Nichts wie raus aus dem Sorgengefühl: Wie Hechingens Bürgermeister Hahn auf 2024 blickt
17.01.2024
Kriege, Inflation, Verunsicherung: „Multiple Probleme“ seien es, die die Welt derzeit in Atem halten. Dennoch (oder gerade deshalb) setzte Bürgermeister Philipp Hahn beim Neujahrsbürgertreff am Dienstagabend zu einer Motivationsrede an.
„Große Aufgaben stehen zur Lösung an“, formulierte Hahn in der Stadthalle Museum. „Diese scheinen sich auf der kommunalen Ebene aufzutürmen.“ Hahn sagte, er verstehe, dass sich Bürgerinnen und Bürger Sorgen machen. „Sie haben jedes Recht dazu. Auch mir geht es zwischendurch so.“
Der Bürgermeister warnte jedoch: „Wir dürfen nicht in diesem Gefühl verharren. Es ist die Aufgabe von Gemeinderat und Bürgermeister, die Stadt durch diese Zeiten zu manövrieren.“ Und: Nur gesamtgesellschaftlich seien die Probleme zu lösen. Dann aber – „mit Beharrlichkeit, Tatkraft und Gottvertrauen“ – könne 2024 ein gutes Jahr werden, glaubt der Rathauschef.
Ein Sonderlob konnte am Dienstagabend Haigerlochs Bürgermeister Heiko Lebherz verbuchen, dessen Stadt Hahn als positives Beispiel der Solidarität unter Kommunen ausdrücklich hervorhob. Grund: Haigerloch bringt derzeit mehr Geflüchtete unter, als es die Quote erfordern würde. „Dort sind in zentralörtlicher Lage der Oberstadt im Gästehaus des Hotels Römer schon seit längerer Zeit Geflüchtete durch den Kreis untergebracht.“ Auf 11.000 Einwohner kommen in Haigerloch so 60 Geflüchtete in der vorläufigen Unterbringung.
Das war freilich auch ein Wink in Richtung der Zollernstädter, die sich demnächst mit der Unterbringung Geflüchteter im ehemaligen Hotel Klaiber arrangieren (müssen). Und das offenbar auch tun: Von Protesten, lautstark als Drohkulisse angekündigt in den sozialen Medien, fehlte jedenfalls am Dienstagabend jede Spur.
Damit hatte Hahn den inhaltlichen Teppich für Landrat Günther-Martin Pauli ausgerollt. Dessen Grußwort war unter dem Motto „Kommunale Chancen gemeinsam nutzen“ angekündigt worden. Wie berichtet, hielt der Landrat ein flammendes Plädoyer für die Demokratie, rief die Zollernälbler dazu auf, sich konstruktiv einzubringen, haderte mit der desaströsen Wahlbeteiligung bei den OB-Wahlen in Albstadt und Balingen (siehe unten).
Auch Bürgermeister Hahn hatte zuvor übrigens eindringlich auf die (Kommunal-)Wahlen in diesem Jahr hingewiesen – und auf das Grundgesetz, das seinen 75. Geburtstag feiert. Hahn erinnerte daran, dass „die Mütter und Väter der Verfassung die kommunale Selbstverwaltung konstituierten“. Sein Aufruf an die Hechinger: „Kandidieren Sie oder informieren Sie sich und gehen Sie wählen!“
Landrat Pauli nimmt Bürger im Zollernalbkreis in die Pflicht
Auf seine Rede hatten viele gewartet, vor allem diejenigen, die zuletzt Kritik an der Unterbringung Geflüchteter im ehemaligen Hotel Klaiber äußerten – etwa die CDU-Fraktion im Hechinger Gemeinderat: Landrat Günther-Martin Pauli sprach am Dienstagabend beim Neujahrs-Bürgertreff in der vollbesetzten Stadthalle Museum. Er verteidigte das Projekt „Refugio“, beteuerte abermals: Unter dem zeitlichen Druck der Ereignisse sei es nicht möglich, „immer perfekt zu kommunizieren“, ja, die Bürger mitzunehmen.
Wer aber einen kleinlauten Landrat erwartet hatte, wurde eines Besseren belehrt. Pauli („Ich war mir des Risikos bewusst, hier heute zuzusagen“) nahm vielmehr die Bürger im gesamten Zollernalbkreis in die Pflicht, sagte mit Blick auf das Kommunalwahljahr: „Es ist Verpflichtung und Chance für die Bürger, mitzureden und mitzugestalten.“ Pauli, der frei und ohne Manuskript sprach, nannte die geringe Wahlbeteiligung bei den zurückliegenden OB-Wahlen in Albstadt und Balingen „erbärmlich“.
„So funktioniert das demokratische Spiel nicht“
Er sei entsetzt, sagte Pauli. Auch dass die Wahlbeteiligung bei der letzten Kreistagswahl die Drittschlechteste in ganz Baden-Württemberg gewesen ist, beunruhigt den Landrat: So funktioniere das „demokratische Spiel“ nicht. Bürgern riet Pauli überdies, Kontakt zu Geflüchteten zu suchen – gewissermaßen um zu lernen, wie es ist, in Ländern zu leben, „in denen Menschenrechte mit den Füßen getreten werden“.
Die Botschaft in Familien, Vereine und Unternehmen tragen
Es gelte, „den Rechtsstaat, Menschen- und Freiheitsrechte nicht verkommen zu lassen“, appellierte Pauli. „Das muss bei uns erhalten bleiben!“ Wenngleich der Zollernalbkreis „robust und krisenfest“ sei, gelte es, diese Botschaft in diesem Jahr in Familien, Vereine und Unternehmen zu tragen, so der Landrat. Dessen Sorge vor dem Auftritt in Hechingen am Ende unbegründet war: Für seine flammende Rede erhielt er lauten, anhaltenden Beifall.