Balingen

Benefizkonzert in Balinger Friedhofkirche: Meisterhafte Klangvielfalt für einen guten Zweck

16.01.2023

Von Stephanie Wunder

Benefizkonzert in Balinger Friedhofkirche: Meisterhafte Klangvielfalt für einen guten Zweck

© Stephanie Wunder

Das zufällige Kennenlernen in der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst führt zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit: Sebastian Triebener und Denis Pisarevskiy nach dem Konzert.

Es ist noch kein volles Jahr her, da fanden sich ambitionierte Balinger Bürger zusammen, um das Kleinod „Alte Friedhofkirche“ zu unterstützen und zu retten. Seit November finden Veranstaltungen für den guten Zweck statt. Das Ziel ist ambitioniert, denn der Förderverein möchte so lange Geld sammeln, bis ein Drittel der Generalsanierungskosten von geplanten 1,8 Millionen Euro erreicht ist.

Den Veranstaltungsreigen für das eben begonnene Jahr 2023 eröffneten am 15. Januar zwei junge Künstler. Sebastian Triebener – in Tübingen geboren und in Balingen aufgewachsen – entstammt einer Musikerfamilie. Denis Pisarevskiy wurde in Moskau geboren und studierte dort Orgel und Komposition. Beide haben sich zufällig an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart gefunden. Die noch junge Zusammenarbeit erweist sich bereits beim zweiten gemeinsamen Auftritt als sehr fruchtbar und ausbaufähig.

Zu Beginn des Abends begrüßten beide das Publikum in der gut besuchten Friedhofkirche und erläuterten ihr Programm. Neben Solowerken für Orgel oder Violoncello standen drei Bearbeitungen aus verschiedenen Jahrhunderten und eine Uraufführung Denis Pisarevskiys an.

Auftakt mit Bachs Vivaldi-Bearbeitung

Pisarevskiy eröffnete mit einer Bearbeitung Johann Sebastian Bachs eines Concertos für Streicher von Antonio Vivaldi den Reigen der Melodien. Begann der 1. Satz beschaulich und leise, erklangen nach wenigen Augenblicken strahlende Register. Der 2. Satz mit einer kantablen rechten Hand brachte Ruhe, bevor virtuose Läufe und Skalen das Concertos im 3. Satz vervollständigten.

Die enorme Bandbreite des Konzertprogramms wurde von Sebastian Triebener bereits bei der Begrüßung avisiert. Der 21-Jährige überraschte das Publikum mit der 2002 von Luciano Berio komponierten „Sequenza XIV a“. Er erläuterte: „Berio schrieb für jedes Instrument eine solche Sequenza und wie soll ich sagen: Jede lotet die Grenzen des Spielbaren auf dem Instrument aus.“

Beeindruckend faszinierend war es zu hören und zu sehen, welche Techniken und Spielweisen der erst 2003 verstorbene Komponist den Interpreten der „Sequenza“ abverlangt. So erklärte der junge Cellist, dass Berio dieses Werk für den damaligen Cellisten des „Arditti-Quartetts“ (Spezialisten für zeitgenössische Musik) geschrieben und beispielsweise Trommelklänge aus dessen Heimat Sri Lanka in der Komposition verarbeitet hat.

Echoeffekte und Registerwechsel

Etwas leichtere Klänge bot im Anschluss das „Voluntary in D-Dur“ von John Stanley einem Zeitgenossen von Georg Friedrich Händel und einem Meister auf der Orgel. Pisarevskiy spielte mit Echoeffekten und brachte mit passenden Registerwechseln den verspielten Klangteppich voll zur Geltung.

Bernhard Romberg – heute außer in Cellistenkreisen leider wenig bekannt – schrieb im 19. Jahrhundert eine Violoncello-Schule. Er selbst galt als einer der bedeutendsten Cellisten seiner Zeit. Mit einer Bearbeitung für Cello und Orgel (der Organist übernimmt die Cello-Stimme des Lehrers) brachten Sebastian Triebener und Denis Pisarevskiy vier Etüden zu Gehör. Triebener brachte den Charakter der vier Preziosen eines vergessenen Komponisten mit viel Einfühlungsvermögen zum Klingen.

Ein ganzes Orchester in einem Instrument

Etwa 100 Jahre vorher schrieb Joseph Haydn am Hofe des Fürsten Esterhazy sein Cello-Konzert in D-Dur. Mit dem dortigen Solo-Cellisten seines Orchesters Anton Kraft hatte er nicht nur einen hervorragenden Interpreten, sondern – so sagt es die Anekdote – auch tatkräftige Unterstützung bei den sehr cellistischen Ausführungen des Konzertes.

Ein komplettes Orchester in einen Klavierauszug zu bannen ist kein leichtes Unterfangen. Doch unterstützt die schier endlose Klangvielfalt der Königin der Instrumente den Organisten bei der Spiegelung eines Orchesters auf ganz eigene Weise. Dieses Konzert bildete den Höhepunkt des Abends. Zusammenspiel, Abstimmung, Umsetzung und Interpretation waren nicht nur wunderbar anzuhören, sondern spiegelten sich auch in der Beobachtung der Musiker auf der Empore.

„Oszillationen“ zum Finale

Den Facettenreichtum und seine eigenen Kompositionskünste zeigte der 29-jährige Meisterschüler Denis Pisarevskiy in der hervorragenden, abwechslungsreichen und manchmal witzigen Orgelimprovisation zur Choralpartita „Mein erst Gefühl sei Preis und Dank“. Nicht minder beeindruckend erklang im großen Finale „Oszillationen“. Eine Uraufführung für Cello und Orgel mit dem Komponisten am Tasteninstrument. Sphärische Klänge, futuristisch anmutend, manchmal durch extreme Höhen mehr als eindringlich für die Ohren der Zuhörer unterstrichen ein weiteres Mal die enorme Vielfältigkeit der jungen Musiker.

Diesen Artikel teilen: