Rangendingen

„Negative Schwingungen“: Eyachtalbahn ist unter Rangendingern umstritten

08.03.2024

Von Michael Würz

„Negative Schwingungen“: Eyachtalbahn ist unter Rangendingern umstritten

© Ralf Biesinger

In Hechingen einsteigen – und dann durch bis Horb, mit Halt in Hohenzollern-Gemeinden: Das könnte Wirklichkeit werden. Und der Bahnhof in Hechingen böte wichtige Schnittstellen zur Regionalstadtbahn.

Sie wäre die kleine Schwester der Regionalstadtbahn, und möglicherweise ein wichtiger Baustein der Verkehrswende in der Region: Damit die Eyachtalbahn zwischen Hechingen und Horb kommt, braucht es aber den politischen Willen aller Beteiligter – Regionalverbandsdirektor Dr. Dirk Seidemann wird nicht müde, dies zu betonen. Und deshalb machen sich die Verantwortlichen der Machbarkeitsstudie persönlich auf in die Anliegerkommunen, stellen sich den Fragen der Bürgerinnen und Bürger. So wie am Donnerstagabend in Rangendingen.

Dort, in der Sporthalle, trafen Seidemann und Matthias Körner, Ingenieur am Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart, auf ein interessiertes, aber mitunter kritisches Publikum.

Wie realistisch sind die Modellrechnungen?

Mit welchen Fahrgastzahlen die Planer rechnen, wollte ein Bürger wissen. Matthias Körner vom VWI erklärte: Diese würden aus einem Verkehrsmodell ermittelt. Im Jahr 2035 gehe man auf der Strecke zwischen Hechingen und Rangendingen von 1000 Fahrgästen pro Tag aus, ein Teil davon Schüler. Das löste im Saal einzelne Lacher aus – und stellte auch den interessierten Bürger nicht zufrieden: „Das ist ganz, ganz weit weg von der Wirklichkeit“, befand dieser.

Ingenieur Körner ordnete die Zahlen dann ein: Es handele sich um ein Modell, wie man es auch bei der Planung der Regionalstadtbahn einsetze. Zu bedenken sei: Das Modell unterstellt bis 2035 einen „bedeutsamen Ausbau des ÖPNV“, und auch die Regionalstadtbahn sollte bis dahin „komplett umgesetzt sein“, so Körner. Durch einen bis dahin deutlich attraktiveren Busverkehr, Körner rechnet mit Bussen im Stunden- und Halbstundentakt, entstehe Potenzial. Verschiebungen nehme man aber auch an, weil Haigerlocher Fahrgäste mit der Eyachtalbahn über Hechingen nach Tübingen fahren werden.

Wieso gibt es in den Plänen keine Parkplätze?

Auch dieser kritischen Frage (die ein anderer Bürger später „kleingeistig“ nannte) mussten sich die Verantwortlichen stellen. Ingenieur Körner konnte rasch aufklären: Natürlich müssten im Bereich neuer Stationen Abstellmöglichkeiten für Autos und Fahrräder geplant werden. „Das ist ja klar“, sagte Körner. „Grundsätzlich brauchen neue, moderne Stationen das.“ Dies sei auch den Planern völlig klar, die die Parkplätze nur schlicht im Kartenmaterial der Machbarkeitsstudie noch nicht eingezeichnet hätten. Und zudem unterstelle die Machbarkeitsstudie ja eben einen ausgebauten Busverkehr, Busse im Stundentakt. Aus Sicht des Fragestellers ist dies jedoch „sehr viel Theorie, und alles auf Kante genäht“.

Wie würde der Schulweg der Kinder aussehen?

„Auch mir fehlen Infrastrukturmaßnahmen in der Studie komplett“, kritisierte eine Rangendinger Bürgerin. Die Mutter eines Kindes, das die 5. Klasse in Haigerloch besucht, berichtete von „Elterntaxis“ vor der Schule. „Ich kann mir gut vorstellen, wie das dann am Bahnsteig aussieht“, sagte sie. Ihre Befürchtung: „Die Anwohner sind dann die Gelackmeierten.“ Eine weitere Überlegung, die die Mutter anstellte: Ihr Kind steige morgens in den Bus ein und in Haigerloch direkt vor der Schule aus. „Wenn ich es mit der Bahn fahren lasse, muss es erst mal an die Station laufen und dann in Haigerloch hoch ans Schulzentrum kommen.“ Dies könnte mit einem Aufzug passieren, mit dem man in Haigerloch liebäugelt, oder mit dem Bus.

„Negative Schwingungen“: Eyachtalbahn ist unter Rangendingern umstritten

© Michael Würz

Wird der Schulweg für die Kinder per Zug so sicher sein wie mit dem Bus? Diese Mutter hat Zweifel.

