Zollernalbkreis

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

25.08.2023

Von Michael Würz

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

© Thomas Jauch

Schlimm sieht es auf dem Friedhof Heiligkreuz in Hechingen aus. Alle packen hier seit Freitagmorgen mit an, dennoch kann die Stadt noch nicht sagen, wann er wieder geöffnet werden kann.

Ein Toter, hunderte Feuerwehreinsätze, unzählige Schäden: Das ist die bittere Bilanz nach dem heftigen Sturm am Donnerstagabend im Zollernalbkreis. Tübingen und Tuttlingen schickten Drehleitern zur Unterstützung; besonders schlimm hat es den Raum Hechingen getroffen. Landrat Pauli warnt: Jetzt nur nicht in Baumnähe aufhalten! Eine Zusammenfassung der Ereignisse.

Die Hiobsbotschaft erreicht die Polizei am Freitagmorgen: Gegen 9.30 Uhr findet eine Fußgängerin zwischen Hechingen und Stetten die Leiche eines Mannes. Es handelt sich um einen 62-Jährigen, der alleine an einem freistehenden Baum gezeltet hatte. Laut Polizei entwurzelte der heftige Sturm am Donnerstagabend einen Teil des Baumes. Dieser stürzte auf das Zelt, in dem sich der Mann befand. Als die tragische Nachricht am Freitagmorgen bei der Polizei eingeht, sind unzählige Helfer von Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz bereits seit gut 12 Stunden im Dauereinsatz. Am Freitagmittag ziehen sie im Landratsamt eine erste Bilanz.

Feuerwehren im Zollernalbkreis bewältigen hunderte Einsätze

„Nahezu alle Feuerwehren des Kreises, die Rettungskräfte des DRK, Straßenmeistereien und kommunalen Bauhöfe waren die Nacht durchweg im Einsatz“, berichtet Marisa Hahn, Sprecherin des Landratsamts. Rund 240 Einsätze, die per Notruf bei der Leitstelle eingingen, habe man abgearbeitet, so Hahn. Es dürften aber noch (deutlich) mehr gewesen sein. Denn: „Viele Meldungen gingen direkt bei den Feuerwehren vor Ort ein.“ Balingen, Hechingen, Burladingen und Bisingen hätten sich dabei als Schwerpunkte herauskristallisiert. Das Landratsamt bestätigte auch die gestrige Berichterstattung unserer Zeitung: „Kurzzeitig war die Zahl der Anrufe so hoch, dass der Notruf 112 überlastet war.“ Florian Rebholz, stellvertretender Kreisbrandmeister und Kommandant der Balinger Gesamtwehr, äußert deshalb eine dringende Bitte an die Bevölkerung im Kreis: „Die 112 nur wählen, wenn ein tatsächlicher Notfall mit Gefahr für Leib und Leben vorliegt.“ Rebholz hatte in der Nacht die Lagedienstführung in der Leitstelle übernommen.

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

© Anita Hetzer

Einfach umgehauen: Auf der Grace-Valley-Ranch in Hechingen hat der Sturm diese massive Linde entwurzelt. Im Hintergrund: die Burg Hohenzollern.

Kreisweit verzeichne man Schäden, so das Landratsamt in seiner Bilanz. „Nachdem zwei 20kV-Leitungen von umstürzenden Bäumen getroffen worden waren, kam es zu Stromausfällen. Davon betroffen waren etwa Balingen-Ostdorf, Geislingen, Bisingen-Thanheim und Hechingen-Stetten. Dächer wurden abgedeckt, in mehrere Gebäude schlugen Blitze ein. Ein Zeltlager in Albstadt musste evakuiert werden (ausführlicher Bericht). Zahlreiche Straßen waren wegen umgestürzter Bäume blockiert. Der Starkregen ließ Keller volllaufen. Bauzäune und Gerüste wurden in Mitleidenschaft gezogen. „Aus den Landkreisen Tübingen und Tuttlingen kam Überlandhilfe – jeder Kreis schickte eine Drehleiter zur Unterstützung“, berichtete Landratsamtssprecherin Hahn.

