieser in der Klinik angekommen ist, seien schon die anderen beiden Betten belegt. Die Klinik am Limit, wieder und wieder.

Personal denkt ans Aufhören

Was den Blick auf den eigenen Job und die Zukunft darin angeht, scheint Hanna Schneider etwas zwiegespalten zu sein. So mache sie ihre Arbeit gerne, erzählt sie, und schöne Momente und Erfolge in der Arbeit würden einiges wettmachen. Doch es gebe auch Tage, an denen sie sich frage, wofür sie das alles überhaupt mache.

Ähnlich ergeht es Dr. Sandra Reinhardt, Fachärztin Anästhesie und Intensivmedizin, die ans Aufhören gedacht habe – weil es nicht mehr ging.

Teamzusammenhalt als Gegenargument

Doch es gibt auch andere stimmen, wie die von Florian Rebholz, Assistenzarzt Anästhesie, der nie ans Aufhören gedacht habe, aber verstehen könne, wenn es jemand mache. Sein Gegenargument: das Team und der vielbeschworene Zusammenhalt.

Doch der Blick fiel immer wieder auch auf die Patienten. Die in der Klinik, und die die es schon wieder raus geschafft haben. Professor Dr. Boris Nohé betont, dass viele nicht wissen würden, in welcher Verfassung Patienten nach zwei bis vier Wochen Intensivtherapie die Klinik verlassen und zum Teil für Jahre nicht mehr dieselben seien.

Long Covid zerstört Existenzen

Das zeigen eine gute Hand voll Beispiele aus ganz Deutschland: Pflegekräfte, Erzieherinnen, Familienväter und Mütter. Sie alle haben noch mit Long Covid und Symptomen zu kämpfen, sind teilweise arbeitsunfähig. Auch wenn sie jung und gesund waren und damit nicht zur klassischen Risikogruppe gehören.

Ein zumindest für ZAK-Leserinnen und -Leser bekanntes Gesicht war mit Andrea Roth aus Meßstetten zu sehen. Unsere Zeitung hatte über den Fall der damals 42-Jährigen berichtet.

Covid-19 kann vielen das Leben kosten

Und nun, anderthalb Jahre danach, hat Roth noch immer Atemprobleme, Sauerstoff steht immer parat. Außerdem ist ihr Immunsystem schwach, erzählt sie. Eine zweite Covid-Erkrankung, meinte ihr Arzt, würde sie womöglich nicht überleben.

Einige, 176 allein im Zollernalbkreis, mussten bereits bei der ersten Begegnung mit dem Coronavirus ihr Leben lassen. Das, so erzählt Reinhardt, sind die fürs Team frustrierenden Momente. Ohne die wenigen schönen Momente, von denen er auch erzählt, wäre es für ihn und seine Kolleginnen und Kollegen nicht auszuhalten.

Appell an die Menschen

Reinhardt appelliert deshalb abschließend: „Passen Sie bitte auf sich auf! Dann sehen wir Sie nicht in der Klinik. Dann kämpfen wir nicht irgendwann um Ihr Leben und Sie verlieren vielleicht nicht ihr eigenes oder das Leben Ihrer Angehörigen.“

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Auch wenn die meisten niemanden kennen würden, der Corona hatte: „Machen Sie es für uns. Passen Sie für die Kliniken auf sich auf. Seien Sie froh, dass Sie ein Leben haben.“

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