Meßstetten

Wenn der Badnjak in Heinstetten hängt: Wie serbisch-orthodoxe Glaubensanhänger Weihnachten begehen

06.01.2024

Von Milijana Magarewitsch

Wenn der Badnjak in Heinstetten hängt: Wie serbisch-orthodoxe Glaubensanhänger Weihnachten begehen

© PIXABAY

Erzengel spielen im serbisch-orthodoxen Glauben eine wesentliche Rolle – und das nicht nur an Weihnachten. Jede serbische Familie pflegt die Tradition eines „eigenen“, wie beispielweise den Erzengel Michael (Arhangel Mihajlo), der vom Vater auf den Sohn übergeht und im Rahmen der „Slava“ gewürdigt wird.

„Mir Božiji, Hristos se rodi!“: Am 7. Januar feiern serbisch-orthodoxe Glaubensanhänger Weihnachten, doch bereits der vorherige Tag, der „Badnji Dan“ ist ein absoluter Glanzpunkt.

Während sich hierzulande Lichterketten, Lametta und festlicher Baumschmuck fast schon wieder auf dem Weg in den kartonumantelten Kellerschlaf befinden, stehen die Anhängerinnen und Anhänger des serbisch-orthodoxen Glaubens gerade erst in den Festtagsstartlöchern. Am 7. Januar wird Weihnachten gefeiert, doch bereits der vorherige Tag, der „Badnji Dan“ ist ein absoluter Glanzpunkt.

Auch unsere ZAK-Redakteurin, die in Heinstetten wohnt, ist serbisch-orthodoxen Glaubens und erzählt von der Weihnacht ihrer Kindheit. Vorab: Eindrücke und Erlebnisse können von Ort zu Ort und von Familie zu Familie variieren, es handelt sich um persönliche Erfahrungen – und vielleicht auch ein wenig um die kindlich-verklärten Erinnerungen einer glücklichen Siebenjährigen.

Diese beiden Sätzlein sollte man parat haben

„Mir Božiji, Hristos se rodi!“ (Friede auf Erden! Christus ist geboren) – „Vaistinu se rodi, Srećan Božić.“ (Wahrlich, er ist geboren, frohe Weihnachten): Wer am 6. und 7. Januar in einen serbisch-orthodoxen Haushalt eintritt oder einen Gast beim Betreten begrüßt, sollte diese beiden Sätzlein parat haben. Obwohl Jesu Geburt im serbischen Feiertagsranking noch hinter dem Osterfest und der Slava, einem Familienfest, das zu Ehren des jeweiligen Familien-Schutzheiligen gefeiert wird, liegt, gewinnt das Christfest zunehmend an Bedeutung.

So sehr, dass die Serben in Serbien (hier spricht man von Volk und Glaube gleichzeitig, in Bosnien handelt es sich um die bosnischen Serben in der weltweit noch wenig anerkannten Entitäten-Enklave Република Српска, Republika Srpska, der Serbenrepublik) bereits am 19. Dezember mit der „Slava des Heiligen Nikolaus“ die anstehenden Festtage einläuten. In Bosnien, respektive der „RS“, ist diese Tradition des „frühen Einstimmens“ weniger verbreitet.

„Kommunismus light“

Bis Ende der Achtzigerjahre herrschte im ehemaligen, sozialistischen Jugoslawien eine Art „Kommunismus light“. Es gab keinen wirklichen „Eisernen Vorhang“, es wurde aufgrund zahlreicher Visa-Abkommen blockfrei gereist, aber als „guter Sozialist“ feierte man christliche oder auch muslimische Feste weniger offensiv. Ein Verbot bestand tatsächlich aber keines, worin ein großer Unterschied zu anderen Ländern gleicher Staatsform bestand.

Eigentlich war alles gleich und doch ganz anders. Die weihnachtlichen Bräuche des Westens wurden einfach auf Silvester verlegt, es wurde nicht die Ankunft des himmlischen Nachwuchses, sondern das neue Jahr begrüßt – analog zu Russland nach der Oktoberrevolution. Hier hatten die Bolschewisten die Feier untersagt.

Väterchen Frost, der „Deda Mraz“, wartete im Kombinat

Aus dem Christkind wurde Väterchen Frost, der „Deda Mraz“, der wohl auch ein glühender Verehrer des Sozialismus gewesen sein musste, denn er wartete nicht zu Hause im trauten Heim, sondern im Kombinat auf alle Kinder der Kombinatsangestellten. Natürlich wurden Väterchen Frost auch Gedichte und Lieder vorgetragen, aber auch diese ohne christlichen Inhalt, Schlittenfahrten, Geschenke und der wissende Blick des weißbärtigen Mannes standen im aufgesagten Mittelpunkt.