Landratsamt warnt vor Waldspaziergängen

„Der beherzte Einsatz zahlreicher Rettungskräfte und unsere flächendeckend hochmotivierten, gut organisierten Ehrenamtlichen konnten die Sicherheit im Zollernalbkreis schnell weitestgehend wieder herstellen“, konstatierte Landrat Günther-Martin Pauli am Freitagmittag. Pauli hatte sich noch in der Nacht, gemeinsam mit dem stellvertretenden Kreisbrandmeister Joachim Rebholz, ein Bild von der Lage verschafft. „Nachdem nun erst einmal die Verkehrswege freigelegt und gesichert werden müssen, können dann sukzessiv Forst- und Wanderwege geprüft werden“, erklärte Pauli am Freitag. Das Landratsamt warnt „dringend vor Waldspaziergängen und einem Aufenthalt in Baumnähe“.

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

© Ralf Biesinger

Kein Zutritt auf den Friedhof Heiligkreuz in Hechingen. Diese Besucherin zeigt unserem Fotografen am Freitagnachmittag: Die Tore sind verriegelt.

Schlimm sieht es auch auf dem Friedhof Heiligkreuz in Hechingen aus, wo mehrere sehr große Bäume umgeknickt wurden. Die Stadtverwaltung sperrte den Friedhof vorübergehend, genau wie den Fürstengarten und die Lindenallee. „Die meisten Wege im Wald und viele Feldwege sind nicht passierbar“, meldete Rathaussprecher Thomas Jauch. Hechingens Bürgermeister Philipp Hahn hatte bereits in der Nacht die pausenlosen Einsätze sämtlicher Feuerwehrabteilungen verfolgt, samt der angeforderten Überlandhilfen.

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

© Thomas Jauch

Die Feuerwehr schneidet die Gleise am Hechinger Bulochweg frei. Bürgermeister Philipp Hahn (links) und Feuerwehrchef Frank Brecht bieten sich in der Zollernstadt Bilder, wie man sie seit Orkan Lothar 1999 nicht mehr gesehen hatte.

Am Freitagmorgen richtete der Rathauschef seinen Dank an die Helfer für den „anstrengenden und gefährlichen Einsatz“. Hechingens Gesamtkommandant Frank Brecht konnte am Freitag noch kein Ende der Einsätze vermelden. „Wie lange die Aufräumarbeiten dauern werden und wie hoch der Schaden zu beziffern ist, ist ungewiss“, hieß es am Freitag aus dem Rathaus der besonders hart getroffenen Zollernstadt. Wegen Unwetterschäden ist auch das Hallenfreibad erst mal gesperrt, genau wie die Burg Hohenzollern, deren Zufahrten schwer von dem Sturm gezeichnet sind. Man versuche, am Sonntag wieder zu öffnen, teilte Burgsprecher Roland Beck mit.

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

© Ralf Biesinger

Ebenfalls abgeriegelt: Fürstengarten und Villa Eugenia in Hechingen.

Immerhin: „Glück im Unglück“ konnte die Polizei in einem Fall vermelden, der sich am Donnerstagabend kurz nach 21.30 Uhr auf Höhe der Einmündung Hechinger Straße/Klosterstraße zugetragen hatte: Ein Baum ist dort auf ein Auto gestürzt, in dem sich zwei Personen befunden hatten. Beide Insassen konnten den zerstörten Chevrolet unverletzt verlassen. Im Raum Hechingen gilt der heftige Sturm von Donnerstagabend bereits jetzt als der schwerste seit Orkan Lothar an Weihnachten 1999.

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

© Stadtwerke

Auf dieser Aufnahme aus Balingen lässt sich die Wucht des Sturms erahnen: Der Dachständer hat einen Teil der Dachbalken mit herausgerissen.

In voller Mannschaftsstärke waren am Freitag gleichwohl auch der Balinger Bauhof und die Stadtwerke unterwegs, um Schäden in der Eyachstadt zu beheben. Besonders schwierig: Die Unwetterfolgen seien großflächig, Schäden und damit auch Einsatzstellen gebe es deshalb im ganzen Stadtgebiet und nicht punktuell wie nach anderen Gewitterereignissen, so Stadtsprecher Dr. Dennis Schmidt. „Es gab viele Probleme im Bereich der Elektrizität“, so Schmidt. Diese seien vor allem durch umstürzende Bäume und Baumteile auf Leitungen entstanden. Vereinzelt waren Häuser auch am Freitag zunächst noch ohne Strom. In der Zillhauser Straße in Stockenhausen schlug um kurz nach 21 Uhr ein Blitz in ein Wohngebäude ein, wodurch es zu einem Schaden am Dach, aber nicht zu einem Brandausbruch kam. Der entstandene Sachschaden ist bislang unbekannt. Relativ glimpflich scheint die Gartenschau davongekommen zu sein, die am Freitag geöffnet werden konnte. Sonnenschirme waren dort umgeknickt oder Mobiliar weggeweht worden.

