Zollernalbkreis

Keine Blasen, dafür viel Zuspruch: Laufener Ehepaar hat Benefiz-Extrembergtour geschafft

15.10.2022

Von Rosalinde Conzelmann

Keine Blasen, dafür viel Zuspruch: Laufener Ehepaar hat Benefiz-Extrembergtour geschafft

© Privat

In 26 Tagen überquerte das Ehepaar Wingert/Lischerong die Alpen von Garmisch nach Brescia – als Spendenprojekt für syrische Kinder.

Ihre Füße haben durchgehalten, ebenso wie ihr Kopf. Überglücklich haben Jörg Wingert und seine Frau Angelika Lischerong am 15. September Brescia erreicht – nach 460 Kilometern und addierten 53.000 Höhenmetern in den Beinen. Wenn die Laune mal am Boden war, hat sie der Gedanke an den Zweck ihrer Benefiz-Alpenüberquerung angetrieben: die Unterstützung syrischer Kinder. „Der Zuspruch, den wir bekommen, ist einfach phänomenal“, sagt Wingert. Im ZAK-Gespräch erzählt das Ehepaar von seinem großen Abenteuer.

Am 18. August sind die Wanderer um 5.17 Uhr in den Zug nach Garmisch gestiegen, jeder mit einem 9 Kilogramm schweren Rucksack mit dem Nötigsten und freudiger Erwartung auf die nächsten dreieinhalb Wochen. Der „L1“ mit 26 Tagesetappen, ist, wie schon berichtet, die längste Ost-West-Überquerung und führt über drei Länder von Garmisch nach Brescia.

Kein GPS, nur die Karte

Das Ehepaar, das seit 13 Jahren mit Hundedame Amy und seiner Patchworkfamilie in Laufen lebt, hat die Extremwanderung ohne digitale Unterstützung gemeistert. Jörg Wingert hat sich ganz auf sein Gefühl und die gute alte Wanderkarte verlassen. „Wir sind keine 100 Meter falsch gelaufen“, sagt er stolz. Dafür haben er und seine Frau ganz altmodisch ein Wander-Tagebuch geführt, das sie noch lange an die Tour erinnern wird.

Der Auftakt war vor allem eines: nass. „Da ist die Laune natürlich gesunken“, sagt Angelika Lischerong und erzählt, dass es die ersten beiden Etappen nur geregnet hat. Die Laune ist aber schnell gestiegen, als die Sonne sich wieder zeigte.

Überwiegend alleine unterwegs

Der „L1“ gehört zu den anspruchsvollen Alpenüberquerungen, Daher war das Ehepaar auf vielen Etappen nahezu alleine unterwegs, abgesehen von ihren tierischen Begegnungen mit Eseln, Pferden, Ziegen, Murmeltieren, Gämsen und Schafen. Auch Kreuzottern kreuzten immer wieder ihren Weg. „Da waren wir dann zurückhaltend“, erzählt Angelika Lischerong.

Sie wurden jedoch auch mit Alpen-Tourismus konfrontiert, der für sie negative Auswirkungen hatte. Dreimal wurde das Ehepaar an DAV-Hütten in Österreich abgewiesen, weil kein Platz mehr war. „Das war, als der E 5 unseren Weg in den Ötztaler Alpen kreuzte“, berichtet Jörg Wingert. Die Konsequenz: Die beiden sind abgestiegen ins nächste Dorf zum Übernachten und sind tags darauf den gleichen Weg wieder aufgestiegen. „Was blieb uns anderes übrig?“, sagt Wingert.

Schneeballschlacht auf 2500 Metern

In den dreieinhalb Wochen haben die beiden Wetterlagen von minus zwei Grad bis plus 30 Grad erlebt. Am 9. September wanderten sie auf 2500 Meter Höhe über eine dünne Neuschneedecke. Lachend sagt Lischerong: „Es reichte für eine Schneeballschlacht.“ Richtig gefroren hätten sie nie, nass geworden sind sie öfter und geschwitzt hätten sie oft. Aber, meint die 57-Jährige: „Wir haben alles richtig eingepackt, es hat nichts gefehlt und nichts war zu viel.“

Außer ein paar blauen Flecken und einen Bienenstich gab es auch keine körperlichen Blessuren. Erstaunlich ist auch, dass die beiden die ganze Zeit weder Blasen noch Druckstellen an den Füßen hatten. „Und immer trockene Socken“, sagt Lischerong lachend. Es habe keine gefährliche Situationen gegeben, ergänzt Wingert. „Wir haben uns nicht überschätzt oder überfordert.“

Zur Taufe des Enkels daheim

Weil alles so reibungslos klappte, ist das Ehepaar zur Taufe seines Enkelkindes am 28. August mit dem Zug vom Ötztal in die Heimat zurückgekehrt und hat nach drei Tagen die Tour nahtlos fortgesetzt und das Ziel ohne Zeitverlust, also nach 26 Tagesetappen, erreicht.

