Balingen

Nach Kontrolle im Lochenpass: Ab wann ist sportliches Motorradfahren ein unerlaubtes Rennen?

20.02.2024

Von Jasmin Alber

Nach Kontrolle im Lochenpass: Ab wann ist sportliches Motorradfahren ein unerlaubtes Rennen?

© Jasmin Alber

Der Lochenpass ist eine beliebte Motorradstrecke. Schilder, wie hier nach dem Ortsausgang Weilstetten, weisen zum einem auf das Tempolimit, zum anderen auf die Sturzgefahr hin und fordern Biker zur Rücksichtnahme auf.

Wenn es um ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen geht, hat man in der Regel mindestens zwei Beteiligte vor dem geistigen Auge, die sich mit ihren Fahrzeugen messen. Dass man deswegen aber auch nach einem „Alleinrennen“ belangt werden kann, zeigt ein Fall, der am Dienstag vor dem Balinger Amtsgericht verhandelt wurde.

Der 60-jährige Angeklagte, der gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt hatte, soll an einem Donnerstagabend im August 2023 mit seinem hochmotorisierten Motorrad den Lochenpass mehrfach bergauf und bergab befahren haben – mit dem Ziel, die maximale Geschwindigkeit zu erreichen, wie ihm die Staatsanwaltschaft zur Last legte. Darüber hinaus soll er mehrfach die durchgezogene Linie überfahren und wiederholt auf die Gegenfahrbahn gefahren sein. Hinzu kommen, so die Anklage, Überholmanöver an unübersichtlichen Stellen.

„Ich bin schon zügig gefahren“

Er sei an jenem Tag nach Feierabend tatsächlich mit dem Motorrad und noch in Arbeitskleidung auf besagter Strecke – rund 30 Kilometer von seinem Wohnort entfernt – unterwegs gewesen, um neue Reifen einzufahren, wie der 60-Jährige erklärte. Für dieses Vorhaben sei die Steige zwischen Weilstetten und Tieringen geeignet. „Ich bin schon zügig gefahren“, räumte der Handwerksmeister ein; sportlich, „wie man halt fährt“. Dennoch habe er noch immer die Kontrolle über die Maschine gehabt und aus dieser das Limit bei weitem nicht herausgeholt.

Nach 30 Jahren Pause vom Biken sei es wieder das erste Motorrad gewesen, das er sich angeschafft habe. Eigentlich habe er das Motorrad gar nicht für die Straße zulassen und nur für die Rennstrecke nutzen wollen. Denn bei seinem Zweirad handelte es sich um eine etwa 220 PS starke Maschine mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von 299 km/h. „Es war vielleicht ein Fehler“, betonte er im Nachhinein betrachtet im Hinblick Straßenzulassung. Und er wisse, „dass in der heutigen Zeit Motorradfahren ein hohes Risiko ist“.

Erfahrung im Rennsport

Die Lochenstrecke verleite zum sportlichen Fahren, „Rasen ist aber wieder etwas anderes“, so der Angeklagte. Er habe zwar teils über 80 Stundenkilometer auf dem Tacho gehabt, beispielsweise beim Überholen von Autos, gab er zu, aber von Raserei, wie sie ihm der Vertreter der Staatsanwaltschaft vorwarf, sei das weit weg. Denn zwischen den Serpentinen könne man überhaupt nicht auf allzu hohe Geschwindigkeiten kommen.

Und „klar, dass ich Kurven geschnitten habe, wenn die Straße frei war“ – die Ideallinie sei das gewesen, „das ist bei einem Motorradfahrer schon wie einprogrammiert“. Von einem Rennen – auch „nur“ mit sich selbst – sei das allerdings weit entfernt gewesen, sagte er mit Verweis auf seine Erfahrungen als Motorradfahrer und im -rennsport.

Mann überholt Zivilfahrzeug der Polizei

Wie überhaupt die Polizei auf seine Fahrweise aufmerksam geworden ist, schilderten zwei Beamte im Zeugenstand. Sie waren an diesem Donnerstagabend mit einem zivilen Kamerafahrzeug der Polizeiunterwegs – und wurden vom nun Angeklagten im unteren Bereich des Passes überholt. Man habe den Motorradfahrer schon im Rückspiegel mit hoher Geschwindigkeit sich nähern sehen, sagten sie aus. Mit knapp 90 km/h sei das Polizeiauto gefahren, und dennoch überholt worden.

