Hechingen

In die Eschen preschen: Zu viele Förster im Hechinger Fürstengarten?

23.02.2024

Von Julia Siedler

In die Eschen preschen: Zu viele Förster im Hechinger Fürstengarten?

© Julia Siedler

Grundstück des Gemetzels: Schneise der Verwüstung oder endlich aufgeräumt rund um die Villa Silberburg? Fest steht: Die Rodungsaktion im Hechinger Fürstengarten war illegal, wie auch das Landratsamt bestätigt.

Fleißig abgeholzt wurde in der zweiten Februarwoche im südlichen Teil des Hechinger Fürstengartens. Genauer: auf dem Flurstück 348/6 der Gemarkung Hechingen. Das Grundstück der Villa Silberburg. Thomas Beck von der Weilheimer Brennerei fällte im Auftrag der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern etliche Eschen auf dem Grundstück, auf dem er im Sommer noch den Hechinger Sommernachtstraum veranstaltet hatte. Seither ist die sonst im Grünen versteckte Villa nun auch von weitem erkennbar; auch die Burg Hohenzollern ist von der anderen Richtung plötzlich gut zu sehen. Der Haken an der Sache?

Die (fehlende) Genehmigung für die Abholzung. Zuerst war noch kolportiert worden, die Aktion sei behördlich abgesegnet gewesen. An der Rechtmäßigkeit des Einsatzes hatte jedoch einer von vornherein seine Zweifel: Nabu-Sprecher Gert Rominger. Berechtigt, wie sich später herausstellen sollte: „An der Maßnahme im Fürstengarten in Hechingen wurde die Landkreisverwaltung nicht beteiligt. Für den Eingriff in das dortige Offenlandbiotop sowie für die umfangreiche Rodung wurde keine naturschutzrechtliche Genehmigung ausgesprochen“, bestätigt Landratsreferentin Patrizia Hirt auf Anfrage des ZOLLERN-ALB-KURIER. Es seien verschiedene telefonische Anzeigen und welche per Mail mit Fotos beim Landratsamt eingegangen. Was sagen die Beteiligten zu der Schneise, die im Fürstengarten hinterlassen wurde?

Das Landratsamt

Obwohl die Villa Silberburg in Privatbesitz ist, gilt der Fürstengarten im Ganzen als geschütztes Denkmal. „Der Fürstengarten in Hechingen, auch die Privatfläche, unterliegt dem Denkmalschutz. Er ist zudem als Biotop kartiert“, führt Patrizia Hirt näher aus. Gesetzlich geschützte Biotope sind in Paragraf 30 des Bundesnaturschutzgesetzes festgeschrieben. Dort steht auch: „Handlungen, die zu einer Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung der Biotope führen können, sind verboten.“ Eine Ausnahme könne dann zugelassen werden, wenn die Beeinträchtigungen ausgeglichen werden können.

In die Eschen preschen: Zu viele Förster im Hechinger Fürstengarten?

© ZAK-Grafik

Die ZAK-Grafik zeigt den Fürstengarten mit dem rot schraffierten Grundstück rund um die Villa Silberburg, die sich in Besitz der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern befindet. Der restliche Teil des Parks liegt in städtischer Hand.

Wie hätte also die richtige Vorgehensweise bei einer solchen Aktion aussehen müssen? „Es hätte vorab ein Antrag auf Eingriff in das Biotop gestellt werden müssen, in welchem die Art des Eingriffs und der Umfang hätten beschrieben werden müssen“, so Hirt. „Der Antrag wäre von uns bewertet worden und hätte dann gegebenenfalls zu einer Ausnahmegenehmigung geführt, welche ebenfalls wieder auf den Umfang und die Tiefe des Eingriffs eingegangen wäre und gegebenenfalls Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt hätte.“ Doch welche Konsequenzen drohen beim Abholzen ohne naturschutzrechtliche Genehmigung?

