Balingen

London im 16. Jahrhundert: Achtklässler der Waldorfschule Balingen führen Theaterstück auf

22.06.2022

von Stefanie Gottfried

London im 16. Jahrhundert: Achtklässler der Waldorfschule Balingen führen Theaterstück auf

© Privat

Mit Spielfreude und Sprachgewandtheit ließen sie in historisierenden Kostümen und perspektivisch genau gemalten Kulissen Bilder der Stadt London aus dem Jahr 1547 aufleben.

Die Achtklässlerinnen und Achtklässler der Waldorfschule Balingen kritisieren in ihrer Schulaufführung die Gesetze Englands im 16. Jahrhundert und halten uns zugleich einen Spiegel vor.

In der Theaterfassung von Mark Twains Roman „Der Prinz und der Bettelknabe“ von 1881 geht es um das grausame Rechtswesen, als Könige noch absolut herrschten. Die Schülerinnen und Schüler schlüpften auf der Bühne des Festsaals der Waldorfschule in die verschiedenen Figuren aus dem einfachen Volk und den höheren Ständen von Adel und Geistlichkeit.

Mit Spielfreude und Sprachgewandtheit ließen sie in historisierenden Kostümen und perspektivisch genau gemalten Kulissen Bilder der Stadt London aus dem Jahr 1547 aufleben. Doch die Sehnsucht, die Bürger möchten nicht Spielball der Mächtigen sein, die Gesellschaft möge sich nicht in Arme und Reiche aufspalten, die beschäftigt uns auch heute.

Und so fiel es dem Publikum nicht schwer, sich mit der Geschichte zu verbinden. Man konnte es nicht zuletzt am anhaltenden Applaus nach gut eineinhalb Stunden prallen Spieles spüren.

Ein Spiel der Verwechslung

Regisseur Michael Schmusch zeigte zwei Jungen, die einander optisch ähnelten wie ein Ei dem anderen, und die doch charakterlich nicht unterschiedlicher sein könnten. Der eine ein Prinz, Thronfolger des Königs und verwöhnt vom Schicksal, der andere ein armer Bursche, der sich stehlend und bettelnd über Wasser hält.

Von ihrer Umwelt verwechselt, tauschen beide die Rollen und lernen viel in ihren neuen Welten. In Balingen verkörperten insgesamt 5 Mädchen die beiden Knaben in zwei Besetzungen. Die Schauspielerinnen beherrschten das Spiel der Verwechslungsgeschichte perfekt.

Um sie herum zog plündernd die Ruffler-Bande durchs Leben, darunter verarmte Bauern, denen reiche Grundherren ihr Land abgenommen hatten. Eine Frau sowie ihre 9-jährige Tochter wurden wegen „Hexerei und Teufelswerk“ verurteilt und den Thronfolger selbst, im Bettlergewand, bezichtigte man des Diebstahls und brachte ihn fast an den Galgen.

Zum Ende wird versöhnlicher Ton angeschlagen

Verwerfungen dieser Art gab es viele in dem bewegten Schauspiel, am Ende wurde jedoch ein versöhnlicher Ton angeschlagen: „Ob Graf, ob Bettler – ist das nicht einerlei? (...) Ein Herrscher ist man nicht durch Macht und Reichtum nur.“ So die Worte des „echten“ Prinzen bei der abschließenden Krönungszeremonie. Und weiter: „Der Seele Adel hebt den Menschen erst empor.“

100 Jahre später wurde in England dann wirklich die Demokratie eingeführt – nicht nur auf der Bühne.

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