Fussball

Aufbruchstimmung bei der TSG Balingen: Jonathan Annel und Murat Isik im großen Interview

06.04.2024

Von Marcus Arndt

Aufbruchstimmung bei der TSG Balingen: Jonathan Annel und Murat Isik im großen Interview

© Moschkon

Murat Isik (links) und Jonathan Annel sind zufrieden.

Murat Isik steht für einen Neuanfang beim Balinger Fußball-Viertligisten. 100 Tage wirkt der A-Lizenzinhaber nun schon bei der TSG – und hatte alle, auf und neben dem Platz, überzeugt.

Der neue Trainer verbreitet Aufbruchstimmung, versprüht trotz der prekären sportlichen Situation der „Roten“ Optimismus. Mit drei Siegen seit dem Start in die Rest-Rückrunde hat der 49-Jährige auch allen Grund dazu.

Trotzdem bleiben die Protagonisten neben dem Platz demütig, wissen, „dass es noch ein sehr weiter Weg ist.“ Im Interview sprechen TSG-Geschäftsführer Jonathan Annel und Isik über Ziele und Perspektiven der „Roten“, mögliche Transfers und die eine oder andere Veränderungen nach der Braun-Ära.

Wie beurteilen Sie die Arbeit von Murat Isik in den ersten drei Monaten?

Jonathan Annel: Ich würde sagen positiv. Zu Beginn hat man immer gewisse Vorstellungen, Wünsche und Ziele, die man mit so einer Veränderung verbindet. Nach über drei Monaten zeigt sich immer deutlicher, dass vieles bereits umgesetzt wurde respektive wird. Dabei muss man sich ja auch immer fragen, wo man herkommt, an welchem Punkt man begonnen hat. So sehe ich, dass wir in der fußballerischen und taktischen Performance definitiv weitergekommen sind. Und auch die Handschrift des Trainers ist dabei klar erkennbar. Hinzukommt, dass wir auch emotional in guter Verfassung sind. Die Mannschaft gibt immer Vollgas und glaubt trotz der jüngsten Niederlagen an sich. Diese Aufbruchsstimmung ist sicher auch ein Verdienst unseres Trainers.

Was macht er anders als sein Vorgänger?

Annel: Der auffälligste Unterschied liegt zweifellos in der Spielweise. Dabei meine ich das ganz und gar nicht wertend, sondern schlichtweg als Feststellung. Die Art zu spielen ist nun stärker auf Ballbesitz ausgerichtet und wir stehen während des Pressings teilweise höher. Dazukommt, dass jeder Trainer einen eigenen Stil mitbringt, unterschiedliche Methodiken bevorzugt. So arbeiten wir jetzt zum Beispiel wesentlich mehr mit Videoaufnahmen bei der Bewertung unserer Trainingseinheiten. Aber wie gesagt, der größte Unterschied liegt in der Spielphilosophie.

Stichwort Spielweise. Welche Typen fehlen noch in der Balinger Mannschaft, um diesen Still – unabhängig von der Ligazugehörigkeit – perfekt umzusetzen?

Annel: Generell sind wir gut aufgestellt. Mit der jetzigen Mannschaft lassen sich die Vorstellungen des Trainers schon gut umsetzen. Unabhängig von der Spielart fehlt uns jedoch noch ein defensiver Mittelfeldspieler, der die Position des „absichernden Sechsers“ übernimmt. Darüber hinaus sind wir aktuell gut aufgestellt. Dafür haben wir mit den Wintertransfers gute Vorarbeit geleistet und darauf geachtet, dass die Neuzugänge zu uns und vor allem zu der Spielphilosophie von Murat passen. Ein Beispiel hierfür ist Enrique Katsianas-Sanchez, der sich super eingegliedert hat und dessen Ausfall sich in den vergangenen beiden Begegnungen deutlich bemerkbar gemacht hat.

Sie liegen satte elf Punkte hinter den Nichtabstiegsplätzen. Was ist noch drin?

Annel: Alles ist weiterhin möglich. Wir werden bis zum Schluss daran glauben und hart dafür arbeiten. Wir haben uns die Liga selbst allerdings nie zum Ziel gemacht und unsere Welt bricht auch nicht zusammen, wenn es rechnerisch nicht mehr reicht. Klar, plant man auch für die Oberliga – das findet parallel statt. Unser Hauptaugenmerk liegt vielmehr darauf, unsere Spielidee ligaunabhängig weiterzuentwickeln und den Spielern Werte zu vermitteln, die sie auf dem Platz zeigen können. Ich denke damit fahren wir auch gut: Mal abgesehen von unserem Spiel gegen Freiberg haben wir gezeigt, dass wir sogar mit den Top-Teams mithalten und einen ordentlichen Auftritt hinlegen können.

