Zollernalbkreis

Windkraftgegner schließen sich zusammen: Sind sie der Alptraum des Regionalverbands?

22.03.2024

Von Michael Würz

Windkraftgegner schließen sich zusammen: Sind sie der Alptraum des Regionalverbands?

© Michael Würz

Von links: Prof. Dr. Michael Thorwart, Alexander Edele (Vorsitzender des Vereins Gegenwind Hohenzollern), Prof. Dr. Simone Walker-Hertkorn von der Initiative Pro Natur Starzach und Herbert Bitsch von der Interessengemeinschaft Fachberg-Riedern aus Winterlingen.

Unter dem Namen „Gegenwind Neckar-Alb“ haben sich in dieser Woche mehrere örtliche Bürgerinitiativen aus dem Zollernalbkreis und darüber hinaus zusammengeschlossen, die nicht einig sind mit den Windkraftplänen des Regionalverbands. Das ausgerufene Ziel: Sie wollen möglichst viele Einwendungen sammeln, die sie am 10. April dem Regionalverband in Mössingen übergeben. „Wir kämpfen alle für die gleiche Sache“, sagt Alexander Edele, Vorsitzender des Vereins Gegenwind Hohenzollern.

Herbert Bitsch klappt seinen Laptop auf. „Jedes Argument muss mit Fakten untermauert sein“, sagt er. Heute, da die Zeitung da ist, will er seine Quellen griffbereit haben. Bitsch ist der Mann, der auf dem Großen Heuberg 2021 gewissermaßen den RWE-Konzern in die Flucht geschlagen hat, der zwischen Bitz und Winterlingen einen Windpark errichten wollte. Und Bitsch ist der Mann, der Schlagzeilen gemacht hatte, als er 2017 Landrat Günther-Martin Pauli angezeigt hatte. Bitsch war sicher: Der Landrat habe im Genehmigungsverfahren gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen. Die Ermittler der Staatsanwaltschaft sahen das anders; sie hatten „kein strafrechtlich relevantes Verhalten“ ausmachen können.

Die Drähte der Windkraftgegner glühen heiß

Dennoch hatte RWE später ebenfalls „Umweltinteressen“ als Grund für den Rückzug genannt – neben dem großen Widerstand gegen die geplanten Windräder vor Ort. Dass „Orte wie Winterlingen ein Alptraum für Robert Habeck werden könnten“, bescherte Bitsch später einen Auftritt im Heute-Journal des ZDF.

Jetzt, im März 2024, glühen die Drähte der Windkraftgegner wieder heiß: Dieser Tage haben sie sich offiziell zusammengeschlossen, Bürgerinitiativen im Zollernalbkreis, aber auch Mitstreiter aus dem Kreis Tübingen. Wird „Gegenwind Neckar-Alb“ der Alptraum für den Regionalverband? Wer sind die Akteure? Und was haben sie vor?

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Bürgerinitiative Pro Natur Starzach schließt sich an

„Ich bin eigentlich keine Windkraftgegnerin“, sagt Prof. Dr. Simone Walker-Hertkorn. In diesem Punkt unterscheidet sich die Geowissenschaftlerin deutlich vom Winterlinger Herbert Bitsch, der die Klaviatur des Protests gewissermaßen durchgespielt hat und heute von sich sagt: „Mittlerweile bin ich ganz generell gegen Windkraft.“ Walker-Hertkorn, die seit vergangenem Sommer die Bürgerinitiative Pro Natur Starzach vertritt, wählt ihre Worte etwas zurückhaltender, vielleicht auch etwas differenzierter, als man sie aus Online-Auftritten des Nachbar-Vereins „Gegenwind Hohenzollern“ kennt, der seine Anliegen mit durchaus breiter Brust vorträgt.

Wie nachhaltig sind die derzeitigen Energiewände-Pläne?

Walker-Hertkorn findet: Windräder sollten schlicht dort gebaut werden, „wo es Sinn ergibt“. Und sie, die vor ein paar Jahren einen Lehrstuhl an der FH Deggendorf innehatte, der sich auch dem Thema Nachhaltigkeit widmet, ist sicher: Die Politik könnte sich in eine Sackgasse manövrieren. „Wenn man etwas subventioniert, kann man politisch auch ganz schön falsche Wege bereiten“, gibt sie zu bedenken. Und je mehr sie sich damit beschäftigt, mit der Energiewende und der Politik, desto mehr kritische Argumente finde sie, sagt Walker-Hertkorn. Das Bild, das sie zeichnet: Würden bei der Energiewende alle Länder „den Berg so erklimmen wollen wie Deutschland, würde man der Welt schlicht die Rohstoffe wegnehmen“. Dass aus ihrer Sicht die „technischen und wissenschaftlichen Argumente fehlen“, das sei auch nicht wegzudiskutieren, „wenn man eigentlich ökologisch eingestellt ist“.

Weite Teile der Schwäbischen Alb sind Wasserschutzgebiete

Dass weite Teile der Schwäbischen Alb als Wasserschutzgebiet ausgewiesen sind, ist aus ihrer Sicht ein solch kritischer Punkt. Die Geowissenschaftlerin ärgert sich: „Wären die Windkraftstandorte jetzt keine Vorranggebiete, würde man bei diesem Thema immer ein hydrologisches Gutachten machen, Beprobungen, vorher und nachher.“ Das koste den Betreiber zwar Geld, dafür habe man dann vorsorgenden Grundwasserschutz. „Jetzt hingegen kommt der Regionalverband, weist einfach Flächen aus, die man dann nicht mehr prüfen muss.“ Geschickt gemacht sei das, auf eine Art, findet sie. Aber auch rechtens? „Hier wird etwas gebaut, was 20 oder 30 Jahre in Betrieb ist, und durch Bau und Rückbau kommt es immer wieder zu Risiken für das Grundwasser.“ Dessen Schutz ja eigentlich gleichgestellt sei mit dem Klimaschutz, wie sie sagt.

