Zollernalbkreis

Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienste: Pläne für 10-Millionen-Euro-Neubau in Balingen

15.04.2024

Von Klaus Irion

Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienste: Pläne für 10-Millionen-Euro-Neubau in Balingen

© Hannah Irion

Bislang ist die Integrierte Leitstelle des Zollernalbkreises in Balingen in der DRK-Zentrale in Nachbarschaft zum Krankenhaus untergebracht. Dies könnte sich aber schon bald ändern.

Die Landkreisverwaltung und der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes Zollernalb wollen in Balingen so schnell wie möglich einen 10-Millionen-Euro-Neubau für die Integrierte Leitstelle errichten. Es gibt aber noch weitere Akteure, die (indirekt) mitsprechen und völlig unterschiedliche Interessenslagen, die über den Zollernalbkreis hinausgehen. Daher wohl die plötzliche Eile. Eine Einordnung.

Es ist erst wenige Tage her, dass das Regierungspräsidium Tübingen den Verantwortlichen im Balinger Landratsamt ein Mahnschreiben hat zukommen lassen, in dem die Kreisverwaltung und der Kreistag ungewöhnlich deutlich darauf hingewiesen werden, dass mittel- bis langfristig streng auf die finanziellen Spielräume, die verbleiben, geachtet werden sollte. Von „Priorisierung“ der Großprojekte war darin die Rede. Und unschwer herauszulesen war, dass die Tübinger Behörde im Zweifelsfall das Zentralklinikum der Regionalstadtbahn vorziehen würde.

Kosten würden geteilt

Doch kaum ist, im übertragenen Sinn, die Druckertinte auf dem Mahnschreiben trocken, da schlägt die Kreisverwaltung den Kreisräten ein weiteres, millionenschweres Projekt vor. Den Neubau einer Integrierten Leitstelle für Feuerwehr und Rettungsdienste. Zwar ist das Vorhaben in seiner baulichen wie finanziellen Dimension nicht annähernd vergleichbar mit den bereits genannten beiden Jahrhundertprojekten. Aber auch 4,785 Millionen Euro – Stand heute 100.000 Euro Planungskosten im Haushalt 2025, der große Rest in den Haushalten 2026 beziehungsweise 2027 – wollen auf Landkreisseite erst einmal aufgebracht sein. Noch einmal die gleiche Summe muss der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) für das neue Gebäude aufbringen.

Verwaltungsausschuss tagt

Obschon die Planungskosten erst im Haushalt des kommenden Jahres auftauchen sollen, sind im Hintergrund die Vorplanungen längst im Gange. Schon steht quasi fest, dass, um einen „unverhältnismäßigen Aufwand“ in Sachen Telekommunikation und (Funk-)Sicherheit zu vermeiden, nur „ein Neubau die wirtschaftliche Option darstellt“. So steht es in der Vorlage für die Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses des Kreistags, der kommenden Montag, 22. April, um 17 Uhr im Landratsamt in Balingen tagt.

Und mehr noch: Auch der bevorzugte Standort ist bereits avisiert. Es sollte ein kreiseigenes Grundstück in unmittelbarer Nähe zum Balinger Polizeirevier sein. Kreiseigen, weil dann zusätzliche Kosten für den Grundstückserwerb wegfielen. Polizeinah, weil dann eine Drahtanbindung an das Digitalfunknetz des Landes Baden-Württemberg möglich wäre. Und in Balingen, weil das DRK seinen Hauptsitz in Balingen hat und von Seiten des landkreiseigenen Amts für Bevölkerungsschutz „ein zeitnaher Zugriff auf die Integrierte Leitstelle zwingend notwendig ist“, erklärt die Landkreisverwaltung.

Offizielle Gründe

Dass Letztgenannte es plötzlich so eilig hat, die Neubaupläne in die Tat umzusetzen, hat mehrere Ursachen. Genannt wird zum einen die „längstens nach fünf Jahren“ – also spätestens im Jahr 2027 – zu modernisierende ILS-Technik, „die die Integration von Stabsräumen notwendig machen, was wiederum räumlichen Mehrbedarf bedingt“.

Als weiteren Grund wird auf das „stetig steigende Notrufaufkommen“ verwiesen. Was jedoch kein Spezifikum der ILS im Zollernalbkreis ist, sondern wohl alle Leitstellen betrifft. Denn die vermehrten Notrufe lassen sich nach Angaben des Regierungspräsidiums Tübingen unter anderem auf „besondere Unwetterereignisse“ wie beispielsweise Starkregen und Sturmböen zurückführen. „Die Wahrscheinlichkeit für derartige Wetterereignisse wird voraussichtlich in den kommenden Jahren aufgrund des Klimawandels weiter steigen, was sich entsprechend auf die Notruf- und Einsatzzahlen auswirken könnte“, schreibt das Regierungspräsidium auf seiner Homepage. Aber auch die Hemmschwelle den Notruf zu wählen sei gesunken, heißt es weiter.

