Samstag, 11.45 Uhr, Bizerba-Arena. Mit jedem Schritt dröhnen die Lautsprecher mehr, die Fangesänge werden lauter. Hunderte Fans finden sich im Balinger Fußballstadion ein. Von weitem fügen sie sich zu einem roten Meer zusammen, sie alle tragen dasselbe Shirt: feuerrot, wie die Vereinsfarben, auf der Brust prangt stolz das Logo der TSG Balingen.

Inmitten der Fangesänge knallen Klatschpappen zusammen, Bierflaschen klirren, Siegeshunger macht sich breit. „Es ist affengeil, wie viele Rote hier rumspringen“, schreit es aus den Lautsprechern. Aber bitte keine Bengalos und kein Rauch, es sei schließlich ein Ehrentag für die Eyachkicker, und da wolle man sich von seiner besten Seite zeigen.

Elf Busse müssen es sein

Um exakt 12.28 Uhr fährt der erste Bus auf das Gelände vor der Bizerba-Arena. Am Ende stehen elf Busse für fünfhundert Fans bereit, die gemeinsam den Weg in Richtung Stuttgart bestreiten wollen. Die Spieler selbst fahren in einem separaten Bus, klar. Trotzdem: Sie wissen, mit welcher Unterstützung sie am Ende rechnen können, wie viel Vereinstreue und Liebe für den Sport mit ihren Fans anreist. Für die ist kurz nach 13 Uhr Abfahrt, dann: Jubel, Applaus, vor allem aber Bier und Gegröle, lautstarke Vorfreude auf das, was sich wenige Stunden später im Gazi-Stadion auf der Waldau abspielen sollte.

„Ich hoffe, dass alle noch nüchtern sind!“ Die Busfahrerin, ihr Name ist Tatjana, erwartet keine Antwort, sie weiß, was Sache ist. Spucktüten und Eimer stünden schon bereit, und wie es das Schicksal so wollte, sollten diese später an diesem Tag auch zum Einsatz kommen. Zu dem Zeitpunkt war das aber noch nicht klar, und egal, wie das Spiel ausginge: „Bitte 30 Minuten nach der Siegerehrung wieder im Bus sein!“ Das gelte für alle. Keine Stunde, keine Dreiviertelstunde, eine halbe. Denn egal ob Sieg oder Niederlage, bei der Bizerba-Arena würde sowieso noch kräftig gefeiert werden. Mit reichlich Freibier und dem Entertainer Luigi. Wer da freiwillig trödelt, wäre also selbst schuld.

Die Stimmung ist von Beginn an gut

14.23 Uhr – Ankunft beim Gazi-Stadion. Wer aus dem Bus aussteigt und frische Luft erwartet, wird vom fußballtypischen Duftgemisch aus Frittenfett, altem Schweiß und halbleeren Bierflaschen begrüßt. Stören tut das hier niemanden, im Gegenteil, es gehört genauso dazu wie Schienbeinschoner, Stutzen und Trikot. Vor den Tribünen treffen die Fangesänge schließlich aufeinander: Stuttgarter Kickers vs. TSG Balingen. In der Mitte des Rasenplatzes steht der WFV-Pokal, dieser goldglitzernde Preis, um den hier heute alle buhlen und kämpfen. Die TSG-Fans balancieren ihre Portion Pommes zwischen Klatschpappe und Bierdose zur Tribüne. Es geht los.

Lärm wie ein, zwei, drei Düsenjets

Punkt 16.15 Uhr ist Anpfiff. Es wird immer lauter, so als ob die Gesänge zuvor nicht schon im Dezibelbereich eines Düsenjets gewesen wären. Nun waren es also zwei. Die Eyachkicker passen, dribbeln, sprinten, geben alles, was sie in sich haben. Und werden postwendend belohnt. In der 10. Minute netzt Meiser nach einem schnellen Konter zum 0:1 für die Gäste aus dem Zollernalbkreis ein. Es herrscht Ekstase. Zumindest von den Balinger Anhängern, die sich vor Stolz auf ihre Spieler nicht zurückhalten können und wollen. Jetzt also: Jubelschreie in der Lautstärke von drei Düsenjets.

