Zollernalbkreis

Balinger Arzt stemmt sich gegen das Praxissterben auf der Zollernalb

03.11.2022

Von Michael Würz

Balinger Arzt stemmt sich gegen das Praxissterben auf der Zollernalb

© Michael Würz

Will die Ärzte-Struktur ändern, um Chaos zu vermeiden: der Balinger Internist und Allgemeinmediziner Dr. Daniel Urban.

Immer mehr Ärztinnen und Ärzte, die in den Ruhestand eintreten, wenig Nachwuchs: Der Balinger Mediziner Dr. Daniel Urban will mit „Medicum Zollernalb“ die wohnortnahe Versorgung im Kreis erhalten.

Schon heute tut sich schwer, wer im Zollernalbkreis einen Hausarzt sucht – und die Situation dürfte sich in den kommenden Jahren noch zuspitzen. Der Balinger Internist Dr. Daniel Urban will dem Sterben der Praxen nun aktiv entgegentreten, mit einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Sein vorderstes Ziel: eine wohnortnahe Hausarztstruktur.

„Es muss unbedingt etwas passieren“

Dass die Region auf ein Problem zusteuert, das ist Urban lange bewusst: Viele Hausärzte stehen vor dem Ruhestand, Nachwuchs zu finden gestaltet sich schwierig. Im Frühjahr 2020 dann gilt es, der Corona-Pandemie Herr zu werden. Und dem Balinger Arzt wird schlagartig klar: „Es muss unbedingt etwas passieren.“ Urban ist seinerzeit vorne dabei an der Pandemie-Front, wo sie Testzentren errichten, betätigt sich auch als Experte für diese Zeitung. Über Monate hinweg gibt er fachkundig Antworten auf die Fragen unserer Leserinnen und Leser.

Nun steht Urban erneut an der „Front“. Beinahe ein Jahr lang hat er dafür gearbeitet, mit Beratern, seinem Team, unzähligen BWL-Podcasts im Ohr. Und auch Urbans Frau, von Haus aus eigentlich Politikwissenschaftlerin, unterstützt das Vorhaben ihres Mannes längst tatkräftig. So wird aus der Praxis „Dr. Daniel Urban & Kollegen“ am 1. Januar „Medicum Zollernalb“.

Die wohnortnahe ärztliche Versorgung sicherstellen

Urban, das ist ihm wichtig, erklärt erst einmal, was Medicum Zollernalb nicht ist: die klassische Vorstellung eines Medizinischen Versorgungszentrums nämlich, also ein Gebäude, in dem mehrere Ärzte praktizieren. Würde dies doch auch Urbans Vision entgegenlaufen, die wohnortnahe ärztliche Versorgung zu erhalten.

Vorstellen kann man sich Medicum Zollernalb vielmehr als „Dachmarke“, unter der Urban Ärztinnen und Ärzte vereinen will. Und zwar aller Generationen: „Ältere Kollegen würden oftmals gerne noch in Teilzeit in ihrer Praxis weiterarbeiten“, weiß Urban. Das etwa will er ermöglichen, und ihnen dabei die trockenen Themen abnehmen: Bürokratie, Digitalisierung, das Management.

„Es geht um die Struktur“

Der Balinger Internist versteht sein Medizinisches Versorgungszentrum auch als Verwaltung. „Es geht um die Struktur“, sagt er. Und auch darum, Versorgungslücken zu stopfen. So wie im Falle von Siegberchta Dessecker, die ihre Frommerner Praxis in diesem Jahr geschlossen hat. Bereits ab kommender Woche wird sie mehrere Tage pro Woche in Urbans Praxis-Zweigstelle in der Neige 28 in Balingen tätig und wieder für ihre Patienten da sein.

Zugleich will Urban junge Mediziner in den Kreis locken: mit begehrten Festanstellungen etwa, einem modernen Arbeitsumfeld, fortschrittlicher Medizin. „Wir wollen nicht nur Praxen übernehmen, die sonst schließen würden, sondern sind auch offen für neue Praxen“, betont er. So oder so: Urban, künftig Geschäftsführer und ärztlicher Leiter von Medicum Zollernalb, sieht sich denn auch am liebsten als „Möglichmacher“. Es gelte dabei, in Gesprächen herauszufinden: „Was genau braucht eine Praxis? Wie ticken die Kollegen?“ Oder in der Sprache des Unternehmers, der Urban nun ist: „Wir wollen nicht möglichst schnell skalieren, sondern sinnvoll und nachhaltig.“ Urban hofft, dass so langfristig alle profitieren: Patienten, Ärzte, Mitarbeiter in den Praxen.

„In der Ärzteschaft rennen wir offene Türen ein“

Möglich ist dies auch, weil Urban ohne Investoren startet: So sei die ärztliche Unabhängigkeit gesichert. Urban aber trägt auch die unternehmerische Verantwortung. Honoriert werde das in den Kommunen, aber auch in der örtlichen Ärzteschaft, das lassen sie ihn bereits spüren. Vielleicht auch deshalb, „weil wir keine Konkurrenz machen, sondern dort hingehen, wo der Mangel ist“, wie Urban sagt. „Wir sehen bereits, dass wir in der Ärzteschaft offene Türen einrennen.“ Und auch die Kassenärztliche Vereinigung hat jüngst grünes Licht gegeben: Dem Start des MVZ steht somit nichts mehr im Wege.

Dessen Notwendigkeit auf der Hand zu liegen scheint: „Die Pandemie hat deutlich gemacht, dass wir alle am Limit sind“, sagt Urban. „Und inzwischen sieht man auch in der Realität, was lange klar war: dass immer mehr Praxen schließen.“ Noch dazu kamen im Balinger Raum zuletzt zwei Todesfälle in der Ärzteschaft. Urban sagt: „Es müssen tausende Patienten versorgt werden.“

Verhindern, dass es eines Tages Chaos gibt

Mit Medicum Zollernalb ist es Urban, der nun die Sondermeile geht. Und auch wenn ihm als Arzt nach wie vor der Patientenkontakt besonders wichtig sei und ihm sein zusätzliches Unternehmerdasein derzeit viel abverlange: „Wenn sich die Struktur im Kreis nicht ändert, gibt es in der Zukunft Chaos“, sagt er. „Das gilt es zu verhindern.“

Der Mann hinter den Plänen

Dr. Daniel Urban, Geschäftsführer und ärztlicher Leiter von Medicum Zollernalb, studierte in Gießen und Paris Medizin. In Berlin und Leipzig ließ er sich zum Internisten ausbilden. Darüber hinaus absolvierte Urban in Ebingen und Balingen eine weitere Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner. Der 42-Jährige ist seit 2017 in Balingen niedergelassen, betreibt in der Hauffstraße und der Neige eine Praxis mit mehreren Ärztinnen und Ärzten.

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