„Dann“, so die Mutter, „verlängert sich die Fahrzeit und das Risiko auf dem Schulweg steigt“. Gerade bei kleineren Kindern sei das ein Thema. „Da setze ich mein Kind morgens tausendmal lieber in einen Bus, und ich glaube nicht, dass so viele Zug fahren werden, dass die 1000 Fahrgäste erreicht werden.“ Ingenieur Körner erwiderte: Es sei freilich eine individuelle Entscheidung, je nach Wohn- und Schulort, ob sich eher der Bus oder der Zug als Mittel der Wahl anbiete. Und das sei ja auch genau so vorgesehen. „Die Linie 310 fällt ja nicht weg.“ Man müsse beachten, so Körner, dass man bei der Studie schlicht mit standardisierten Vorgaben zu arbeiten habe. „Sie sollen die Wirtschaftlichkeit belegen, das können wir mit der Studie zeigen.“

Wie steht es um den Schallschutz?

„Das ganze Thema wird auf dem Rücken der Anwohner ausgetragen“, schimpfte ein Bürger, der am Donnerstagabend aus Hechingen nach Rangendingen gekommen war. Sein Kritikpunkt lautet: Mangelnder Schallschutz. „Wenn ich mir vorstelle, dass von morgens um 5 bis um 24 Uhr Züge am Haus vorbeifahren, habe ich doch keine ruhige Nacht mehr.“

„Negative Schwingungen“: Eyachtalbahn ist unter Rangendingern umstritten

© Michael Würz

Dr. Dirk Seidemann, Direktor des Regionalverbands (rechts), und Matthias Körner vom VWI in Stuttgart (Mitte) ordnen die Ergebnisse der Studie fachkundig ein. Rangendingens Bürgermeister Manfred Haug (links) appelliert ans Publikum, als die Stimmung etwas dynamischer wird: Bitte Sachfragen stellen!

Ingenieur Körner relativierte: Zwar stimme der Zeitrahmen, in denen die Züge fahren würden, es wären aber rechnerisch ja „maximal 2 Personenzüge“ pro Stunde. Körner erklärte: Auf Streckenabschnitten, die neu gebaut würden, müsse es ein Schallgutachten geben. An Bestandsstrecken hingegen bestehe dafür kein genereller, gesetzlicher Anspruch. Dennoch könne man auch hier Schallschutzmaßnahmen planen, doch in die Machbarkeitsstudie dürfen die nicht. „Da sie finanziell nicht gefördert werden, können wir sie auch nicht ansetzen.“ Sprich: Die Finanzierung müsste gesondert geklärt werden.

Gibt es auch Zustimmung zu dem Projekt?

Ja, teils unter lautstarkem Applaus wollten einige Zuhörer die Kritik in Rangendingen so nicht stehen lassen. „Ich merke hier viele negative Schwingungen“, sagte ein Zuhörer. Er glaube, dass das Projekt Chancen bietet. „Wenn jemand in Haigerloch wohnt, hat er die Chance, mit einem Umstieg schnell nach Balingen zu kommen, etwa zur Arbeit.“ Und der Lärmschutz? „Wir reden doch von batteriebetriebenen Zügen, die ohnehin schon viel leiser sind als Diesel-Triebloks, und auch nicht von 1000-Tonnen-Güterzügen, sondern von kleinen Personenzügen.“

Ein Zuhörer, der sich selbst als langjähriger Eisenbahner zu erkennen gab, erinnerte sich: „Als ich hier herkam, war die Zollernbahn noch ein totes Gleis. Auch dieses Projekt hat alle Chancen verdient.“ Und ein Trillfinger fügte an: „Das wird eine richtig gute Geschichte für uns. Wir können abends in den Zug steigen, nach Hechingen, Rottenburg oder Horb fahren, ein Bier oder auch zwei oder drei trinken und kommen wieder heil nach Hause.“ Mit Blick auf die Schulwege gab er zu bedenken: Kinder, die heute nicht in Haigerloch, sondern in Hechingen auf dem Schloßacker zur Schule gehen oder das Gymnasium besuchen, müssten auch „einen Kilometer den Berg hochlaufen“, auch heute.

Und Walter Stocker, Ortsvorsteher in Haigerloch-Stetten, gab den Kritikern mit auf den Weg: „Wenn man sich anschaut, welche Gemeinden sich gut entwickeln, sind es immer diejenigen entlang einer Bahnlinie!“

Hechingen – Horb in 42 Minuten

Eine Strecke, die zum Teil bereits von Güter- und Ausflugszügen genutzt wird, ein guter Wert beim Kosten-Nutzen-Index, die ohnehin geplante Regionalstadtbahn: Der Rat, der sich aus der Machbarkeitsstudie (die, wie ausführlich berichtet, im Oktober in Hechingen den Gemeinderäten der Anliegerkommunen präsentiert worden war), ableiten lässt, scheint eindeutig – auch deshalb, weil sich die Kosten von rund 64 Millionen Euro auf vielen Schultern verteilen lassen, raten die Verkehrsexperten ausdrücklich dazu, das Projekt Eyachtalbahn weiter voranzutreiben. Laut Studie wäre dann eine Fahrzeit von Hechingen nach Horb in 42 Minuten zu realisieren. Mit dem Projekt einher gingen zahlreiche Infrastrukturmaßnahmen. Gefahren werden soll mit Batterie-Zügen, die auf elektrifizierter Strecke geladen werden können.

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