Zollernalbkreis

Missbrauch von Ausweispapieren und verbotenes Auto-Rennen: 21-Jähriger zu Geldstrafe verurteilt

05.04.2024

Von Jasmin Alber

Missbrauch von Ausweispapieren und verbotenes Auto-Rennen: 21-Jähriger zu Geldstrafe verurteilt

© picture alliance/dpa

Nachdem die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hatte, wurde ein Fall vor dem Landgericht Hechingen neu verhandelt (Symbolfoto).

Manchmal sind die Dinge auch für die Justiz nicht so, wie man aus der objektiven Sachlage schließen würde: Ein 21-Jähriger war am Amtsgericht Balingen wegen Missbrauchs von Ausweispapieren und einem verbotenen Auto-Rennen zu einer Geldstrafe verurteilt worden – nach Jugendstrafrecht, obwohl der Mann unter anderem bereits ein eigenes Geschäft führt. Die Staatsanwaltschaft Hechingen hatte Berufung eingelegt und die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts gefordert. Die jetzige Verhandlung am Landgericht ging anders als erwartet aus.

Eigentlich war der Mann auf der Anklagebank des Landgerichts schon verurteilt, und zwar vom Amtsgericht Balingen. Der 21-Jährige hatte die Strafe – ein eingezogener Führerschein mit sechs Monaten Sperre sowie 3000 Euro Geldstrafe – auch akzeptiert. Trotzdem wurde der Fall in nächster Instanz neu aufgerollt, da die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hatte.

Der Sachverhalt

Der Vorsitzende Richter am Landgericht erklärte zunächst einmal den Sachverhalt. Das Amtsgericht Balingen hatte den 21-jährigen Zollernälbler vor rund einem Jahr zum einen wegen Missbrauchs von Ausweispapieren verurteilt. Mit dem Ausweis seines älteren Bruders hat er sich Ende 2022 den Zutritt zur Spielbank in Stuttgart ermöglicht, der ihm als damals Unter-21-Jährigem eigentlich verwehrt geblieben wäre.

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Das andere Verfahren, das in besagter Verhandlung am Amtsgericht mit dem eben genannten verbunden war, ging um ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen. Im Dezember 2022 war der Mann an einem Morgen mit dem Auto seines Vaters, an dessen Leasing- und Unterhaltskosten er sich beteiligt hatte, wie er meinte, unterwegs. Allerdings „um der Selbstdarstellung Willen“, wie der Richter am Landgericht aus dem Urteil des Amtsgerichts zitierte, mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Zwischen Schömberg und Dotternhausen hat er mit rund 140 Stundenkilometern ein Auto überholt – ein ziviles Polizeifahrzeug, dessen Besatzung dann die Verfolgung aufnahm.

Mit bis zu 190 Sachen auf B27 unterwegs

Bis zu 180 und 190 km/h hatte der junge Mann teils auf der Strecke zwischen Schömberg und Balingen auf dem Tacho, hat mehrmals stark beschleunigt und zudem andere Verkehrsteilnehmer riskant überholt, wie ferner aus dem Amtsgericht-Urteil hervorgeht. Das Polizeiauto konnte bisweilen nicht mehr folgen. An einer Abfahrt in Balingen konnte der Fahrer schließlich von den Beamten kontrolliert werden – und hat vor den Polizisten mit seiner Fahrt geprahlt. So habe er den Verfolgern unter anderem gesagt, dass er sie „abgesägt hat“, informierte der Vorsitzende Richter am Landgericht.

Verurteilt wurde der 21-Jährige, der Inhaber eines eigenen Betriebs mit drei Angestellten ist, nach Jugendstrafrecht. Und genau dies hatte die Staatsanwaltschaft Hechingen im April vergangenen Jahres dazu veranlasst, in Berufung zu gehen – mit dem Ziel einer Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht, wie der Richter in der Berufungsverhandlung am Freitag zusammenfasste.

