FUSSBALL

Wenn nichts hängen bleibt: Regionalliga-Geisterspiele bereiten der TSG Balingen Sorgen

03.12.2020

Von Marcel Schlegel

Wenn nichts hängen bleibt: Regionalliga-Geisterspiele bereiten der TSG Balingen Sorgen

© Sören Herl

Die TSG Balingen trainiert wieder, kommende Woche soll der Verein ein Punktspiel austragen.

Drei von vier Dezember-Spiele bestreiten die Regionalliga-Fußballer der TSG Balingen daheim. Bei jedem zahlt der Klub drauf. Unterdessen hat die Braun-Elf die Generalprobe beim Bahlinger SC vergeigt (0:4) – und sechs Vereine klagen vor Gericht gegen die Saisonfortsetzung.

Interessante Wendungen hat es in der Fußball-Regionalliga Südwest zuletzt doch reichlich gegeben. Ausgeschlossen ist es daher noch nicht, dass die 4. Liga auch in der Woche ihres geplanten Re-Starts mit einer solchen aufwartet. Denn wie angekündigt haben nun sechs Vereine beim Mannheimer Landgericht Klage gegen die Spielplanänderung der Regionalliga Südwest GbR eingereicht: Der Bahlinger SC will gemeinsam mit dem TSV Steinbach Haiger, dem TSV Schott Mainz, Astoria Walldorf, der FC Gießen und Eintracht Stadtallendorf die für das anstehende Wochenende angesetzte Saisonfortsetzung noch buchstäblich im Eilverfahren verhindern – eine von der Ligaführung beschlossene vorzeitige Fortsetzung der Spielzeit, die die Politik möglich gemacht hatte, aber nur gut die Hälfte der 22 Südwestvereine befürwortet oder fatalistisch mitträgt.

Die Vereine, darunter mit Steinbach ein Profiklub, fordern, erst wieder zum vormals offiziellen Termin im neue Jahr weiterzumachen, das wäre der 29. Januar. Stand jetzt soll die Regionalliga Südwest aber vom 11. bis 22. Dezember vier Spieltage austragen und bereits am 8. Januar wieder aus der Winterpause zurückkehren. Und doch: Sofern die juristisch angeleierte Kehrtwende ausbleibt, wird am Wochenende in der Südweststaffel der 4. Liga tatsächlich wieder regulär Fußball gespielt – trotz Corona-Lockdown. Das Urteil soll spätestens am Mittwoch feststehen.

Balingen beteiligt sich nicht an Klage

Bei der TSG Balingen, die gestern trainiert hat (Foto) und am Samstagmittag das Testspiel beim Bahlinger SC mit 0:4 versemmelte, ist man weiter gegen die Dezember-Spiele, wollte sich aber nicht an den juristischen Prozessen beteiligen. „Wir halten die Saisonfortsetzung nicht für sinnvoll, aber eine Klage ebenso wenig für den passenden Weg“, sagte Geschäftsführer Jan Lindenmair. Auch Lukas Foelsch, spielender Co-Trainer des Kreisstadtklubs, meinte am Freitag: „Als Sportler maße ich mir nicht an, diese politischen Entscheidungen zu kommentieren oder zu bewerten. Wir nehmen es, wie es kommt und freuen uns vielmehr über das Privileg, Fußball spielen zu dürfen.“ Jedoch beteuerte der 32-Jährige: „Wir halten uns an die strengen Hygieneauflagen und wissen um unsere Verantwortung.“

Eine Wahl bleibt der Mannschaft von Trainer Martin Braun ohnehin nicht, denn noch ist die Fortsetzung der Saison die realistische Variante: Zum Auftakt in den Re-Start reist der schwäbische Amateurklub, der nun vier Spiele in zehn Tagen aufgebrummt bekommt hat, am kommenden Samstag (12. Dezember; Beginn: 14 Uhr) zum Tabellendrittletzten TuS Rot-Weiß Koblenz – das 12. von 42 Saisonspielen und nach sechs spielfreien Wochen direkt ein Sechs-Punkte-Spiel.

Von den bundesweit fünf Regionalliga-Staffeln spielen im Dezember damit einzig noch der Südwesten und die Weststaffel; Nordost, Nord und Bayern befinden sich in der vorgezogenen Winterpause. Der Unterschied zwischen Südwest und West: Im Westen war die Saison auch im Oktober nicht unterbrochen. Denn anders als die Vereine aus Hessen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und dem Saarland werden die Westklubs durch einen 15 Millionen-Euro-Fond des Landes Nordrhein-Westfalen unterstützt. Dieser soll die Einnahmenausfälle abfangen, welche die NRW-Klubs durch Geisterspielen erleiden müssen.

