Balingen

Pädagoge muss sich wegen sexueller Belästigung vor dem Balinger Amtsgericht verantworten

09.04.2024

Von Nicole Leukhardt

Pädagoge muss sich wegen sexueller Belästigung vor dem Balinger Amtsgericht verantworten

© Rosalinde Conzelmann

Vor dem Balinger Amtsgericht muss sich ein Pädagoge wegen sexueller Belästigung zweier Schülerinnen verantworten.

Die Vorwürfe sind keine leichte Kost: Ein Lehrer einer weiterführenden Schule in einer Kreisgemeinde soll zwei Schülerinnen in sexuell motivierter Absicht an die Brust gefasst haben. Der Pädagoge weist diese Behauptungen jedoch entschieden zurück: Gegen einen Strafbefehl hat er Widerspruch eingelegt, seit Dienstag verhandelt nun das Balinger Amtsgericht.

Er habe aus sexuellem Interesse an manchen Schülerinnen gehandelt, hielt der Staatsanwalt dem Angeklagten in seiner Anklageschrift vor. Konkret habe er in zwei voneinander unabhängigen Fällen zwei Schülerinnen im Unterricht von hinten erst die Hand auf die Schulter gelegt und sie dann weiter auf die Brust geschoben. Eines der beiden damals 11- und 12-jährigen Mädchen einer sechsten Klasse beschrieb zudem, dass der Lehrer dabei „kreisende Bewegungen“ ausgeführt habe. Gegen den Strafbefehl, der dem Lehrer zugegangen war, hat dieser Einspruch eingelegt.

„Es hat mich fassungslos gemacht“

Er wolle „ganz klar und deutlich“ feststellen, dass die Vorwürfe gegen ihn nicht zuträfen, erklärte er am Dienstag vor dem Balinger Amtsgericht. Sie würden ihn „ungemein schockieren, es verschlägt mir immer noch die Sprache“, betonte er.

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Freilich habe er sich Gedanken gemacht zu den Vorwürfen, die mittlerweile seit gut einem Jahr im Raum stehen, führte er aus. „Meine Gedanken kreisen förmlich seit einem Jahr darum, mal geht es auf, mal ab“, formulierte er. Erfahren habe er von den Anschuldigungen im Rahmen eines Dienstgesprächs, das ihn fassungslos gemacht habe, wie er sich erinnerte. Danach habe er die Zähne zusammengebissen und versucht, weiterzuarbeiten. Seit der Strafbefehl gegen ihn ergangen sei, sei er jedoch krankgeschrieben. „Es hat mich einfach zu sehr belastet“, gab er an. Zwischendurch rang er immer wieder hörbar um Fassung.

„Die Klasse fand mich ätzend“

„Vielleicht war es meine Art, wie ich in die Klasse reingegangen bin, meine Strenge, meine Forderung nach Disziplin“, mutmaßte er auf die Frage, was die beiden Mädchen zu ihrer Behauptung motiviert haben könnte, so sie denn nicht zuträfe. „Die Klasse fand mich ätzend, die wollten mich loswerden, ich kann mir keine andere Erklärung zusammenreimen“, fügte er an.

Die Klasse, die er zum Halbjahr übernommen habe, „war ein Sauhaufen“, erinnerte er sich. Um den Unterricht in ordentliche Bahnen zu lenken, habe er „straff auch auf kleine Störungen reagiert“, schilderte er. Denn die Schüler hätten nicht nur ihm, „sie haben auch sich gegenseitig nicht zugehört“, berichtete der Lehrer. Womöglich habe ihm das pädagogische Feingefühl manchmal gefehlt, wenn er „mehrfach und deutlich verbal klar gemacht hat, dass es so nicht funktionieren kann“, räumte er ein. Auch, dass er Ruhestörer umgesetzt und ihnen mit schlechten mündlichen Noten gedroht habe, sei vorgekommen.

