FUSSBALL

Das sagt Trainer Martin Braun zu seiner Entlassung bei der TSG Balingen

16.11.2023

Von Marcel Schlegel

Das sagt Trainer Martin Braun zu seiner Entlassung bei der TSG Balingen

© MOSCHKON

Martin Braun ist nicht mehr Trainer der TSG Balingen.

Seit Mittwoch ist Martin Braun nicht mehr Trainer der Balinger Regionalliga-Fußballer. Weder überrascht noch allzu enttäuscht sei er über die Entscheidung der Vereinsführung, sagt der 54-Jährige.

Auch bei der Kommentierung seiner eigenen Entlassung ist sich Martin Braun treu geblieben. Kein Wort des Grolls gegen seinen nun früheren Arbeitgeber TSG Balingen (am Samstag um 14 Uhr in Bahlingen) war von dem 54-Jährigen im Nachgang an die Freistellung von seinen Traineraufgaben zu vernehmen. Stattdessen blieb Braun in seinem Blick auf die Situation, die für keinen Sportsmann eine befriedigende sein dürfte, ebenso analytisch wie fatalistisch – und damit exakt im Rahmen seines wesenstypischen Kommunikationsstils. Weder enttäuscht noch überrascht sei er von der Entscheidung gewesen, die die Vereinsführung am Mittwoch traf, erklärte der Schwarzwälder – eine Entscheidung übrigens gegen jenen Coach, der dem sportlich angeschlagenen Regionalligisten in der vergangenen Saison die größten Erfolge der Vereinsgeschichte bescherte: Ein Amateurteam führte der Löffinger mit vergleichsweise geringen Mitteln auf Platz 6 der Viertliga-Südweststaffel, dazu kam der erstmalige WFV-Pokalgewinn inklusive des DFB-Erstrundenspiels gegen den VfB Stuttgart.

Braun: Trainer als „temporäre Erscheinung“

Er halte es da, so Braun, mit dem früheren Leverkusen-Geschäftsführer und DFB-Vizepräsidenten Wolfgang Holzhäuser, der die damals durchaus kritisierte Meinung vertrat, wonach ein Trainer lediglich „eine temporäre Erscheinung“ wäre. „Die Mechanismen im Fußball sind eben, wie sie sind“, erklärte Braun nach der Trennung von der TSG, zu der er 2019 zunächst als Berater gestoßen war. „Es gibt nur wenige Vereine, die sich diesen widersetzen, die bewusst den anderen Weg gehen wollen – und auch in sportlich schweren Zeiten oder sogar nach einem Abstieg an ihrem Trainer festhalten.“ Und solange er nicht sicher sein konnte, „dass ein Verein bereit ist, diesen Weg zu gehen, solange kann ich nicht überrascht sein, wenn sich dann die typischen Mechanismen vollziehen. Ich war nun knapp vier Jahre in Balingen, das ist im Trainervergleich schon eine lange Zeit.“

Die Balinger Vereinsführung um Fußballchef Eugen Straubinger und Manager Jonathan Annel jedenfalls sah sich angesichts von nur 13 Punkten aus 17 Spielen dazu gezwungen, den früheren Bundesliga-Fußballer von seinen Aufgaben zu entbinden. Den Ausschlag dürften insbesondere die letzten drei Spiele gegeben haben, in denen es für den schon beinahe heillos abstiegsbedrohten Tabellendrittletzten ausnahmslos gegen direkte Rivalen ging und in denen die Balinger Fußballer nur für vier Punkte gut waren – verpasste Chancen auf den Befreiungsschlag, die Braun in Erklärungsnot brachten, aber nicht nur ihn in Bringschuld. Denn erneut kassierte die Mannschaft um Spielführer Matthias Schmitz (hier im Interview) bei der 2:3-Niederlage beim Viertletzten Hessen Kassel schon in den Anfangssekunden ein am Ende wohl entscheidendes Gegentor.