Ein Stück weit sind sie dem Biker hinterher, haben auch immer wieder aufgeschlossen – das zeigte nicht zuletzt die Videoaufnahme, die im Gerichtssaal gezeigt wurde. Dann aber wurden die Polizisten bei ihrer Verfolgung von zwei Autos „ausgebremst“, die der Motorradfahrer überholt hatte, die der fahrende Polizist allerdings aus Sicherheitsgründen nicht überholen wollte. Denn nicht nur die kurze einsehbare Distanz im Lochenpass für ein mögliches Überholmanöver, sondern auch die tiefstehende Sonne habe dies nicht erlaubt.

Polizisten passen Biker ab

Die Beamten, die beobachtet hatten, dass der Motorradfahrer bergauf und -ab fährt, positionierten sich schließlich an einer Kurve und zogen den Mann aus dem Verkehr. Die Maschine wurde beschlagnahmt, der Führerschein einige Tage nach der Fahrt eingezogen. „Für mich war es ein außergewöhnliches Fahrverhalten“, sagte einer der Verkehrspolizisten, der in seinem Berufsleben schon etliche Kontrollfahrten im Lochenpass durchgeführt hat. „Über das normale Maß, wie man sonst die Lochen hochfährt“, pflichtete ihm sein Kollege, ebenfalls mit Erfahrung bei Motorradkontrollen, bei.

Die Aussage und Befragung des dritten Zeugen war dann relativ kurz: Er war einer der Autofahrer, die von dem Angeklagten an jenem Donnerstagabend überholt worden sind, und war eigenen Angaben zufolge bis vor kurzem selbst Motorradfahrer. Ihm sei „nichts Gravierendes“ in Erinnerung geblieben, sagte er im Zeugenstand.

Wie der Verteidiger argumentiert

Eben diese Aussage führte der Verteidiger in seinem Plädoyer als einen Punkt an. „Ja, es sind Verstöße begangen worden“, meinte er. Aber wie seien diese in ihrer Gesamtheit zu klassifizieren?, fragte er.

Er gab an, dass es einen „Riesenunterschied“ mache, ob man mit einem gut motorisierten Auto oder einem Motorrad andere Verkehrsteilnehmer überhole – Stichwort Beschleunigung. Mit der Maschine seines Mandanten überhole man auch bei einer (von der Polizei nachträglich ausgemessenen) Sichtweite von etwas über 130 Metern „absolut gefahrlos“, betonte der Verteidiger. Als Indiz, dass sein Mandant „keine Rennabsicht hatte“, wertete er zudem, dass dieser sich noch in Arbeitskleidung und nicht in der Lederkombi auf den Weg gemacht habe.

Er sehe zwar Verkehrsverstöße und Ordnungswidrigkeiten, aber kein verbotenes Kraftfahrzeugrennen gemäß Paragraf 315d Strafgesetzbuch (siehe Infokasten). Die „örtlichen Gegebenheiten“ und den Lochenpass als „höchstbeliebte Strecke bei Motorradfahrern“ dürfe man zudem nicht außer acht lassen. Er plädierte mit Blick auf die besonderen Umstände neben der starken beruflichen Notwendigkeit eines Führerscheins auf ein bloßes Fahrverbot.

Urteil: Führerschein wird entzogen plus Geldstrafe

Vor allem letzteres ließ die Richterin aber nicht gelten. „Man kann hier einfach keine Ausnahme vom Regelfall machen.“ Sie folgte annähernd der Forderung der Staatsanwaltschaft und verurteilte den 60-Jährigen wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu 40 Tagessätzen à 100 Euro, außerdem wird ihm der Führerschein entzogen samt einer Frist von vier Monaten bis zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis. Die Anklagepunkte hätten sich bestätigt und sie mache die Strafe auch nicht allein an überhöhter Geschwindigkeit, sondern in Gesamtbetrachtung fest, begründete die Richterin das Urteil.

Der Motorradfahrer habe sich über das Sicherheitsinteresse bewusst hinweggesetzt und – zudem nur wenige Monate nach dem Wiedererlangen seiner Fahrerlaubnis – die Straßenverkehrsregeln missachtet, fasste sie zusammen. Und: Wer dienstlich auf den Führerschein angewiesen ist, müsse selbst Sorge dafür tragen, dass er ihn nicht verliere, führte die Richterin aus. Ein Urteil nur daran festzumachen, dass andere, in diesem Fall Motorradfahrer auf dem Lochenpass, auch gegen die Verkehrsregeln verstoßen, das sehe sie nicht als gegeben.

Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig.

Das sagt das GesetzIn Paragraf 315d Strafgesetzbuch steht zu verbotenen Kraftfahrzeugrennen unter Absatz 1, Nr. 3:

„Wer im Straßenverkehr sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

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