Keinerlei sexuelle Motivation

Insgesamt sei seine Zeit in dieser Klasse, mit deren Leistungsstand es von vornherein aus seiner Sicht nicht gestimmt habe, geplantermaßen begrenzt gewesen, das habe seine Klasse im Lauf der Wochen mitbekommen. Insgesamt habe er diese sechste Klasse nur 15 Mal gesehen. Die Unruhe sei dabei eher von den Jungs, weniger von den Mädchen ausgegangen. Oft habe er den Kindern Aufgaben gegeben, „ich hab sie schaffen lassen“, sei dabei präsent gewesen und habe bei Fragen geholfen, schilderte er seinen Arbeitsalltag. „Ich gehe rum, stehe hinter der hintersten Reihe, weil da Platz ist, beuge mich mit dem Stift übers Heft, schreibe Beispiele auf, reagiere nebenbei, wenn es wo anders wieder laut wird, ich war ständig am multitasken“, beschrieb er. „Dass ich dabei mal einen Arm streife oder touchiere, kann ich nicht ausschließen, aber niemals passierte dies gezielt mit sexueller Motivation, das geht völlig gegen mein Selbstverständnis“, bekräftigte er.

Zwei unterschiedliche Schülerinnen

Auch von den beiden Mädchen, die die Vorwürfe gegen ihn erhoben hatten, zeichnete er ein eindrückliches Bild. Während die eine trotz vieler Fehltage eine sehr gute Schülerin sei, in seinem Fach zwischen Note eins und zwei stehe „und immer performt und trotzdem nach Bestätigung sucht“, liege die andere „eher am anderen Ende der Notenskala, zwischen vier und fünf“. Die schwache Schülerin sei hochgradig versetzungsgefährdet, stehe aber gerne im Mittelpunkt und habe auch bereits wegen Mobbing anderer, unter anderem der anderen Zeugin, Gespräche mit der Schulsozialarbeiterin gehabt. Sie wirke durchaus sehr kindlich, „weiß aber gut um die Wirkung ihrer Worte Bescheid“, wie der Angeklagte es formulierte.

Weitere Aussagen anderer Schülerinnen

Um die Wirkung von Worten ging es dann auch dem Staatsanwalt. Er verlas Aussagen von Schülerinnen der Klasse in Auszügen. „Es gab nämlich noch andere, die die Angaben der beiden untermauern könnten“, führte er aus. So habe eine Schülerin berichtet, der Lehrer habe den Arm über ihre Schulter gelegt und im Unterricht langen Augenkontakt mit ihr gehalten, „allerdings nicht auf die Brüste“. Den „bohrenden Blick“ nutze er im Sinn einer Ermahnung, erklärte der Angeklagte. Eine andere Schülerin hatte erzählt, der Pädagoge habe sie im Stehen umarmt und ihr dabei an den Bauch gefasst. „Wie stellen Sie sich das vor, vor der gesamten Klasse?“, wollte der Angeklagte wissen. Auch dass Schülerinnen seinen Arm von der Schulter „abgeschüttelt“ hätten oder ihm gesagt hätten, dass er sein wie auch immer geartetes Verhalten lassen solle, sei ihm nicht in Erinnerung. „So eine Situation hat nie stattgefunden, das scheppert doch im Kopf, sowas vergisst man doch nicht“, entgegnete er.

Eine kollektive Lüge?

Ob er sich also vorstellen könne, dass sich die Schülerinnen gegen ihn verschworen hätten und lügen, wollte der Staatsanwalt schließlich wissen. „Lügen ist ein hartes Wort, ich glaube aber, dass sich die Wahrnehmung aller angleicht, wenn sie sich beispielsweise danach in einer Chatgruppe über dieses Thema austauschen“, formulierte der Lehrer. Die Zeuginnen wurden, da beide noch im Kindesalter sind, unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört. Auch der Angeklagte musste sich für diese Zeit aus dem Sitzungssaal entfernen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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