Balingen

Johann König sinniert in der „Fashion-Metropole Balingen“ über das Leben und (verhinderte) Pläne

19.04.2024

Von Jasmin Alber

Johann König sinniert in der „Fashion-Metropole Balingen“ über das Leben und (verhinderte) Pläne

© Jasmin Alber

Volles Haus: Johann König füllte den Großen Saal der Stadthalle, sogar samt Foyererweiterung. Er zeigte beim Gastspiel in Balingen auch sein artistisches Talent.

Johann König, selbsternannte depressive Stimmungskanone, zieht. Und zwar die Massen in die „vollholzvertäfelte Eventarena“ – die Balinger Stadthalle war seit Wochen ausverkauft, die Menschen saßen bis ins Foyer. Und lachten, dass sich die (Vollholz?-)Balken bogen. König indes blieb gewohnt gleichgültig auf der Bühne. Und wurde auch mal laut. „Da sind Sie auch erschrocken, hm?!“

Er freue sich, freue sich, freue sich seeeehr, in dieser – „wie heißt der Laden?“, kurzer Blick auf die Handinnenfläche – „dieser vollholzvertäfelten Eventarena in … Balingen“ zu sein. Naja, immer noch besser als vergangene Woche im Sauerland. Denn da war das Publikum übel, wirklich übel; ausgeschmückt mit nicht zitierfähigen Bezeichnungen. Der geneigte Leser möge sich in diesem Text die König’schen Seufzer, das Gequälte, Weinerliche hinzudenken; ebenso die Pausen mitten im Satz.

Zurück zu Balingen, der „Fashion-Metropole“, obwohl König im stockdunklen Großen Saal rein gar niemanden sehe. Sei’s drum, es geht ja auch ums Thema: Pläne – die eigenen und die der anderen, bei denen es wichtig sei, diese zu verhindern. Zum Beispiel den Plan von Björn Höcke, „Reichskanzler zu werden“. Großer Zwischenapplaus. Aber auch der Plan von Olaf Scholz, Temperament in die Politik zu bringen, sei nicht aufgegangen. Über den FC Bayern München und Julian Nagelsmann kommt man schließlich auf Jesus. Der hatte, so König, „ja auch noch viele Pläne, wandern, predigen, zaubern“, die dann jedoch … „durchkreuzt wurden“.

Wer nun aber denkt, dass König plötzlich (politisches) Kabarett macht, liegt falsch. Er kann auch Witze erzählen, und zwar am besten die aus dem unteren Niveaubereich. Beispiel? „Hackfleisch kneten ist wie Tiere streicheln – nur später.“

„Ich habe im Grunde eine menschliche KI geheiratet“

Und das, was immer zieht: heitere Anekdoten aus dem Familienalltag. „Der Schlüssel zum Glück in einer langen Ehe wie der meinen ist immer der Schlüssel zur Zweitwohnung.“ Über seine Frau hatte er viel zu berichten. Dass sie sich seine Tricks und Methoden, im Haushalt so wenig wie möglich mitzuhelfen, aneigne und gegen ihn verwende, zum Beispiel. „Ich habe im Grunde eine menschliche KI geheiratet.“ Keine Ahnung habe er aber, warum sie ihn nicht ernstnehme, ist Ärgern für ihn doch „sichtbargemachte Liebe“.

Johann König sinniert in der „Fashion-Metropole Balingen“ über das Leben und (verhinderte) Pläne

© Jasmin Alber

Gewohnt antienthusiastisch-trocken berichtet Johann König über sein Leben, die Familie und was ihn sonst so bewegt.

Die Kinder indes, da sei er froh, dürfen das sein, was sie möchten. Beispielsweise der Sohn. Obwohl er als sichtbarer Mensch geboren sei, fühle er sich als unsichtbarer, plauderte König. „Er empfindet sich als trans – parent.“ Charmant bewegt er sich über gesellschaftliche Grenzen. „Papa, warum stinken Fürze eigentlich? – Keine Ahnung, damit die Gehörlosen auch was davon haben?!“

Die drei Kinder und seine Frau, die sind toll, sehr toll, sehr toll. „Man muss es nur immer laut wiederholen.“ Mit dem Nachwuchs ist es halt wie mit Nachbarn: Man kann sie sich nicht aussuchen, sinniert König (Mitte 50, also in einem halben Jahr 51, erst kürzlich ein erstes graues Haar entdeckt, Krafttier: Honigbär). Und die Kids müssen auch mithelfen, zum Beispiel bei der von ihnen vorgeschlagenen CO2-Reduktion der Familie. Also genau genommen erst mal die Kinder: „Es ist schließlich deren Zukunft und nicht unsere.“ Deshalb geht’s für Herrn und Frau König im Sommer mit dem Flieger auf die Seychellen, für die Kinder mit dem Rad ins, na, Sauerland!