Foelsch und Co. übernehmen

Nach der Pleite im immens wichtigen Abstiegsgipfel verlor Braun endgültig die Unterstützung der Vereinsgranden, die ihm noch kurz zuvor den Rücken gestärkt hatten, und offenbar auch den Support von Teilen der Mannschaft. So leistete sich Mittelfeldspieler Lukas Ramser schon zuvor, beim 2:2 in der Vorwoche gegen den TSV Schott Mainz einen öffentlichen Disput mit dem Trainer, wie er in Balingen zuvor selten gesehenen wart. Auch der spielende Co-Trainer Lukas Foelsch, Brauns rechte Hand, sprach im Nachgang an das Kassel-Spiel davon, dass sich die Mannschaft nicht mehr allzu leicht motivieren könne. „Die Stimmung ist nicht gerade berauschend. Aber wie sollte das ist in einer solch angespannten Situation auch anders sein“, hatte Foelsch am Dienstag erklärt. „Wir müssen das nun abhaken, uns da einfach rausarbeiten und das geht am besten über Erfolgserlebnisse. Denn sonst landet man irgendwann am Tiefpunkt und den müssen wir verhindern.“ Abnutzungserscheinungen einer bis dahin erfolgreichen Beziehung? Braun widerspricht. Auf die Zusammenarbeit im Trainerteam lasse er nichts kommen: „Die war immer sehr konstruktiv. Wir haben uns stets gemeinsam auf Spielweise und Taktik verständigt.“

Foelsch, der die A-Trainerlizenz besitzt, wird die TSG-Fußballer nun gemeinsam mit Sportvorstand Fabian Kurth und Co-Trainer Fabian Fecker führen – sicher ist: interimsweise und offiziell zunächst nur am Samstag im Spiel beim Bahlinger SC (14 Uhr). Aus Sicht des finanziell nicht gerade üppig aufgestellten Kreisstadtklubs eine logische Lösung, schließlich kennen die drei Verein und Mannschaft allerbestens, gleichzeitig dürfte es die billigste Variante sein. Ob diese also auch bis zum Saisonende Bestand haben wir: noch unklar, aber nicht unrealistisch.

Korrelationen, die Braun bekannt sind

Braun eruierte die Zusammenhänge derweil gewohnt rational und ruhig. Dass Erfolgslosigkeit mit Unzufriedenheit und Missmut korrelierten, das sei nun mal schwer zu ändern. „In einer Phase, in der man mal weniger gewinnt, beginnt der ein oder andere mit Forderungen – etwa nach einer Systemumstellung“, urteilte Braun. Konkret hätten sich Teile der Mannschaft einen offensiveren Fußball gewünscht. Braun aber sah insbesondere in der Defensive das Problem und argumentierte mit dem Torverhältnis und der Tatsache, dass die Schwaben zu oft frühe Gegentore kassierten; die TSG stellt die siebtbeste Offensive, aber die drittschlechteste Defensive der Südweststaffel. „Mein Eindruck war, dass die Bereitschaft, an der defensiven Stabilität zu arbeiten, nicht mehr bei allen Spielern in der notwendigen Konsequenz gegeben war“, so der frühere Funktionär des VfR Aalen und der Stuttgarter Kickers. Schon in Zeiten des Erfolgs könne man als Trainer „nie alle Spieler zufriedenstellen“, betonte der ehemalige Spieler des SC Freiburg oder vom 1. FC Köln.

„Das ist gar nicht anders möglich, immer sind einige enttäuscht. Wenn dann der sportliche Erfolg ausbleibt, bestärkt das diese Vorgänge, dann wird der ein oder andere Spieler eben noch unzufriedener und damit lauter. Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, diese Prozesse als Verein und als Trainer konstruktiv zu steuern und zu kanalisieren.“

Dass auf die Euphorie des besten Vereinsergebnisses nun die Tristesse des Abstiegskampfs folgte, hätte Braun gerne verhindert, doch habe er dieses Szenario zumindest antizipiert, erklärte der ehemalige TSG-Coach, der gleichsam auf die Abgänge von Laurin Curda (zum SC Paderborn) und Jonas Fritschi (in die USA) verwies. „Der Verein konnte nicht die Mittel aufbringen, für diese Spieler adäquaten Ersatz zu finanzieren – leider nicht einmal für einen erfahrenen Spieler, der dieses Loch hätte füllen können“, so Braun. „Ich habe dem Verein schon im Sommer gesagt, dass die Aufgabe unter diesen Bedingungen enorm anspruchsvoll werden dürfte. Und so ist es gekommen.“

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