Hechingen

Tag der offenen Töpferei: Das kreative „Doppelleben“ der Hechinger Fahrlehrerin

12.03.2023

Von Michael Würz

Tag der offenen Töpferei: Das kreative „Doppelleben“ der Hechinger Fahrlehrerin

© Michael Würz

Das ist gefährlich, die zahlreichen Besucher müssen jetzt einen Schritt zurück: Susanne Pohl präsentiert ihre Werke im Raku-Ofen. Der Teller bleibt noch eine Weile drin, er ist noch nicht ganz „durch“.

Der Tag der offenen Töpferei in Hechingen hat am Wochenende Kunstfreunde aus dem ganzen Zollernalbkreis in den Garten von Susanne und Jürgen Pohl gelockt.

Bei ihr haben viele Hechinger den Führerschein gemacht, als Fahrlehrerin kennt man Susanne Pohl. Doch die 51-Jährige hat bereits vor Jahren eine zweite Leidenschaft für sich entdeckt, an der sie am Wochenende Interessierte teilhaben ließ. Kunstfreunde aus Hechingen und dem gesamten Zollernalbkreis pilgerten in die Oelser Straße in Hechingen. Hier betreibt Susanne Pohl ihr Keramikatelier, mit dem sie die Zollerstadt am Samstag und am Sonntag beim bundesweiten „Tag der offenen Töpferei“ standesgemäß repräsentierte.

Tag der offenen Töpferei: Das kreative „Doppelleben“ der Hechinger Fahrlehrerin

© Michael Würz

Susanne Pohl klopft mit dem Fingernagel ans Schüssele. Allein am Klang erkennt die Künstlerin Material, Stabilität, Herstellungsverfahren – und weiß, wie heiß der Ofen war, in dem es einst entstanden ist.

Da gab es dann auch nicht nur Einblicke in Pohls Schaffen als Künstlerin, sondern für interessierte Laien auch eine Menge zu lernen. Dass „Material nicht gleich Material ist“, war freilich noch zu erwarten. Aber wenn sie aus dem Raku-Ofen kommen, dann „leben sie einfach, die Figuren“, erklärt Pohl begeistert. Einen ebensolchen hat sie im Garten stehen, und gestern Nachmittag führt sie ihn dann auch den zahlreichen Besuchern vor. Ein Glück: Das Wetter hält, sonst funktioniert die Sache nämlich nicht so gut. Ehemann Jürgen lässt ein bisschen Luft in den Ofen, macht dann wieder dicht. Das ist Präzisionsarbeit jetzt, und es soll ja alles klappen, angesichts der Zuschauerkulisse. „Er muss genau 950 Grad haben“, sagt Susanne Pohl. „Genau 950.“

Tag der offenen Töpferei: Das kreative „Doppelleben“ der Hechinger Fahrlehrerin

© Michael Würz

Auch Ehemann Jürgen Pohl (rechts) packt mit an. Unter dem Deckel des Raku-Ofens ist es glühend heiß. Fast 1000 Grad zeigt das Thermometer in diesem Moment.

Susanne Pohl sagt, sie habe schon als Kind lieber mit Lehm gespielt als mit Puppen, damals im elterlichen Garten in Schlatt. Viele Jahre später, Anfang der 2000er, macht Ehemann Jürgen seiner Frau ein Weihnachtsgeschenk, das dann alles verändern sollte – unterm Christbaum der Pohls steht ein Brennofen. Und dann kommt eins zum andern: Susanne Pohl töpfert Figuren, Schüssele, Teller, Skulpturen. Sie sagt: „Ich kann mich bis heute nicht genau festlegen oder sagen, was ich am liebsten mache. Mir macht einfach alles solch großen Spaß.“ Freunde werden auf Pohls Schaffen aufmerksam. „Du musst das ausstellen“, sagt ihr einer. Dann kommen auch die ersten Kaufanfragen.

Tag der offenen Töpferei: Das kreative „Doppelleben“ der Hechinger Fahrlehrerin

© Michael Würz

Hier, im Atelier, entstehen die Kunstwerke.

Susanne Pohl wird so im Jahr 2006 plötzlich Künstlerin, betreibt seither neben ihrem Job als Fahrlehrerin ihr Atelier in der Oelser Straße. Dort ist auch die „Couchbowl“ entstanden, ihre neueste Erfindung, die sie eigens zum „Tag der offenen Töpferei“ kreiert hatte. Ein Schüssele mit Fingerhenkel, das den unfallfreien Verzehr von Chips auf dem Sofa ermöglichen soll, zum Beispiel. Und weil ein spezielles Ingenieurbüro in Meißen ihr die Unbedenklichkeit ihrer Glasuren bescheinigte, tragen Pohls geschaffene Werke das begehrte Zertifikat „Lebensmitteltauglich“. Einzige Ausnahme: die Arbeiten, die aus dem Raku-Ofen kommen. Die besonderen „Schätzle“, die Figuren und Skulpturen, bei denen sich Pohl künstlerisch auslebt. Und die so viel lebendiger erscheinen, findet Pohl, als eine ganz normale Ton- oder gar Betonarbeit.

Tag der offenen Töpferei: Das kreative „Doppelleben“ der Hechinger Fahrlehrerin

© Michael Würz

Die „Couchbowl“ ist Susanne Pohls neueste Erfindung, die sie eigens zum „Tag der offenen Töpferei“ kreiert hat. Ein Schüssele mit Fingerhenkel, das den unfallfreien Verzehr von Chips auf dem Sofa ermöglichen soll, zum Beispiel.

„Jetzt hat er genau 950 Grad“, frohlockt Ehemann Jürgen. Das wird jetzt gefährlich, wenn sie gleich den „sauheißen“ Deckel vom Raku-Ofen abnehmen. „Bitte alle ein paar Schritte nach hinten“, mahnt Susanne Pohl die Besucher, während sie eilig die feuerfeste Schutzausrüstung anlegt. Dann holt sie unter dem Applaus der Zuschauer die ersten Figürle und Schüssele aus dem feuerrot glühenden Ofen. Experiment geglückt! Nur der ganz große Teller muss noch eine Weile im Ofen bleiben. „Der ist noch nicht ganz durch“, scherzen die Pohls. Die übrigens ausschließlich Ton aus der Region verarbeiten: Das Ehepaar besitzt mehrere große Teiche im Wald unterhalb der Zollerburg.

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