Mann erzählt von schwerem Schicksalsschlag

Doch obwohl der Angeklagte seit mehreren Jahren in einer Beziehung ist, seit er 17 ist in einer eigenen Wohnung lebt und sich mit 19 schon beruflich selbstständig gemacht hat – dies alles schilderte er in der Verhandlung –, hatten der Richter und die zwei Schöffen so ihre Zweifel. Und zwar daran, ob trotz dieser Sachlage das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden sei.

Denn der 21-Jährige berichtete zudem über seinen privaten und familiären Hintergrund. Als Kind hat er seine Mutter – „meine einzige Bezugsperson“, wie er sagte – verloren. Der Vater sei nach ihrem Tod oft weggewesen, die älteren Geschwister schon aus dem Haus und eigene Wege gehend. „Ich musste daheim alles selber machen.“ Lichtblicke seien für ihn die Aktivitäten mit einem Mitarbeiter des Jugendamts gewesen. Auch mit der neuen Frau des Vaters sei er nicht klargekommen, sei von ihr immer wieder schikaniert worden und ihr schließlich aus dem Weg gegangen. Hinzu kam, dass die drei von einem großen Haus mit Garten auf dem Dorf in eine kleine Wohnung in einer Stadt gezogen waren. Den Hauptschulabschluss hat er zwar gemacht, aber die Schule habe unter all dem Privaten gelitten, resümierte er.

Eigener Chef seit zwei Jahren

Wegen der familiären Verhältnisse sei er mit 17 Jahren bereits ausgezogen. Seine Ausbildung habe er im dritten Lehrjahr vor der Prüfung abgebrochen – aus eigenem Antrieb, weil er sich den Theorieteil mangels Vorbereitung in seinem Ausbildungsbetrieb nicht zugetraut habe, wie er sagte. Mit 19 sei ihm mit einem Freund die Idee, ein eigenes Geschäft aufzumachen, gekommen. Den Handwerksbetrieb führe er nach wie vor, habe eine Meisterin angestellt und beschäftige zwei weitere Mitarbeiter.

„Unreife Züge“

Nach einer Zwischenberatung des Gerichts meinte der Richter, dass die berufliche Selbstständigkeit mehr als Flucht gewertet werden müsste. Auch seine Reaktionen, sei es bei der Polizeikontrolle nach dem verbotenen Rennen auf der B27 oder beispielsweise, als er gewaltsamen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet hatte, die per richterlicher Anordnung seine Wohnung durchsuchen und sein Handy beschlagnahmen sollten, sprächen eine eigene Sprache: In diesem aufsässigen, rebellischen Verhalten sehe er durchaus „unreife Züge“, so der Vorsitzende Richter, der mitteilte, dass er und die Schöffen analog zum Amtsgericht zur Anwendung des Jugendstrafrechts tendieren.

„So ganz reif und erwachsen – den Eindruck machen Sie uns heute auch nicht“, sagte er und bezog sich damit unter anderem auf die Art und Weise, wie er den Weg in die Selbstständigkeit und die Betriebsführung beschrieben hat. Auch dass seine Aussage, die Gesellen- und Meisterprüfung nachträglich doch noch ablegen zu wollen, eher schwammige Idee als tatsächliches Ziel sei, unterstreiche diese Einschätzung.

Staatsanwältin zieht Berufung zurück

Die Staatsanwältin war offenbar ebenfalls dieser Auffassung: Sie nahm die Berufung zurück und die Verhandlung endete relativ abrupt nach etwa einer Stunde. Die Zeugen wurden entlassen, ohne gehört worden zu sein. Damit wird das Urteil aus erster Instanz, also jenes, das das Amtsgericht verhängt hatte, rechtskräftig. Auf seinen Führerschein muss der Verurteilte trotz der zwischenzeitlich abgegoltenen 6-Monats-Sperre aber noch etwas warten. Zwar geht der Führerschein postwendend vom Gericht zur Führerscheinstelle. Dort müsse er die Wiedererteilung aber erst neu beantragen, so der Vorsitzende Richter.

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