Kein Profifußball – keine Förderung

Solche blühen den Südwestvereinen nun auch – staatliche Hilfen, die die TSG beantragen könnte, sind bislang jedoch nicht in Sicht. Anders etwa in Hessen, wo die Kickers Offenbach von der Stadt eine maßgeschneiderte Finanzspritze erhielten. Weil die Balinger ihre Fußballer vor allem als Minijobber angemeldet haben, konnten die Schwaben für diese während der Spielpause im November kein Kurzarbeitergeld oder ähnliche finanzielle Unterstützung beantragen, wie das etwa den Profiklubs mit Berufsfußballern prinzipiell möglich war, wenngleich nicht alle davon Gebrauch machten und stattdessen den Trainingsbetrieb aufrechterhielten. Teilweise mit ersten Folgen: Der FC 08 Homburg meldete vor Wochenfrist einen Corona-Fall im Team, das sich deshalb kollektiv in freiwilliger Quarantäne befindet – ob das Auswirkungen auf dessen Heimspiel am 12. Dezember gegen den SC Freiburg 2 hat, ist noch offen, das Training jedenfalls fällt beim FC 08 erst mal flach.

Es bleibt damit schon vor den Geisterspielen: das gesellschaftlich falsche Signal, findet zumindest Balingens Geschäftsführer Jan Lindenmair. Und vor allem: ein finanzieller Schaden. Auf welche Summe dieser sich bereits beläuft und wie hoch sie die kommenden Einnahmenausfälle im Etat veranschlagen, da geben sich die Balinger wie gewohnt schmallippig. Lindenmair jedenfalls hebt bislang nur den mahnenden Zeigefinger – dramatisch sei es noch nicht, sagt er. Die Betonung liegt dabei auf dem „noch“, so der Stuttgarter.

Ein Loch klafft wohl bereits im Etat

Durch die Obergrenze von 500 Personen im Stadion, die vor dem Saisonstopp im Oktober galt, fehlen den Balingern bereits Einnahmen. Schließlich lockten sie in den vergangenen Jahren im Schnitt doppelt so viele Zusehende ins Stadion. „In der laufenden Saison waren unsere Heimspiele bislang ein Nullsummenspiel mit Tendenz zum Minusgeschäft“, sagt Lindenmair. „Hängen blieb da nichts.“ Mit jedem Geisterspiel wird das wirtschaftliche Loch größer. Da die Balinger im Dezember drei von vier Partien in der heimischen Bizerba-Arena austragen und diese definitiv unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden müssen, trifft sie der Dezember-Spielplan besonders hart.

„Heimspiele, die nur Kosten verursachen, anstatt Einnahmen zu produzieren, das ist ein herber Schlag“, sagt Lindenmair. Zumal nach der jüngsten Verlängerung des Teil-Lockdowns bis 10. Januar davon auszugehen ist, dass auch im neuen Jahr zunächst lediglich Geisterspiele stattfinden können, und laut Bundesregierung möglicherweise bis März mit strikten Corona-Beschränkungen zu rechnen ist, gerade bei Großveranstaltungen. „Wir können derzeit nur dankbar sein, dass unsere Sponsoren, Gönner und Dauerkarteninhaber uns solidarisch zur Seite stehen“, erklärt der Balinger Manager, der für die Fans nunmehr einen Livestream auf die Beine gestellt hat, sodass man die Spiele der TSG im Internet anschauen kann. „Das geht vielleicht noch ein, zwei Monate gut. Aber nicht länger. Ich wünsche mir daher Förderprogramme der Politik.“ Dem entsprechenden Ministerium in Stuttgart haben die Balinger ihr Anliegen bereits unterbreitet, erklärte der 42-Jährige. „Denn Solidarität allein ist kein gutes Geschäftsmodell.“

Offenbacher Klage gegen Balingen abgewiesen

Die Kickers Offenbach sind mit ihrer Klage gegen die TSG Balingen vor dem Berufungsgericht der Regionalliga Südwest gescheitert (zur Vorgeschichte). Das bedeutet: Das Nachholspiel zwischen beiden Klubs findet wie geplant am 22. Dezember in der Bizerba-Arena statt. Die OFC-Verantwortlichen hatten für die Ende September ausgefallene Viertliga-Partie eine Wertung zu ihren Gunsten erreichen wollen. Die Begegnung war damals erst drei Stunden vor dem Anpfiff von Balingens Bürgermeister Reinhold Schäfer abgesagt worden. Der Grund: ein Covid-19-Fall im Kader der TSG, der erst an diesem Tag verifiziert worden war. Der OFC, der schon am Vortag angereist war und auf den Reise- und Hotelkosten sitzen bleibt, fühlte sich von der TSG zu spät informiert. Die Hessen zweifelten in ihrer Begründung daran, dass die Spielabsage ob höherer Gewalt erfolgte. Dem folgte Thomas Bergmann, der Vorsitzender Berufungsgericht, in seinem Urteil nicht. „Aufgrund der ortspolizeilichen Verfügung der Stadt Balingen bestand für die spielleitende Stelle kein Ermessensspielraum. Sie war vielmehr gehalten, die Anordnung umzusetzen, da andernfalls polizeiliche Zwangsmaßnahmen gedroht hätten“, stellte das Gericht fest.

Dezember-Fahrplan der TSG Balingen:

  • TuS RW Koblenz – TSG (Samstag, 12. Dezember, 14 Uhr)
  • TSG – TSV Schott Mainz (Dienstag, 15. Dezember, 19 Uhr)
  • TSG – FSV Frankfurt (Samstag, 19. Dezember, 14 Uhr)
  • TSG – Kickers Offenbach (Dienstag, 22. Dezember, 19 Uhr)
  • Winterpause bis zum 8. Januar
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