Nicht alle Städte so geil wie Balingen

Platz genommen auf dem Barhocker, mit einem kleinen Tisch die einzige Requisite auf der Stadthallenbühne, denkt er nach all den aufreibenden Erzählungen aus dem Familien-Nähkästchen, laut über seine Arbeit nach. „Im Grunde eine Sechs-Stunden-Woche“ bei drei Auftritten in der Woche. Noch 195-mal müsse er sein aktuelles, achtes Programm spielen. „Da hab ich richtig Bock drauf“ … verzerrtes Gesicht. Seit 25 Jahren sei er auf Tour, durch das Land, durch alle Käffer. „Glaubt ihr eigentlich, das macht mir Spaß? Es sind ja nicht alle Städte so geil wie (Blick auf die Handfläche) Balingen!“

Johann König sinniert in der „Fashion-Metropole Balingen“ über das Leben und (verhinderte) Pläne

© Jasmin Alber

Schon eine Stunde rum: Johann König kann einen weiteren Punkt auf seiner Liste abhaken.

Und fast schon hat man im Publikum Mitleid mit dem Mann, der auf dem Barhocker gequält in sich zusammensinkt. Bis er einem ganz unvermittelt ein Bild in den Kopf setzt. „Habt ihr das auch schon mal versucht? Eine Badewanne voller Nacktschnecken, einer muss sich mit verbundenen Augen reinlegen, ohne eine Erektion zu bekommen.“ Das lässt er dann einfach mal so stehen. Und geht derweil der Frage nach, wie man eigentlich zu dem geworden ist, der man ist. Bei ihm sicherlich ausschlaggebend: die „derbe langweiligen“ fünf Wochen, fünf Monate, fünf, am Ende 15 Jahre nach der Geburt im Brutkasten.

Über Artistik und fortschreitende Digitalisierung

Nach der Pause erwartet man dann Spektakuläres, als zum Einmarsch Zirkusmusik erklingt. Vergebens. Beim Planen seines Programms war der Plan, dass er auf dem Einrad mit drei Keulen jonglierend zurück auf die Bühne kommt. Deshalb auch die Zirkusmusik und bunten Lichter, erklärt er. „Aber dann haben wir bemerkt: Ich kann das gar nicht.“ Blöd, aber nun ja.

Was er vermissen wird, wenn mit der fortschreitenden Digitalisierung – er leistet im Übrigen auch einen Beitrag für den Arbeitsplatzerhalt von Kassiererinnen, indem er an SB-Kassen gerne mal „zehn für den Preis von einem“ macht – sei, dass Wärme und menschliche Nähe verloren gehen. Und „sackwarme Münzen“, direkt aus den Hosentaschentiefen.

„Ein Lied zum Abschluss, zum Rausgehen“

Dass er nicht nur erzählen, sondern doch auch artistische Talente hat, zeigte er bei seinem „Lied zum Abschluss, ein Lied zum Rausgehen“, in dem er all seine Pointen des Abends zusammengewürfelt hat. Auch die Erkenntnisse aus Spam-E-Mails, die er – natürlich profund – analysiert und bewertet hat, in Reimform. Darunter teils liebevolle Textzeilen, die dem Publikum zu Herzen gehen: „Ich liebe euch ganz abgrundtief, ihr seid die Geister, die ich rief.“ Hach!

Aber ganz im Ernst, so König: „Danke schön! Ohne euch müsste ich richtig arbeiten gehen.“ Zum Dank gab’s dann am Ende doch noch eine Jongliereinlage. Und ein paar Witze, die die Besucher in der Pause in ein Buch geschrieben hatten. Kostprobe? „Warum sind die meisten Gleichstellungsbeauftragten in Deutschland Frauen und nicht Männer? Weil es billiger ist.“

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