Unwetter im Zollernalbkreis: Der große Schrecken am Tag nach dem Sturm

© Georg Wilkens

Abgedeckte Dächer wie dieses in Balingen gibt es vielerorts im Kreis. Es gilt fürs Erste, die Löcher so gut wie möglich abzudichten.

Auch in Rosenfeld waren Dächer teilweise abgedeckt worden, Keller vollgelaufen und Bäume umgeknickt. In Täbingen blieb im Großteil der Häuser das Licht auch am Freitag aus. Der Grund war eine beschädigte Stromleitung zwischen Leidringen und Täbingen. Die Haushalte mussten sich gedulden, denn die Monteure konnten den Schaden erst im Laufe des Tages beheben. Neben der Feuerwehr waren laut Rosenfelds Bürgermeister Thomas Miller auch die Bauhof-Beschäftigten und die Forstbetriebe im Einsatz.

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© Thomas Miller

Dass in Täbingen die Lichter ausgingen, lag an dieser beschädigten Leitung zwischen Leidringen und Täbingen.

In Schömberg war die Feuerwehr nach dem Unwetter am Abend ebenfalls an 16 Einsatzstellen gefordert, unter anderem wegen eines abgedeckten Daches. Am frühen Morgen gegen 4.45 Uhr rückten die Helfer dann erneut aus, weil ein Ast eines Baumes auf ein Auto gefallen war und eine Ausfahrt blockierte.

Das sagt der DWD zum Unwetter auf der Zollernalb

Dass die Wetterlage am Donnerstag Potenzial für schwere Gewitter mit sich bringen würde, war den Fachleuten des Deutschen Wetterdienstes in Stuttgart früh klar. „Die erste Vorabinformation haben wir bereits am Donnerstagmorgen herausgegeben“, sagte am Freitag Meteorologe Andreas Pfaffenzeller. Im Laufe des Tages hatte der DWD dann seine Warnmeldungen konkretisiert, erhöhte die Warnstufen, gab sogar Orkanwarnungen heraus.

Die heftigsten Windstärken entgingen möglicherweise den Messstationen

Auf Bitte des ZOLLERN-ALB-KURIER analysierte Pfaffenzeller am Freitag dann die tatsächliche Entwicklung des Unwetters im Zollernalbkreis. Dabei stieß der Experte auf eine Auffälligkeit: Nicht unbedingt dort, wo die höchsten Windgeschwindigkeiten aufgezeichnet wurden, entstanden auch die größten Schäden. Auf der hochgelegenen Messstation im Meßstetter Appental etwa wurden um die 80 km/h gemessen, in Balingen „lediglich“ knapp 60 km/h. Um orkanartige Böen in den Aufzeichnungen zu finden, muss der Experte schon die Station am Klippeneck aufrufen: 106 km/h speicherten die Geräte dort.

Dies deute darauf hin, sagt Pfaffenzeller, dass es starke einzelne Windspitzen bis in die Täler gab – die sich, gewissermaßen, an den Messstationen vorbeigemogelt haben. Denn während es etwa auf Meßstetter Höhen „keinerlei ernsthafte Schäden“ gibt, wie Rathaussprecher Volker Bitzer berichtet, wurden in Hechingen selbst massive Linden einfach umgeblasen. Und entwurzelte Bäume, die gebe es nun mal bei Windstärke 10 (89 bis 102 km/h), erklärt DWD-Experte Pfaffenzeller.

Meteorologe empfiehlt: Frühzeitig reagieren

Der Meteorologe empfiehlt bei Wetterlagen wie am Donnerstag, frühzeitig Warnungen zu verfolgen und aufziehende Gewitter zu beobachten. Denn auch „Blitze können bereits einschlagen, bevor das Gewitter richtig da ist“. Auf dem Sportplatz etwa müsse da gelten, auch wenn es schwerfalle: „Fußballspiel abbrechen, rein ins Vereinsheim, Limo trinken.“

Den ganzen Tag über haben die Reporterinnen und Reporter der ZAK-Redaktion am Freitag in einem Liveticker über die Vielzahl an Schäden nach dem schweren Unwetter berichtet. Alle News und Informationen aus den Städten und Gemeinden, zu den Einsätzen der Feuerwehren, Fotos der Schäden und wichtige Informationen der Behörden zur aktuellen Situation nach dem Sturm gibt es auf zak.de/unwetter.

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