Fünf Minuten später jedoch die Ernüchterung: nach einem Eckstoß der Kickers fällt das 1:1. Ein kurzer Moment der Stille macht sich im Balinger Fanblock breit. Aber die betrübte Stimmung wird schnell durch Motivationsrufe der Fans vertrieben. Schließlich ist das Spiel noch nicht verloren. Die Unterstützung von den Rängen gibt den Spielern der TSG neuen Antrieb, aber zu einem weiteren Tor will es trotzdem einfach nicht reichen.

Hoffen und Bangen

Und so schwingt die Stimmung zwischen Hoffnung und Nervosität als das Spiel in die Verlängerung und anschließend ins Elfmeterschießen geht. Die TSG-Fans halten den Atem an, während ihre Spieler sich bereit machen, den entscheidenden Schritt zu gehen. Die ersten vier Schüsse der TSG zappeln im Netz und Balingens Torhüter Binanzer kann einen Elfmeter der Kickers halten. Der letzte Schuss sollte nun also die Entscheidung bringen. Eine nahezu unerträgliche Spannung baut sich im Stadion auf. Klatschpappen werden kurzerhand zum Sonnenschutz umfunktioniert, um den entscheidenden Elfmeter auch ja sehen zu können, ohne von der Sonne geblendet zu werden.

Tränen, Bier und historische Momente

Um 19.10 Uhr ist es dann endlich so weit: Ferdinand verwandelt den letzten Elfmeter. Die TSG Balingen hat gewonnen. Der Jubel kennt keine Grenzen, die Fans fallen sich in die Arme, Freudentränen fließen – oder vielleicht ist es auch das Bier, das beim Jubeln durch die Luft geschleudert wurde und auf den Gesichtern einzelner Fans gelandet ist. So oder so: Mit diesem Sieg sind die Spieler um Trainer Martin Braun in die Geschichte der TSG und in die Geschichte der Stadt Balingen eingegangen.

19.55 Uhr: Die Ansage von Busfahrerin Tatjana auf der Hinfahrt hat offenbar gewirkt, denn alle Fans sind rechtzeitig wieder an den Bussen. Und so machen sich die elf Fanbusse auf den Rückweg in Richtung Balingen und damit in Richtung der großen Feier in der Bizerba Arena – und natürlich dem versprochenen Freibier.

Grölende Fans feiern ausgelassen

Die Rückfahrt in die Heimat wurde von ausgelassener Feierstimmung begleitet. Wenn da nur nicht die Diskrepanz zwischen der Musik im Bus und dem Musikgeschmack der Fans wäre. Aber kein Problem: Die Fans entscheiden sich kurzerhand dazu, einfach selbst Musik zu machen. Und so tuckern die Busse mit den grölenden und überglücklichen Fans über die B27. Manchmal überholen sie sich gegenseitig – zur Freude der Insassen, die sich wild zuwinken.

Um 21.03 Uhr rollen die Fanbusse schließlich auf den Parkplatz vor der Bizerba Arena, wo die TSG-Anhänger ohne Unterbrechung weiterfeiern. Und dann ist es endlich so weit: Um 21.29 Uhr kommen auch die Helden der TSG Balingen in der Bizerba Arena an und werden von ihren jubelnden Fans empfangen. Kapitän Matthias Schmitz streckt den Pokal in die Höhe als er durch die rote Fanmenge läuft, sein Team dicht hinter ihm. „So etwas Geiles habe ich noch nie erlebt“, schreit ein Fan mit heiserer Stimme, während er mit seinem Kumpel anstößt. Im Hintergrund wird „Sweet TSG“ statt „Sweet Caroline“ gesungen. Bis tief in die Nacht feiern die Spieler mit ihren Fans ausgelassen – so etwas erlebt man schließlich nicht alle Tage.