Familie wandert 3 Etappen mit

Unvergesslich sind dem Ehepaar die drei Etappen geblieben, bei der sie von einer Tochter und einem Schwiegersohn begleitet wurden. Die ganze Familie war über Whatsapp stets auf dem aktuellen Stand. Die Vierergruppe hatte bei der über zehnstündigen Etappe nach Sölden wunderschönes Wetter und im Venter Tal begleitete sie ein neugieriger Haflinger kurz auf ihrer Strecke.

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Die Power für die körperlichen Anstrengung hat das fitte Ehepaar aus seiner mentalen Stärke geschöpft. „Ich bin noch nie so schnell runtergekommen“, beschreibt Wingert dieses Gefühl. Beide haben die zwei letzten Etappen in Italien als die schwierigsten erlebt. Weil zwei Hütten im Valle Trompia schon geschlossen hatten, mussten sie ihre Route ändern und in den nächstgelegenen Dörfern nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen. Aber auch das war nicht so einfach. „Dort ist nichts mehr“, erzählt Lischerong.

Hotel hatte dicht gemacht

Das Hotel, das sie ausgewählt hatten, hatte schon vor längerer Zeit dicht gemacht. „Das stand aber nicht im Internet“, sagt der 58-jährige Wingert. Glücklicherweise fanden sie dann eine Ferienwohnung zum Übernachten. Jeweils 40 Kilometer hat das Ehepaar an den beiden Tagen zurückgelegt. „Bergab und bei Gluthitze“, erinnert sich Lischerong. Aber es gab keine Alternative. „Das Heimweh hat uns vorangetrieben“, sagt ihr Mann, der als Bautechniker bei der Stadt Geislingen beschäftigt ist.

Einsam, aber wunderschön

Davor beschreiben sie den südlichen Teil des „L1“ mit 6 Etappen von Temü bis ins Valle Trompia über 5 Bergketten als schönsten Teil der Alpenüberquerung. „Wir waren die einzigen Wanderer in den Schutzhütten, in denen es nur 14 Grad warm war, weil das Holz zum Heizen zu teuer ist“, berichtet Wingert. „Es war einsam, aber wunderschön“ ergänzt seine Frau.

Der Empfang daheim war herzlich; die vier Kinder des Paars hatten ein kleines Gebirge für die Alpenüberquerer aufgebaut.

26 Etappen, 460 Kilometer und an die 53.000 addierte Höhenmeter (der Auf- und Abstieg wird gemittelt), rund 7000 weniger als beim „L1“ angegeben, hat das Ehepaar in seinem Wander-Tagebuch festgehalten. Dass sie ihr Ziel geschafft haben, nicht aufgegeben haben, macht sie stolz.

Die Mühe hat sich gelohnt

Noch mehr aber freuen sie sich über die Spendensumme, die bis jetzt für das Schulcamp in Adana in der Türkei an der syrischen Grenze zusammengekommen ist. Der Verein „Im Ländle“, der das Schulcamp mit Unterstützung des Zollernalbkreises aufgebaut hat, hat auch die Schirmherrschaft für das Wanderprojekt übernommen und in den Sozialen Medien darüber berichtet. „Ich bin so glücklich, dass sich die Mühe gelohnt hat“, sagt Wingert.

Ehepaar verrät Spendensumme noch nicht

Das Ehepaar verrät die Summe noch nicht, hält aber sein Versprechen, für jeden gelaufenen Kilometer zu spenden. Und weil der Zuspruch weiterhin so gut ist, wollen sie die Spendenaktion bis Mitte November weiterlaufen lassen und das Geld dann an den Verein „Im Ländle“ übergeben. Die Geislinger Raiffeisenbank hat für die Extremwanderer zwei kostenlose Spendenkonten (Jörg Wingert) eingerichtet.

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