Zollernalbkreis

Haus und Herz für andere öffnen: Japanische Studenten zu Gast im Zollernalbkreis

21.03.2024

Von Olga Haug

Haus und Herz für andere öffnen: Japanische Studenten zu Gast im Zollernalbkreis

© Privat

Familie Langenbach aus Bisingen zeigt ihrer Gaststudentin Mai (Zweite von rechts) die schöne Umgebung in Bisingen und im Zollernalbkreis.

Der ZAK-Freundeskreises steht seit über 40 Jahren für Völkerverständigung und Weltoffenheit. Sieben japanische Studenten gastieren derzeit bei Familien im Zollernalbkreis. Zwei Familien erzählen, wie beide Seiten voneinander profitieren.

Kartoffelgratin mit Stäbchen essen? Was einem sonst kaum einfallen würde, hat Familie Langenbach aus Bisingen neulich erst getan. Warum? Weil sie eine japanische Austauschstudentin bei sich aufgenommen hat. Selbstverständlich haben sie auch schon gemeinsam das schwäbische Traditionsessen schlechthin gekocht: Maultaschen. So geht also kulturelle Verständigung auf eine ungezwungene und amüsante Art.

+++ Jetzt kostenlos abonnieren: der ZAK-Whatsapp-Kanal +++

Drei Jahre Zwangspause

Es sei das erste Mal, dass die Familie eine japanische Studentin bei sich hat, sagt Sabrina Langenbach – „leider“, wie sie betont. Die Familie hätte sich gerne schon früher an dem Austauschprogramm beteiligt, doch die Pandemie machte dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung – genau genommen dem gesamten Austauschprogramm des ZAK-Freundeskreises der japanischen Universitäten und dem Kreisjugendreferat am Landratsamt Zollernalbkreis.

Haus und Herz für andere öffnen: Japanische Studenten zu Gast im Zollernalbkreis

© Privat

Studentin Mai übt sich in einem schwäbischen Handwerk: Maultaschen machen.

Drei Jahre Zwangspause hat der Freundeskreis nun hinter sich. Umso größer jetzt die Freude bei allen Beteiligten, allen voran bei Kurt Sauter. 1981 betreuten Kurt Sauter, ehemaliger Vertriebsleiter beim ZOLLERN-ALB-KURIER und langjähriger CDU-Kommunalpolitiker, und Manuela Heider, Vorsitzende der Freien Wähler in Albstadt, die erste japanische Jugendgruppe, damals aus Hiroshima.

Junge Menschen unterschiedlicher Nationen und Religionen begegnen sich

Kurt Sauter war damals im Vorstand von „Experiment in International Living“, der ältesten Jugendaustauschorganisation der Welt. Die Organisation wurde nach dem 2. Weltkrieg von einem Amerikaner mit dem Ziel gegründet, dass sich junge Menschen unterschiedlicher Nationen und Religionen persönlich begegnen und so zur Völkerverständigung beitragen.

„Herzstück der ehrenamtlich organisierten Begegnungen ist der Familienaufenthalt“, sagt Annika Bitzer, die die Aufenthalte mittlerweile plant – sozusagen in dritter Generation. Die erste Gruppe aus Fukuoka und anderen Universitäten der Insel Kyushu kam im Jahr 2000 in den Zollernalbkreis. In diesem Jahr sind es lediglich sieben Studenten. „Wir hatten auch schon Gruppen mit knapp 30 Teilnehmern“, weiß Annika Bitzer.

Studenten erkunden den Zollernalbkreis

Bei ihrem einwöchigen Aufenthalt im Zollernalbkreis besuchen die Studenten die Firma Blickle in Rosenfeld, die Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Balingen, die Technologiewerkstatt und das Maschenmuseum in Albstadt, das Landratsamt sowie die Stauffenberg-Gedenkstätte und machen ein Backseminar bei der Bäckerei Koch in Engstlatt. Gutes deutsches Brot ist ein Muss.

Mit Händen, Füßen und einem Lächeln

Vergangenes Wochenende sind die Studenten im Zollernalbkreis angekommen, nachdem sie in München einen zweiwöchigen Sprachkurs besucht hatten. Ob die zwei Wochen gereicht haben? „Wir verständigen uns mit Händen und Füßen, einem Übersetzer aus dem Internet – und viel Lächeln“, sagt Sabrina Langenbach.

Ähnlich sieht das auch bei Familie Bartle aus Hechingen aus. Ihre Austauschstudentin spricht nur minimal Deutsch. „Und wir eben Schwäbisch – und wenn’s sein muss, auch Deutsch“, witzelt Thomas Bartle, der zusammen mit seiner Frau schon viele Schüler und Studenten aus unterschiedlichen Ländern bei sich wohnen ließ: aus Peru, Polen, Ungarn, Frankreich, England oder Spanien. Eine Schülerin aus Moskau war ein ganzes Jahr bei Familie Bartle und besuchte das Gymnasium. „Auch jemanden aus Israel durften wir schon in unserem Haus als Gast begrüßen.“ Und das aus gutem Grund: Für Bartles geht es dabei um viel mehr als allein darum, einem Studenten eine Bleibe zu bieten. Es geht um gegenseitige Bereicherung, um Weltoffenheit.

Haus und Herz für andere öffnen

„Würden sich nicht nur die ‚normalen Leute‘, sondern auch Entscheidungsträger offen und nicht nur nach festgelegtem Protokoll miteinander beschäftigen, würden auch sie sehr schnell feststellen, dass man unterschiedliche Positionen haben darf und auch muss, dass man durch ein offenes Gespräch eher Gemeinsamkeiten erreicht. Durch Streit, Hass und Krieg erzeugt man eigentlich nur das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte“, ist Bartle fest überzeugt.

Haus und Herz für andere zu öffnen ist gerade in der heutigen Zeit besonders wichtig, davon ist auch Sabrina Langenbach überzeugt. Das wollen die dreifachen Eltern auch ihren Kindern vermitteln. „Es ist immer wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Anderswo wird anders gelebt. Akzeptanz, Toleranz und Neugierde ist wichtig im täglichen Leben“, betont Langenbach.

Haus und Herz für andere öffnen: Japanische Studenten zu Gast im Zollernalbkreis

© Privat

Die japanischen Austauschstudentinnen und -studenten erkunden mit ihren Gastfamilien und den Organisatoren den Zollernalbkreis. Hier stehen sie vor dem Maschenmuseum in Albstadt.

Außerdem habe der Austausch den positiven Nebeneffekt, die eigene Region und den Alltag aus den Augen einer anderen Person wahrzunehmen, sagt Langenbach. „Das tut immer wieder mal ganz gut.“ Allgemein werde der Alltag der Familie durch den Gastaufenthalt entschleunigt.

Familie Langenbach wie auch Familie Bartle würden auch anderen Familien dazu raten, Gaststudenten oder Schüler bei sich aufzunehmen. Die Erfahrungen, die man macht, sind bleibend und eine große Bereicherung für alle Beteiligten, ist Langenbach überzeugt. Denn wann kommt man schon aus eigenen Stücken dazu, Origami zu falten oder japanische Schriftzeichen zu üben – und ja, Kartoffelgratin mit Stäbchen zu essen?

Diesen Artikel teilen: