Turnen

„Turnen zum Anfassen“ in Meßstetten: Katharina Weber und Patricia Bodmer im großen Interview

29.10.2022

Von Marcus Arndt

„Turnen zum Anfassen“ in Meßstetten: Katharina Weber und Patricia Bodmer im großen Interview

© Wysotzki

Katharina Weber (links) und Patricia Bodmer freuen sich auf eine hochkarätige Veranstaltung.

Katharina Weber und Patricia Bodmer organisieren federführend den Turn-Event in Meßstetten. Für den Traditionsverein eine echte Herausforderung, welcher nach einem ersten, coronabedingt vergeblichen Anlauf 2020 „Turnen zum Anfassen“ in die Heuberg-Gemeinde holt.

Die deutsche Turn-Elite geht am 12. und 13. November in Meßstetten an die Geräte. Die finalen Vorbereitungen laufen – für den Erstliga-Wettkampf waren alle Tickets binnen kurzer Zeit vergriffen. „Sport der Extraklasse“, erwartet Patricia Bodmer, die Vorstandssprecherin des TSV Meßstetten.

Bereits 2020 sollten die besten nationalen Turnerinnen in der Heuberghalle starten. Coronabedingt musste die Veranstaltung abgesagt werden. Zwei Jahre später ist die Begeisterung ungebrochen groß – der Erstliga-Wettbewerb ist seit Wochen ausverkauft. „Das ist schon etwas, was wir hier in der Region so noch nicht hatten“, betont Bodmer, „wir erwarten hochkarätige Leistungen. Wenn nichts dazwischenkommt, sollten auch einige Olympia-Teilnehmer wie Elisabeth Seitz am Start sein.“ Nicht weniger interessant: der Drittliga-Wettkampf am Sonntag, 13. November, mit den Lokalmatadorinnen der TSG Balingen.

Frau Weber, wie ist – zwei Wochen vor der Veranstaltung – der Stand der Planung?

Katharina Weber: Wir befinden uns in den letzten Zügen unserer Planung, sodass eigentlich nur noch Kleinigkeiten anstehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es deswegen weniger zu tun gibt. Im Gegenteil, gerade jetzt steht sehr viel Detailarbeit an: Wann wird was und vor allem durch wen geliefert. So müssen wir noch unser Geschirr, die Tische und Stühle sowie eine Kaffeemaschine aus der Festhalle transportieren und auch unsere Tribüne steht noch nicht. Die Abholung dieser beziehungsweise der Bühnenteile übernimmt allerdings der Bauhof der Stadt Meßstetten.

Auch der Ablauf an den beiden Wettkampftagen ist noch nicht fix . . .

Weber: Das ist richtig. Zwar wird ein Großteil der Abläufe durch die DTL, die Deutsche Turn Liga, vorgegeben, wie wir das Entertainment außerhalb des Wettkampfprogramms legen, bestimmen wir jedoch selbst. So planen wir, Auftritte durch die Showgruppen in den Ablauf einzubauen. Ansonsten sind wir derzeit auch dabei, die Veranstaltung noch ein wenig mehr zu bewerben. Die Erste Liga war nach nur drei Wochen restlos ausverkauft (512 Plätze, Anm. d. Red.). Da es jedoch noch einige Plätze für die anderen Ligen gibt, versuchen wir diesen noch etwas mehr Zulauf zu verschaffen. Schließlich bringen auch diese Sportlerinnen ein gutes und definitiv sehenswertes Niveau auf die Matte.

Welche Schwierigkeiten gab es bei den Vorbereitungen?

Weber: Was die Vorbereitungen angeht, würde ich sagen, dass die Einteilung und Organisation der Helferinnen und Helfer mit am anspruchsvollsten waren. Immerhin mussten um die 180 Freiwillige in etwa 14 Aufgabenfelder und viele verschiedene Schichten aufgeteilt werden. Das war zeitlich eine echte Hausnummer, was unter anderem daran lag, dass wir allen die Möglichkeit gaben, ihre Präferenzen für bestimmte Tätigkeiten und Einsatzzeiten anzugeben. Nichtsdestotrotz haben wir uns unglaublich gefreut, dass sich überhaupt so viele freiwillig gemeldet haben. Solch eine Unterstützung zu erfahren, ist einfach klasse.

Was war aus Ihrer Sicht noch besonders?

Weber: Neben der Organisation der Helfer war es auch die des Live-Streams, welche uns gerade zu Beginn etwas schwerfiel. Niemand von uns kannte sich wirklich aus, sodass wir uns erst einmal einarbeiten mussten. Im Übrigen werden wir nicht, wie eigentlich üblich, nur die Erste und Zweite Liga, sondern auch die Dritte und Regionalliga online ausstrahlen. Das Equipment liegt schließlich vor, also warum nicht?

Wie groß ist der zeitliche Aufwand?

Patricia Bodmer: Der war schon ziemlich groß. Ich würde sagen, dass wir seit Anfang April regelmäßig mit der Vorbereitung beschäftigt sind. Zwar konnten wir einiges aus unseren Vorbereitungen 2020 übernehmen, aber eben nicht alles. Tatsächlich waren wir im Nachhinein ganz froh, dass die Veranstaltung verschoben und dadurch ein paar Dinge optimiert werden konnte. Zum Beispiel die Tickets, die online mit festem Sitzplatz gebucht und auf dem Handy vorgezeigt werden können.