Bereits während des Balkankrieges Anfang/Mitte der Neunzigerjahre begangen sich alle vertretenen Glaubensrichtungen mehr auf ihre althergebrachten Riten und Gebräuche zu fokussieren. Darunter fiel auch alles rund um das Thema Weihnachten. Da die Serben ihre Festivitäten nach wie vor am julianischen Kalender ausrichten, spielt sich alles um etwa zwei Wochen versetzt ab – und zwar nicht nur Glaubensanlässe anbelangend, sondern beispielsweise auch Neujahr, das am 13. Januar gefeiert wird.

Dieser wurde 45 vor Christus eingeführt und nach seinem Schöpfer benannt: Julius Caesar. Die serbisch-orthodoxe Kirchenobrigkeit empfindet den reformierten gregorianischen Kalender zudem als „blasphemisch“. Doch zurück zum eigentlichen Anlass: dem Božić.

Früher wurde oft die 40-tägige Fastenzeit eingehalten

Früher wurde im Vorfeld noch vermehrt die 40-tägige Fastenzeit eingehalten, heute halten sich die meisten Serben nur am 6. Januar daran. Außer Fisch sind keine tierischen Produkte erlaubt. Ab dem 7. Januar, dem „Großen Weihnachtsfeiertag“, ist dann das Fastenbrechen angesagt. Bereits am frühen Morgen des „Heiligabend“ wird das Gewehr ausgepackt und in die Luft geschossen. Eigentlich verboten, aber nun ja, daran gehalten wird sich selten. Diesem etwas martialischen Brauch folgt der Gang des Vaters mit seinem Sohn/seinen Söhnen in den Wald, um eine junge Zerreiche zu schlagen und nach Hause zu bringen.

Mit dem Badjnak wird dann sogar gesprochen

Auch ein langer Ast ist möglich. Beides wird „Badnjak“ genannt. Funfact: Mit diesem Badjnak wird dann sogar gesprochen! Während man ihm mit Honig oder Rakija (Zwetschgenschnaps) einreibt, werden ihm gute Wünsche mit auf den Weg gegeben. Wer nicht in Waldnähe wohnt, kann trockene Eichenäste mit welkem Laub auf dem Markt kaufen. Dieses sollte Jesu beim bequemen Liegen im Stall dienlich sein. Sowohl die eigenen als auch die Kirchenräumlichkeiten werden mit Stroh bedeckt, darin dann Süßigkeiten und Nüsse versteckt, damit die Kinder sich bei der Suche danach austoben können. Der Badnjak wird dann entweder auf dem Kirchenvorplatz oder aber, natürlich nur einige Blätter davon, in der Wohnung angezündet.

Es gibt Traditionen, die ein wenig der „Zukunftsvorhersagesicherheit“ von Bleigießen ähneln. Man knackt eine Walnuss und hofft, dass das Innere nicht verfault ist – was als schlechtes Omen für das kommende Jahr gilt. Der Kirchgang, der Besuch des sogenannten „Hram“ ist ein Muss, selbst für jene, die es sonst nicht so ernst mit dem Glauben nehmen.

Von Liturgien, Weihrauch und Ikonen geprägt

Vor allem junge Menschen haben nach dem Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens wieder zu Gott gefunden. Bänke sucht man hier vergebens, während der gesamten Zeremonie, die von Liturgien, Weihrauch und Ikonen geprägt ist, ist Stehen angesagt. Nachdem man vom Gottesdienst nach Hause zurückgekehrt ist, folgt das eher spartanische Abendmahl, meist mit Pasulj, einem Bohneneintopf.

Der 7. Januar wird dann wesentlich lockerer. Die Česnica, das Dreikönigsbrot, wird gebrochen. Reichlich verziert, lässt auch dessen Innenleben auf den Ausgang des neuen Jahres schließen. Alle Familienmitglieder brechen gleichzeitig von der Teigware ab und einer davon hat dann bestenfalls das Stück mit der versteckten Münze in der Hand (Geldsegen, materielles Glück im Allgemeinen). Zu den üppigen Mahlzeiten sind selbstverständlich auch Gäste willkommen. Und wie lautet die Begrüßung dieser? Genau: „Mir Božiji, Hristos se rodi!“– „Vaistinu se rodi, Srećan Božić.“

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