Aus dem Landratsamt heißt es: „Die untere Naturschutzbehörde ist an der Klärung des Vorgangs dran. Im nächsten Schritt wird vor Ort ermittelt, welche Bäume in welcher Anzahl entfernt wurden und auf welchen Grundstücken die Bäume standen. Sodann erhalten die jeweiligen Grundstückseigentümer die Möglichkeit, sich zu den durchgeführten Maßnahmen zu äußern. Den Grundstückseigentümern wird eine 4-wöchige Frist zur Stellungnahme eingeräumt. Aus den Ermittlungsergebnissen vor Ort und den Äußerungen der Grundstückseigentümer wird das weitere Vorgehen abgeleitet.“ Das Bußgeld könne laut den gesetzlichen Vorgaben aus dem Denkmalschutzgesetz bis zu 250.000 Euro betragen. Im Bundesnaturschutzgesetz ist ein Bußgeld von bis zu 50.000 Euro verankert.

Unsere Redaktion wollte auch wissen: Wenn die Wiesen in den Zustand vor rund 150 Jahren zurückversetzt werden sollen, wäre das nicht im Sinne des Denkmalschutzes? Oder geht es bei etwaigen Bedenken viel mehr um den Naturschutz? „Es geht natürlich um den Naturschutz“, sagt Hirt. „Die Bedenken liegen in den Rechtsgrundlagen des Bundesnaturschutzgesetzes.“

Die Stadt Hechingen

Dass auch die Stadt Hechingen als Eigentümerin der restlichen Parkanlage vorab nicht über die Maßnahmen rund um die Villa Silberburg informiert wurde, ist mehrfach bestätigt. Für den städtischen Teil des Fürstenparks gibt es ein Parkpflegekonzept, doch „die Silberburg war nie Teil des Konzepts, das von der Stadt für den städtischen Teil des Fürstengartens in Auftrag gegeben wurde“, teilt Bürgermeister Philipp Hahn auf Anfrage unserer Zeitung mit. „Sie ist aber Teil des Gartendenkmals Fürstengarten“, bekräftigt auch die Stadt die Rechtslage im Park.

„Etwaige Maßnahmen und Eingriffe hätten der vorherigen Abstimmung mit den Denkmalschutzbehörden und der Genehmigung bedurft“, hält Hahn fest. „So im städtischen Parkbereich geschehen, wo punktuell jeder Eingriff und Schritt auf Grundlage des Konzepts im Vorfeld abgestimmt wurde. Pauschale und umfassende Rodungen ohne jegliche Abstimmung und Genehmigung, wie hier geschehen, stehen hierzu im diametralen Kontrast“, verdeutlicht der Hechinger Rathauschef. Und für den in Privateigentum befindlichen Bereich der Villa Silberburg liege kein derartiges Konzept vor, „lediglich die alten historischen Stiche aus dem 19. Jahrhundert“.

Aber können die Arbeiten der Unternehmensgruppe rund um die Villa Silberburg vielleicht als Integration in das Parkpflegekonzept angesehen werden? „Da es für diesen Teil kein Parkpflegekonzept gibt, hätte das der Eigentümer erstellen lassen müssen“, so Hahn. Der zuständige Architekt Albrecht Schaal habe jedoch keinen Auftrag erhalten.

Unterdessen bestätigt die Stadt das Triebsterben des Eschenbestands auch im „städtischen Teil“ des Fürstengartens. „Es wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Eschen entfernt beziehungsweise aus Verkehrssicherungsgründen baumtechnisch saniert“, erklärt Hahn. Die Verwaltung bestätigt außerdem, dass die Eigentümerin von der Stadt Hechingen mittlerweile „formlos um eine Stellungnahme gebeten“ wurde. „Im Rahmen eines einzuleitenden Bußgeldverfahrens wird die Stadt Hechingen sowohl der Eigentümerin als auch dem ausführenden Forstunternehmen in den nächsten Tagen eine förmliche Anhörung zukommen lassen“, teilt Rathaussprecher Thomas Jauch mit.

