Balingen

Freilaufende Hunde sind Stress fürs Wild: Jäger Jörg Alisch appelliert an Hundehalter

09.04.2021

Von Nicole Leukhardt

Freilaufende Hunde sind Stress fürs Wild: Jäger Jörg Alisch appelliert an Hundehalter

© Karl Dichtler

Ein freilaufender Hund ist Stress für das Wild: Jäger Jörg Alisch appelliert daher an Hundebesitzer, die Vierbeiner anzuleinen (Symbolfoto).

Jörg Alisch ist seine Bestürzung anzuhören. Erst vor wenigen Tagen wurde in seinem Jagdrevier zwischen Heselwangen und Auf Hangen wiederum ein Reh von einem wildernden Hund gerissen. Zum wiederholten Mal in den vergangenen Wochen. „Der Anblick ist entsetzlich“, sagt er und richtet erneut den dringenden Appell zum Anleinen an alle Hundebesitzer.

Wenn Jörg Alisch beschreibt, wie er verendete oder sich im Todeskampf windende Rehe auffindet, ist das nichts für schwache Mägen. Es sind Geschichten voll unnötigem Tierleid, von toten Kitzen und in Panik zu Tode gehetzten Ricken.

„Das Wild sitzt in Sträuchern und Büschen oft nahe an der Straße“, sagt der Jäger, der seit 30 Jahren die Fauna rund um Heselwangen kennt und beobachtet. Komme ein Hund zu nahe, flüchte das Tier völlig kopflos.

„Viele wissen nicht, was sie dem Wild antun“

Was vor einigen Jahren noch kein großes Problem gewesen sei, entwickle sich zunehmend zu einer großen Belastung. „Hundebesitzer lassen ihre Tiere ohne Leine über Wiesen, Äcker und durch Wälder toben“, erzählt er.

Er wolle den Haltern keine böse Absicht unterstellen, „viele wissen einfach gar nicht, was sie dem Wild damit antun“, sagt er. Denn auf den Äckern, die von Hundebesitzern mit dem Ball als Spielfeld genutzt würden, brüteten Feldlerchen, hätten Feldhasen ihren Bau. „Wenn da ein Hund drankommt, haben die keine Chance“, sagt Alisch.

Kopflos auf die Straße

Doch vor allem Rehe seien die Leidtragenden der freilaufenden Hunde. „Während eine Wildsau in allerletzter Konsequenz den Hund auch angreifen und zumindest schwer verletzten würde, flüchtet ein Reh in blinder Panik“, schildert der Jäger.

Es renne kopflos auf die Straße vor Autos, verfange sich in Weidezäunen oder erliege dem Biss der Hunde. „Wenn in einem großen Hund der Jagdtrieb erwacht, verbeißt er sich im Reh, so lange es sich noch bewegt“, schildert er weiter. Der Fachmann spricht von „anschneiden“.

Blutige Spuren im Schnee als Zeugen der Hetzjagd

Erst vor wenigen Wochen habe man eine tote, trächtige Ricke gefunden, deren ungeborene Kitz aus dem aufgebissenen Leib hingen. Kürzlich dann wieder: „Ein schwarzer Hund ohne Leine war beobachtet worden, wie er ein Reh in den Reichenbach hineingezogen hat“, erzählt Alisch. Die Spuren im Schnee hätten ein grausames Bild der gesamten Jagd gezeichnet.

Sein dringender Appell daher: „Hunde gehören an die Leine, Gassigänger müssen auf den Wegen bleiben und dürfen die Hunde nicht über Wiesen oder durch den Wald rennen lassen.“ Denn das Wild finde keine Ruhe mehr.

Nicht einmal mitten in der Nacht: „Ich habe auf dem Ansitz schon nachts um vier Jogger mit der Stirnlampe und mit ihrem freilaufenden Hund quer durch den Wald rennen sehen“, erzählt Alisch.

Mehr Hunderhalter, mehr Hunde

Denn auch für Hundehalter sei es zunehmend schwierig, anderen Hunden aus dem Weg zu gehen. „Es gibt dort oben einen regelrechten Hunde-Tourismus, alle fahren mit dem Auto an und lassen ihre oft drei oder mehr Hunde frei rennen“, bemängelt er.

Seit Corona habe die Zahl der Halter noch einmal deutlich zugenommen, so sein Eindruck. Jürgen Luppold, Pressesprecher der Stadt Balingen, bestätigt diese Vermutung.

Waren es im Jahr 2016 noch 1452 registrierte Hundebesitzer, so hat sich ihre Zahl bis zum Jahr 2021 auf 1587 erhöht. Wie sich die Zahl der Hunde entwickelt hat, konnte die Verwaltung nicht aufzeigen.

Ein Appell des Ortsvorstehers

Eine Zunahme allerdings beobachtet auch Heselwangens Ortsvorsteher Berthold Roller, selbst Hundehalter. „Es sind deutlich mehr geworden, man sieht es abends oder am Wochenende an der Zahl der Autos auf dem Hangen-Parkplatz“, sagt er.

Dass Hundebesitzer generell nachlässiger als früher mit ihren Vierbeinern wären, glaubt Roller nicht. „Es sind vielleicht noch unerfahrene Besitzer, die erst jüngst einen Hund angeschafft haben“, meint er. Die Coronazeit habe womöglich ihren Teil dazu beigetragen.

Und es gebe durchaus auch einzelne Problemhunde, ein Umstand, mit dem aber nicht nur Heselwangen, sondern jede Gemeinde zu kämpfen habe. Er will sich nun noch einmal mit einem Appell an seine Mitbürger wenden und auf die Notwendigkeit des Anleinens aufmerksam machen.

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