Geben Sie uns noch kurz einen kurzen Blick in die Personalplanungen?

Annel: Wie bereits angesprochen hat sich bereits einiges im Winter getan und wir haben dieses Jahr generell recht früh mit den Spielergesprächen begonnen. Schließlich wird die Ligazugehörigkeit bei dem ein oder anderen mit in die Planung einfließen. Ich schätze, dass wir in den nächsten Wochen schon weitere Entscheidungen bekanntgeben werden können.

Es ist bislang ein kleiner Umbruch. Fällt dieser doch noch größer aus?

Annel: Das ist nicht ausgeschlossen. Wir werden sehen, was der Sommer mit sich bringt.

Und welche Wünsche hat der Trainer?

Murat Isik: Noch einen Stürmer, der pro Saison an die 20 Tore garantiert, könnten wir brauchen. Dann fehlt mir im Team noch jemand, der dem Ganzen noch einmal etwas mehr einheizt. Ein echter Leader, oder, wie ich gerne sage, „Mentalitätsmonster“. Wir brauchen jemanden, der das Team antreibt und keine Scheu davor hat, auch unbequem zu sein. Das bedeutet, er sollte sich sowohl gegenüber der eigenen Mannschaft als auch gegenüber dem Gegner und dem Trainerteam klar positionieren können. Wie Jonathan bereits erwähnt hat, wäre gerade die Position des Sechsers ein Bereich, in dem wir uns einen solchen Spieler vorstellen könnten. Ein Siegertyp und ein erstklassiger Stürmer – das sind genau die Qualitäten, die uns noch fehlen.

Zum Tagesgeschäft. Sie haben an verschiedenen Stellschrauben gedreht. Was hat sich konkret verändert?

Isik: Ich finde, dass wir dafür, dass wir erst sieben Spiele absolviert haben, schon überraschend weit sind. Besonders unsere ersten vier Begegnungen gegen Steinbach, den VfB, die Kickers und Walldorf haben dies deutlich gezeigt. Gefühlt konnten wir jede Woche Fortschritte machen, eine wirklich positive Entwicklung, die sich sowohl im Spielverlauf selbst als auch in den Punkten widerspiegelte. Gut, das Spiel gegen Aalen war eher durchschnittlich, und gegen Freiberg waren wir sicherlich etwas schwächer. Am Mittwoch fehlte uns gegen Frankfurt 2 ein wenig das Spielglück, wir haben eine richtig gute zweite Halbzeit gespielt. In der Summe würde ich nicht sagen, dass es konkrete Probleme gibt. Vielmehr sehe ich die Notwendigkeit, uns weiter zu verfeinern, um eine noch größere Dominanz auszustrahlen und unser Pressing zu verbessern, damit wir höher und konsequenter attackieren können.

Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung Ihrer Mannschaft?

Isik: Man muss berücksichtigen, dass wir im Januar als Tabellendrittletzter in die Runde starteten. Gut, aktuell hat sich an dieser Platzierung nichts geändert, doch haben wir es geschafft innerhalb, in der kurzen Zeit regelmäßig in die Punkte zu kommen. Natürlich hätte ich gerne ein paar mehr Zähler auf dem Konto – was möglich war. Als Trainer betrachte ich natürlich das Endergebnis, lasse aber auch die Performance auf dem Platz in meine Bewertung miteinfließen lasse – und auch hier kann ich sagen, dass ich äußerst zufrieden bin.

Was fehlt noch?

Isik: Wir müssen im letzten Drittel des Spiels effektiver werden. Oft gelangen wir in die gegnerische Endzone, treffen dann aber falsche Entscheidungen und setzen uns nicht entschieden genug durch. Hier müssen wir besser werden. Gelingt uns dies, können wir sicherlich noch ein paar Punkte mehr rausholen.

Weg vom Spielfeld. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz nach 100 Tagen beim Balinger Viertligisten aus?

Isik: Genau wie erwartet. Mir war bereits nach den ersten Gesprächen war klar, dass die TSG ein Klub ist, mit dem ich mich identifizieren kann und in den ich gut hineinpassen könnte. Das hat sich bis bislang bestätigt. Ich fühle mich wohl und wir haben uns gut eingespielt.

Noch ein Blick voraus. Was ist am Sonntag beim Ex-Erstligisten Homburg drin?

Isik: Es wird eine Herausforderung, aber eine, auf die wir uns freuen. Die Homburger sind eine Mannschaft mit sehr viel Qualität, die sicher andere Ansprüche stellt. Nach ihren Niederlagen gegen den VfB 2, Walldorf und Freiberg wird deren Stimmung entsprechend sein. Es wird trotzdem ein Spiel auf hohem Niveau, das uns alles abverlangt.

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