Nicht genannter Grund

Es gibt aber noch einen dritten Grund, der zwar seit vielen Jahren bekannt ist und auch schon mehrfach vom ZAK thematisiert wurde. Die Sorge der Landkreisverwaltung und des DRK nämlich, dass der Zollernalbkreis seine Integrierte Leitstelle komplett verlieren könnte. Die Diskussion um die tatsächlich noch notwendige Gesamtzahl an ILS im Ländle ist zwar in der öffentlichen Debatte und auf Ebene des Innenministeriums etwas in den Hintergrund gerückt, aber nie ganz verstummt.

Erst vor wenigen Wochen hat der Verband der Ersatzkassen, vdek, auf seiner Internetseite verkündet, dass es, da landesweit inzwischen alle Leitstellen als Integrierte Leitstellen fungieren, „nun erstrebenswert für Baden-Württemberg ist, kleine und unrentable Leitstellen zu größeren Einheiten zusammenzufassen“. Als Argument für seine Forderung führt der vdek auf, dass bis im Jahr 2025 „eine Anbindung aller Leitstellen an den Digitalfunk vorgesehen ist, was, so die Annahme, zu Kostenerhöhungen führen wird.“

Teilung laufender Kosten

Ob diese Annahme zu den laufenden Kosten der künftigen ILS für den Zollernalbkreis zutrifft, bleibt abzuwarten. Denn: Was der derzeit laufende Betrieb kostet, wird in der Verwaltungsvorlage ebenso wenig thematisiert wie die Frage, ob und wenn ja, in welcher Höhe die Digitalfunkanbindung zu Buche schlagen wird. Nur so viel wird erwähnt: „Sämtliche Leitstellenkosten (Personalkosten, Betriebskosten usw.) mit Ausnahme der Investitionen, welche rein für den Aufgabenteil eines Vertragspartners genutzt werden, werden jeweils hälftig getragen.“ Beide Parteien hätten sich „zur Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit“ verpflichtet.

Tübingen widerspricht Balingen

Auch um für eventuelle Reformpläne des Landesinnenministeriums in Sachen möglicher Streichungen von Integrierten Leitstellen gewappnet zu sein, sind die Verantwortlichen der ILS im Zollernalbkreis bereits vor einiger Zeit eine Vertretungskooperation mit den Machern der ILS des Landkreises Freudenstadt eingegangen. „Weitere Vereinbarungen werden mit der ILS Reutlingen und Tübingen angestrebt“, heißt es in der Vorlage für den Verwaltungsausschuss.

Und das, obwohl offensichtlich längst schon klar ist, dass es mit dem ILS Tübingen gar nicht funktionieren kann. Man sei zwar „grundsätzlich immer kooperationsbereit“, versichert DRK-Kreisgeschäftsführer Martin Gneiting auf Nachfrage unserer Zeitung. Doch aus einer Zusammenarbeit mit dem Zollernalbkreis werde wohl nichts. „Wir haben umfangreich gesprochen“, betont Gneiting. „Es hat sich aber herausgestellt, dass wir nicht der richtige Partner sind, weil wir nicht das gleiche Leitsystem nutzen.“

Ob es diese technischen Probleme mit der ILS Reutlingen auch gibt, sei laut des Geschäftsführers des DRK Reutlingen, Thomas Födisch, noch nicht geklärt. Dennoch: „Ich bin Redundanzen grundsätzlich aufgeschlossen“, bestätigt Födisch. Er sei sich sicher, dass man positiv in mögliche Gespräche gehen werde. „Verwehren wird sich hier niemand“, so der Geschäftsführer.

Innenministerium ohne klare Aussage

Auf der Homepage des Innenministeriums wird beim Thema Leitstellen explizit nicht konkret vom möglichen Abbau bestehender Einrichtungen gesprochen. Dort heißt es stattdessen: „Die Überprüfung hat das Ziel, die bisherige Struktur konstruktiv-kritisch zu würdigen sowie gemeinsame Aufgaben und Synergieeffekte zu identifizieren, um den Betrieb möglichst effizient und wirtschaftlich gestalten zu können.“ Auch wolle man von der Einrichtung von Großleitstellen absehen.

Eine solche war ursprünglich in der Region Bodensee-Oberschwaben mit Standort Weingarten im Landkreis Ravensburg vorgesehen. 5 Jahre und einen unendlichen Streit zwischen den Landkreisen Ravensburg und Friedrichshafen später hat man jedoch davon abgesehen und vor wenigen Monaten einen Kompromiss gefunden. Der Landkreis Sigmaringen als Dritter im Bunde jener Region hatte seine eigenständige ILS jedoch bereits vor vielen Jahren an den Landkreis Ravensburg abgetreten und fungiert nur noch als Ausbildungsstandort und als zusätzlicher Standort bei Notlagen größeren und größten Ausmaßes.

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