Wie ist der Ablauf für die Helfer?

Weber: Am Mittwoch wird eine Hütte geliefert, in der wir eine Tageskasse einrichten werden. Am Tag darauf beziehungsweise am Donnerstagabend beginnen wir mit dem ‚Großaufbau‘. Dabei werden dann sowohl das Zelt und das Catering als auch die Halle und die Geräte geliefert und aufgebaut. Das Gros der Arbeiten sollte dann auch erledigt sein, sodass die Turnerinnen der ersten beiden Ligen den Freitag für ihr Training nutzen können. Insgesamt werden wir für den Aufbau wohl so um die 50 bis 60 Helfer benötigen. Am Samstag wird es dann schon zwischen sieben und acht Uhr losgehen. Der Empfang am Abend muss selbstverständlich vorher schon stehen. Ansonsten muss auch zwischen und nach den Wettkämpfen geräumt und aufgeräumt werden Sonntag genau dasselbe. Schließlich wird am Sonntagabend direkt nach der 3. Bundesliga alles wieder abgebaut und an den darauffolgenden Tagen zurückgebracht.

Zu den Wettkämpfen. Wer sind die Favoriten in der ersten Liga?

Weber: Fest rechnen wir auf jeden Fall mit Helen Kevric, der Juniorinnen-Europameisterin aus Stuttgart. Auch in der 2. Bundesliga werden ein paar wirklich gute Jugend-Nationalturnerinnen dabei sein, weshalb ich denke, dass es ein Niveau zu sehen geben wird, dass es hier in der Region sonst so nicht zu sehen gibt. Das sind natürlich absolute Highlights, besonders wenn man bedenkt, wie nah die Zuschauer den Athletinnen sein werden. Man sitzt nicht ganz hinten auf dem letzten Rang in einer riesigen Arena, sondern kann den Sport hautnah miterleben. Natürlich hoffen wir, dass doch die eine oder andere Nationalturnerin dabei sein wird, welche an den Weltmeisterschaften in Liverpool teilnehmen.

Welches Gerät wird das Publikum am meisten faszinieren?

Bodmer: Mit Bezug auf die einzelnen Wettkämpfe wird vermutlich der Barren die meiste Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Alle vier Geräte sind anspruchsvoll und haben ihre Tücken, doch sind es vor allem der Barren und vielleicht noch der Balken, welche die Zuschauer am meisten zu faszinieren scheinen. Ich denke, dass die Schwierigkeit einer Übung hier schlicht ersichtlicher und somit auch für den Laien besser zu begreifen ist.

Was erwartet die Zuschauer am Sonntag?

Weber: Ich war vor Kurzem als Kampfrichterin beim Wettkampf in Balingen unterwegs und muss zugeben, dass ich überrascht war, auf welch hohem Niveau dort geturnt wurde. Daher denke ich, dass wir auch am zweiten Tag noch mit wirklich gutem Sport rechnen können. Es mag sein, dass in der ersten und zweiten Bundesliga insgesamt mehr auf den Punkt geturnt und weniger abgestiegen wird, doch auch in den unteren Ligen sieht man Salti am Balken, Doppelsalti am Boden oder einen Tsukahara – das ist schon Turnen auf hohem Niveau und das mit regionalem Bezug.

Überlegen Sie die Veranstaltung in Meßstetten zu etablieren?

Bodmer: Das haben wir nicht vor. Zumindest wird daraus keine jährliche Veranstaltung werden – dafür ist der Aufwand einfach viel zu groß und ich vermute, dass auch das Interesse auf Dauer nachlassen würde. Wenn regelmäßig, dann höchstens alle fünf bis zehn Jahre.

Wie haben die Vereine auf den Ausrichtungsort auf dem Großen Heuberg reagiert?

Bodmer: Unser Verein selbst war sofort dabei und auch andere Klubs aus der Region hielten unser Vorhaben, die Bundesliga nach Meßstetten zu holen, für eine super Idee. Natürlich hörten wir auch die Meinung, dass es total unangebracht sei, eine solche Veranstaltung in die Provinz zu legen, wo sich, so diese Person zumindest, doch kaum eine Publikumsresonanz erzeugen ließe. Dieser Kritik entgegnen wir jedoch, dass sich gerade hier bei uns ein viel breiteres Publikum erreichen lässt, gerade weil wir nicht Berlin, Hamburg oder München sind. Dort finden regelmäßig Veranstaltungen auf Bundesliga-Niveau statt, während sie für die Leute hier in der Region, im Zollernalb- und Schwarzwaldkreis etwas Besonderes ist. Das zeigt sich auch in der enormen Unterstützung, welche wir durch unsere freiwilligen Helfer, aber auch durch die Stadt, den Landrat und unsere Sponsoren erhalten haben.

Was versprechen Sie sich von der zweitägigen Veranstaltung?

Bodmer: Natürlich erhoffen wir uns schon einen Schub für den Verein, gerade in puncto Nachwuchs. Aber es geht auch um die Außendarstellung des TSV Meßstetten und die Möglichkeit, das Turnen in die Region zu tragen, denn Veranstaltungen auf diesem Niveau gibt es bei uns normalerweise nicht.

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