Die Unternehmensgruppe

Auch von Thomas Kanjar, Immobilienverwalter der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern, wollte unsere Zeitung wissen, aus welchen Gründen die Fällung der Bäume angeordnet wurde – und ob es dafür (k)eine behördliche Genehmigung gab. Und wir wollten wissen: Inwiefern decken sich die jüngsten Baumfällarbeiten mit dem Ziel der Stadt, den Park in den Zustand von vor 150 Jahren zurückzuversetzen? Außerdem wollten wir erfahren: Möchte die Unternehmensgruppe dem Sanierungsstau rund um die Villa Silberburg wirklich nachgehen? Die Anfrage des ZOLLERN-ALB-KURIER vom 15. Februar ließ Kanjar bislang unbeantwortet.

Die Fürstengarten-Freunde

Umso auskunftsfreudiger sind derzeit die Fürstengartenfreunde, deren Sprecherin Erika Paulsen in dieser Woche zu einem außerplanmäßigen Treffen geladen hatte. Dort hat Gert Rominger vom Nabu einen rechtlichen Aufklärungsvortrag zur Aktion um die Silberburg gehalten. „Natürlich waren wir alle entsetzt – wie die übrigen Hechinger auch – über diese Nacht- und Nebel-Rodung auf dem Anwesen“, sagt Sprecherin Paulsen.

Rominger als Naturschutzbeauftragter hätte die Sache angezeigt, habe nachgehakt und Recht bekommen. „Das wird noch ein Nachspiel haben – aber wie es weitergeht, weiß ich auch nicht“, sagt Paulsen. Ihr sei jedoch daran gelegen, dass es keinen Streit mit dem Fürstenhaus gebe und dass man versuche, zusammenzuarbeiten. „Schließlich ist das ja eins“, sagt sie. Ihr persönlicher Wunsch? Den Fürsten von Sigmaringen davon zu überzeugen, Architekt Schaal auch für die „Wiederherstellung des Parks rund um die Villa Silberburg zu gewinnen“. Bisher habe Schaal allerdings keine Nachfragen erhalten, habe dieser auch ihr berichtet. „Ich werde weiter am Ball bleiben“, sagt Paulsen, die hoffe, dass die Sache gütlich weitergehe. Vielleicht ist es ja eben Architekt Schaal, der wieder eine Brücke zwischen Fürstenhaus und Stadt bauen könnte?

Der Bürger

„Wissen Sie, was hier passiert ist?“, will ein betagter Spaziergänger von der ZAK-Reporterin wissen, die sich in dieser Woche vor Ort ein Bild des Geschehens macht. „Eine schöne Sauerei ist das“, poltert der Mann. Und ergänzt: „Aber eigentlich ist es auch gut, dass da mal jemand aufgeräumt hat.“ Manch Hechinger scheint nach dem ersten Schock über die „Nacht- und Nebelaktion“ durchaus (auch) positive Aspekte an der Rodung zu erkennen.

Der Förster

Aufhorchen lässt angesichts der jetzigen Rodungsaktion eine Aussage, die Hechingens Stadtförster Rainer Wiesenberger vor knapp zwei Jahren öffentlich geäußert hatte und die heute fast kurios anmutet. Er hatte seinerzeit kritisiert, dass die Unternehmensgruppe im Fürstengarten nur das Notwendigste mache und sich nicht an der Wiederherstellung des historischen Fürstengartens beteilige. Worüber er sich damals geärgert hatte, weil ja auch das Grundstück der Silberburg zum Fürstengarten gehört. Wiesenberger hatte gegenüber Medien damals von einem „Riesenproblem“ gesprochen.

Aus heutiger Sicht ebenfalls bemerkenswert: Thomas Kanjar, der Immobilienverwalter der Unternehmensgruppe Fürst von Hohenzollern, hatte in diesem Zusammenhang seinerzeit verlautbaren lassen, „dass er zuerst das Gespräch mit der Stadt suchen würde, wenn die Unternehmensgruppe im Fürstengarten etwas vorhätte“. Mit Blick auf die aktuelle Situation scheint es für alle Beteiligten und Nicht-Beteiligten da fast schon schwer, den Wald vor lauter abgeholzten Bäumen noch zu sehen.

Diesen Artikel teilen: