Albstadt

Trauer nach doppelter Bluttat in Ebingen: Viele Fragen noch offen

22.12.2022

Von Lea Irion, Von Dagmar Stuhrmann, Von Benno Haile

Trauer nach doppelter Bluttat in Ebingen: Viele Fragen noch offen

© Pascal Tonnemacher

Freunde und Angehörige der Opfer befestigten Fotos und zahlreiche Blumen an einer Straßenlaterne am Ziegelplatz und entzündeten Kerzen.

Der gewaltsame Tod eines jungen Mannes und einer jungen Frau in Ebingen hat sich wohl in einem Beziehungsgeflecht abgespielt: Der Tatverdächtige soll der Onkel der Getöteten sein; die beiden Opfer waren eng befreundet.

Ein einzelner Streifenwagen steht auf dem großen Parkplatz, der zum Häuserblock zwischen Friedrich-, Garten-, Sonnen- und August-Sauter Straße gehört. Sonst ist der Parkplatz, den sich unter anderem Arztpraxen, Palm-Apotheke und AS-Wohnbau teilen, fast leer, denn beide Zufahrten sind mit Absperrband der Polizei blockiert.

In einem Garten, der direkt an den Parkplatz angrenzt, wurde am Mittwoch die Leiche einer Frau gefunden, bei der es sich laut Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit um die vermisste 20-Jährige handeln könnte.

Kaum noch Ermittler vor Ort

Der Pavillon, den die Polizei am Mittwoch im Garten aufgestellt hatte, ist jedoch bereits abgebaut, auch sonst wirkt der Ort am Donnerstagmorgen beinahe normal. Von dem einzelnen Streifenwagen abgesehen, ist keine Polizei am Fundort der Leiche zu sehen.

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Auch an der Fundstelle der Frauenleiche wurden Kerzen aufgestellt.

© Pascal Tonnemacher

Die Haustüre am Wohnhaus, in dem der Tatverdächtige und die vermisste 20-Jährige, um die es sich bei der Getöteten handeln soll, lebten, wurde versiegelt.

© Benno Haile

Der Parkplatz ist fast leer; die Zufahrt hat die Polizei abgesperrt.

© Benno Haile

Von einem einzelnen Streifenwagen abgesehen ist am Donnerstagmorgen am Fundort der Leiche keine Polizei zu sehen.

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Wenn das Absperrband und die von der Polizei versiegelte Haustüre an der Wohnanschrift des 52-jährigen Tatverdächtigen nicht wäre, käme man nicht auf die Idee, was für Schrecken sich hier abgespielt haben.

Auch am Ziegelplatz, der am Mittwochnachmittag lange Zeit abgesperrt war, sind am Donnerstagmorgen, einen Tag, nach den tödlichen Schüssen auf einen 23-Jährigen, zunächst keine Aktivitäten der Ermittler mehr zu sehen. Die Absperrbänder sind verschwunden.

Kerzen für die Opfer

Der Parkplatz kann ganz normal benutzt werden. Auch hier wirkt am Donnerstag zunächst alles so, als wäre nichts geschehen. Am frühen Nachmittag gibt es wieder eine Absperrung zur Oberen Vorstadt hin.

Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum. Unter dem Eindruck des Unfassbaren trafen sich an der Ecke Bühlstraße/Ziegelplatz im Laufe des Tages Freunde und Angehörige der beiden Opfer, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Sie befestigten Fotos an einer Straßenlaterne, legten Blumen nieder und entzündeten Kerzen.

Trauer nach doppelter Bluttat in Ebingen: Viele Fragen noch offen

© Pascal Tonnemacher

Die Absperrungen am Ebinger Ziegelplatz sind weg. Nur noch Farbmarkierungen für die Spuren am Boden deuten am Freitagmorgen auf die Bluttat hin.

In den Straßen um den Fundort der Leiche durchsuchten Beamte am Donnerstagmittag Mülltonnen. Wie Polizeisprecherin Simone Mayer auf Anfrage unserer Zeitung mitteilt, suche man schlichtweg nach allem, was zur Klärung des Tathergangs beitrage. „Das gehört zur Routine.“

Leichen sollen obduziert werden

Gleichwohl geht die Arbeit der Ermittler damit nun erst richtig los. Beide Leichen wurden am Donnerstag obduziert, der Tatverdächtige wurde dem Haftrichter vorgeführt. Er befindet sich nun in Untersuchungshaft.

