FUSSBALL

Balingens Torwart Marcel Binanzer: „Immerhin haben wir nun etwas Planungssicherheit“

07.12.2020

Von Marcel Schlegel

Balingens Torwart Marcel Binanzer: „Immerhin haben wir nun etwas Planungssicherheit“

© Sören Herl

TSG-Keeper Marcel Binanzer kann die Saisonfortsetzung nicht verstehen.

Balingens Keeper Marcel Binanzer (29) nutzte die Spielpause in der Regionalliga Südwest, um seine Schulterverletzung auszukurieren. Mit dem TSG-Urgestein, das sich mit Julian Hauser im Kasten abwechselt, sprachen wir über die Corona-Pandemie und deren teils seltsame Wendungen – nicht nur im Fußball.

Ein Monat ohne jeden Ball liegt hinter Ihnen. Seit anderthalb Wochen wird wieder in Mannschaftsstärke trainiert. Wie ist der Re-Start ins Training gelaufen?

Marcel Binanzer: Komisch war tatsächlich, dass man nicht wirklich wusste, wie beziehungsweise ob dieses Jahr noch einmal gespielt wird. Zu trainieren, ohne ein konkretes Ziel vor Augen zu haben, ist vor allem mental nicht einfach. Als es dann wieder auf den Platz ging, da war es aber wie nach jeder Sommer- oder Winterpause.

Sie hätten als Keeper im wegen der Corona-Unterbrechung spiel- und trainingsfreien November theoretisch auch mit einer weiteren Person individuell trainieren können. Wie sah Ihr Lockdown-Training aus?

Ich hatte bis Ende Oktober mit einer Schulterverletzung zu kämpfen. Diese habe ich so gut es geht auszukurieren versucht und deshalb in dieser Zeit auf ein torwartspezifisches Training verzichtet. Für mich stand vor allem Arbeit im Ausdauer- und Schnelligkeitsbereich an. Hinzu kamen natürlich die individuellen Stabilitäts- und Kraftprogramme, die aber auch im Regelbetrieb parallel laufen.

Vier Partien soll die TSG Balingen im Dezember noch absolvieren, ehe über Heilig' Abend eine fünftägige Winterpause folgt. Ist das nicht zu kurz?

Man könnte argumentieren, dass wir im spielfreien November unsere eigentliche Winterpause hatten. Das Problem: Keiner von uns wusste das damals. Immerhin haben wir jetzt ein bisschen Planungssicherheit, können uns auf einen Ablauf einstellen und gewisse Dinge steuern.

Dass es schon am Wochenende, wenn die TSG am Samstag zum TuS RW Koblenz reist, weitergeht, war für viele dann doch überraschend. Der Großteil der Liga war von einer vorzeitigen Winterpause ausgegangen. Wie stehen Sie zur Saisonfortsetzung, die enorm umstritten ist und gegen die sogar derzeit geklagt wird?

Wenn ich es richtig verstanden habe, darf sich nun jeder von uns Profifußballer nennen. Irgendwie habe ich mir das anders vorgestellt.

Weil die vier beteiligten Bundesländer die Spielklasse dem Berufssport zuteilten, rollt der Ball im Dezember – sofern die vom Bahlinger SC und anderen Klubs angeleierte Klage erfolglos bleibt. Faktisch spielen in Balingen aber berufstätige Amateure. Wie sehen Sie die Entscheidung von Politik und Ligaführung vor diesem Hintergrund?

Man hört häufig, dass die Gesundheit am Wichtigsten sei. Davon sehe ich zu wenig: Die Schulen werden Mitte Dezember geschlossen, wir aber sollen am 22. Dezember noch gegen die Kickers Offenbach ein Heimspiel austragen, werden am Tag vor den Spielen per Schnelltest auf eine mögliche Coronavirus-Infektion getestet. Man stelle sich das Weihnachtsfest eines Beteiligten vor, dessen Test, ob richtig oder falsch, an diesem Tag positiv ausfällt.

Was haben Ihnen die politische Hängepartie, die unterschiedlichen Ansichten der Klubs und die teils variierenden Einstufungen der Liga durch die beteiligten Bundesländer gezeigt?

Ich selbst hätte diese Entscheidungen nicht treffen wollen, muss es zum Glück auch nicht. Schade finde ich es persönlich, wenn die Verantwortung immer nur weitergeschoben wird.

Kommen wir zu Ihnen, der Sie seit der Jugend das Torwarttrikot der TSG tragen. Anders gesagt: Kaum ein Spieler in der Mannschaft läuft länger für den Kreisstadtklub auf. Auch ist es da nur logisch, dass Sie zudem zu den eher älteren Spielern einer in diesem Jahr sehr jungen Truppe zählen. Hat sich Ihre Rolle dadurch verändert?

Es gibt nunmehr schon vermehrt Situationen, in denen ich das Wort erhebe, wo ich mich früher zurückgehalten hätte. Zudem kenne ich die TSG-DNA und versuche, diese nun vorzuleben und weiterzugeben.

Hat sich auch die Mentalität der Mannschaft gewandelt?

Sicherlich hat das Team in den letzten beiden Jahren ein neues Gesicht bekommen, was völlig normal und manchmal auch nötig ist. Wir versuchen aber immer noch ein Tor mehr als der Gegner zu schießen. Ohne es zu bewerten, kann ich sagen, dass gewisse Spielertypen, die ich in jungen Jahren kennenlernen durfte, heute seltener sind.

Die TSG spielt bislang eine glänzende Runde, die nach der vergangenen nicht unbedingt zu erwarten gewesen wäre. Vor dem Koblenz-Spiel steht man auf Rang neun. Sind Sie überrascht?

Nicht wirklich. Genauso wenig wäre ich aber überrascht, würden wir nun schlechter dastehen. Im Fußball entscheiden Kleinigkeiten; letzte Saison fielen diese meist nicht zu unseren Gunsten aus.

Und dieses Jahr zu Ihren Gunsten?

Ich glaube, dass wir in den bisherigen elf Spielen die taktischen Vorgaben sehr gut umgesetzt haben und wir die Bereitschaft gezeigt haben, in gewissen Situationen zu leiden. Außerdem haben wir die Selbstsicherheit und die Überzeugung, in jedem Spiel auch punkten zu können.

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