Modelle sollen Ausmaß der „Monster-Windräder“ demonstrieren

Alexander Edele, Vorsitzender des Vereins „Gegenwind Hohenzollern“, präsentiert zwei maßstabsgetreue Modelle. Eines vom Brandenburger Tor, eines von einem Windrad, wie es in der Region geplant sei. Das „Monster-Windrad“, wie sie gerne betonen, darf dann auch mit aufs Pressefoto. Und in ihren Vorträgen, die dieser Tage die Hallen im hohenzollerischen Teil des Landkreises füllen, stehen die Modelle ganz vorne auf der Bühne. Denn Edele hat Zweifel, dass allen Bürgern klar ist, „was da auf uns zukommt“. Sie wollen die Dinge deshalb so einfach wie möglich erklären. Und deshalb vergleicht Michael Thorwart, der Physik-Professor mit Gruoler Wurzeln, beispielsweise die Energiedichte eines Windrads auch mit der einer Tafel Schokolade. Eine Rechnung, an deren Ende eine überraschend gering erscheinende Differenz steht. Dahinter steckt die Botschaft: Die Energiewende, wie sie gegenwärtig geplant ist, ist zum Scheitern verurteilt.

Michael Thorwart befasst sich seit Jahren kritisch mit der Energiewende

Thorwart, der an der Uni Hamburg theoretische Physik lehrt, bringt das mitunter Vorwürfe ein, er hantiere mit AfD-Argumenten. Der Professor kontert: „Ich habe mich mit der Materie schon befasst, als es die AfD in ihrer größeren Form noch gar nicht gegeben hat.“ 2014, zum Beispiel, beim Fachforum Energiewende & Energiepolitik im Balinger Landratsamt. Die Veranstaltung hatte die Frage aufgeworfen: „Scheitert ein Mythos?“ Als Gast hatte Moderator Thorwart unter anderem den Publizisten Roland Tichy in Balingen begrüßt, der „die sieben Todsünden der Energiepolitik“ präsentiert hatte.

„Wir sind eine Bewegung“

Zehn Jahre später sitzt Thorwart mit den Mitstreitern aus Winterlingen und Starzach am Besprechungstisch eines Firmengebäudes in Haigerloch. Hier geht es jetzt um was: Im Raum nebenan stapeln sich bereits Einwendungen von Bürgern an den Regionalverband. Wie viele genau, bleibt Geheimsache bis zum 10. April. Dann nämlich, am Tag vor dem Ende der Einwendungsfrist, wollen sie diese den Verantwortlichen des Regionalverbands in Mössingen übergeben. Und weil sie zeigen wollen, dass ein großer Teil der Bevölkerung nicht einig ist mit den Windkraftplänen in der Region, zähle jede einzelne Stimme, betont Thorwart. „Wir sind eine Bewegung.“ Dementsprechend erfreut sind sie an diesem Tag auch darüber, dass mit „Gegenwind Rottenburg“ bereits die nächste Bürgerinitiative ihre Mitarbeit im neuen Zusammenschluss ankündigt. Auch die Mitstreiter von „Gegenwind Bodelshausen“ sind bereits dabei.

Herbert Bitsch: „Unsere Fakten müssen hieb- und stichfest sein“

Denn es gibt da noch eine Botschaft, die ein möglichst großer Stapel an Einwendungen am 10. April aussenden soll: „Wir kommen alle aus der Mitte der Gesellschaft“, sagt Thorwart. „Wir sind keine durchgeknallten Leute, wir sind nicht esoterisch.“ Vielmehr, merkt Gegenwind-Hohenzollern-Chef Alexander Edele an, „profitieren wir alle aus Erfahrung aus dem Beruf“. Edele ist Energieberater, kann ein Lied von Anträgen und bürokratischen Wirrungen singen. Weshalb man dann auch „mindestens so viel Fachwissen wie ein Grünenpolitiker“ habe, ist Edele sicher (und kommt damit in der Aufregung doch noch kurzzeitig vom Pfad der ausgerufenen Sachlichkeit ab). Herbert Bitsch, von Beruf Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, ergänzt jedenfalls: „Wir mussten uns unser Fachwissen aneignen. Nachdem wir immer wieder angegriffen wurden, müssen unsere Fakten hieb- und stichfest sein.“

Gegenwind Zollernalb oder Neckar-Alb?

„Wir kämpfen alle für die gleiche Sache“, sagen die Vertreter der Bürgerinitiativen gegen Windkraft im Zollernalbkreis. Deshalb haben sie sich zusammengeschlossen und auch sogleich die Internetadresse gegenwind-zollernalb.de reserviert. Auf dieser finden sich zahlreiche Vorlagen für Einwendungen, die sie am 10. April dem Regionalverband übergeben wollen. Weil sich nun aber innerhalb weniger Tage auch Mitstreiter aus dem Kreis Tübingen den Zollernalb-Windkraftgegnern angeschlossen haben, sei eine erneute „Umfirmierung“ notwendig geworden. Die Initiativen treten nun als „Gegenwind Neckar-Alb“ auf.

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