Verdächtiger führt Polizei zu vergrabener Leiche

Bei der Festnahme habe der Beschuldigte keinen Widerstand geleistet. Den Hinweis auf die vergrabene Leiche, bei der es sich um eine Verwandte handeln soll, gab er laut Polizei selber.

Bei ihm wurde auch eine Pistole gefunden und sichergestellt. Woher er diese hatte, sei ebenso noch unklar wie die Frage, wie die Frau ums Leben kam.

Wohl eine Beziehungstat

Derweil zeichnet sich ab, dass sich die beiden Tötungsdelikte, die den ganzen Landkreis in Schockstarre versetzt haben, in einem engen familiären Beziehungsgeflecht abgespielt haben. Sowohl der mutmaßliche Täter als auch seine beiden Opfer kannten einander sehr gut.

Der 23-jährige Mann, der gegen 11.40 Uhr auf dem Ebinger Ziegelplatz niedergeschossen wurde und später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag, war nach der Familie eng befreundet mit der 20-jährigen Frau, die seit Sonntagfrüh vermisst wird.

„Die beiden Opfer kannten sich“, sagt Andrea Kopp, Sprecherin des Polizeipräsidiums Reutlingen. Und: Die junge Frau und der 52-Jährige, also ihr mutmaßlicher Mörder, haben im selben Haus gewohnt.

Beschuldigter macht keine Aussagen

Warum der Tatverdächtigte erst seine Nichte ermordet und dann deren Freund erschossen haben könnte – das ist Gegenstand der laufenden Zeugenbefragungen. Offenbar haben die Ermittler bereits ein konkretes Motiv im Sinn.

Nichts zur Aufklärung der Taten beitragen will aktuell der Beschuldigte. Der, so die Polizeisprecherin, mache von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Tatverdächtiger polizeibekannt

Bestätigt wird aus Reutlingen auch, dass der 52-jährige italienische Tatverdächtige „polizeilich nicht unbekannt war“. Der Mann sei, so Andrea Kopp, in Deutschland „wegen eher geringfügiger Delikte“ auf dem Zettel der Polizei gewesen.

Routinemäßig ermittelt die Polizei auch zusammen mit internationalen Strafbehörden wegen möglicher Vorstrafen im Ausland.

Trauer im Netz

In den sozialen Netzwerken kursieren derweil etliche Postings der Anteilnahme und Trauer um die beiden Verstorbenen. Eine gute Freundin der 20-Jährigen schildert gegenüber dem ZOLLERN-ALB-KURIER, dass sie in der Nacht vor ihrem Verschwinden noch mit ihr in einem Club feiern war.

Am Morgen danach habe sie erfahren, dass die 20-Jährige als vermisst gemeldet wurde. „Als ich erfahren habe, dass sie tot sein soll, ist eine Welt für mich zusammengebrochen“, schildert die junge Frau. Auch der Tod des 23-Jährigen, den sie flüchtig kannte, habe sie erschüttert.

„Tolle und charismatische junge Frau“

Die 20-Jährige sei eine „Bereicherung für die Welt“ gewesen, war gerne unter Leuten und immerzu lebensfroh. „Sie war zwar erst 20, hatte aber schon einen Job und eine Wohnung. Sie war sehr weit für ihr Alter“, so ihr Eindruck. „Es ist surreal.“

Ein Kollege der 20-Jährigen malt ein ähnliches Bild von ihr: „Sie war eine tolle und charismatische junge Frau. Immer mit einem Lächeln im Gesicht. Sie wird von ihrer Familie, ihren Freunden und Arbeitskollegen schmerzlich vermisst.“

Lea Irion/Dagmar Stuhrmann/Benno Haile/Hardy Kromer


Hinweis, 23. Dezember, 11 Uhr: In einer früheren Version des Artikels hatten wir geschrieben, die beiden Verstorbenen seien ein Paar gewesen. Diese Information war nicht korrekt. Polizeilichen Angaben zufolge seien die beiden lediglich befreundet gewesen. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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