Dotternhausen

Alles paletti oder Flutwelle: Ist das Wasser im Plettenberg-Steinbruch eine Gefahr für Hausen?

11.01.2024

Von Daniel Seeburger

Alles paletti oder Flutwelle: Ist das Wasser im Plettenberg-Steinbruch eine Gefahr für Hausen?

© Daniel Seeburger

Die Bürgerinnen und Bürger, die Einwände geltend gemacht haben, und Besucher des Erörterungstermins.

Holcim will seine wasserrechtliche Erlaubnis zur Sammlung von Niederschlagswasser aus dem Kalksteinbruch in einem Sedimentationsbecken und einem Sickerbecken auf dem Plettenberg verlängern lassen. Am Donnerstag fand unter der Leitung von Enrico Möller vom Landratsamt in der Dotternhausener Festhalle der Erörterungstermin statt. Mit dabei Vertreter der Firma Holcim, Vertreterinnen und Vertreter der umliegenden Gemeinden, der Fachbehörden beim Landratsamt, Umweltverbände und Einwender. Die Veranstaltung wurde zu einem Lehrstück für Demokratie.

Normalerweise finden Erörterungstermine hinter verschlossenen Türen statt. Dieses Mal war die Öffentlichkeit zugelassen, um, wie der Erste Landesbeamte Matthias Frankenberg ausführte, die größtmögliche Transparenz zu schaffen. Denn eigentlich sei in dem Verfahren keine Öffentlichkeitsbeteiligung notwendig. Konkret geht es um das Sammeln, die Sedimentierung und Versickerung von Niederschlagswasser in zwei Becken. Es geht nicht um eine wasserrechtliche Erlaubnis zur weiteren Ableitung von Wasser aus dem Kalksteinbruch in den Waldhausbach – und doch wurde dieses Thema immer wieder angesprochen.

Neben der Antragstellerin, dem Holcim-Zementwerk, wurden auch die Umweltverbände NABU und NUZ, die betroffenen Gemeinden, die Träger öffentlicher Belange sowie private Einwender gehört. 15 schriftliche Einwendungen von Privatpersonen sind zu dem Verfahren eingegangen.

Zwei Becken im Kalksteinbruch

Konkret geht es um zwei Becken im Kalksteinbruch, in denen das Oberflächenwasser gesammelt wird. In einem inneren Becken sollen die Sedimente gelöst werden. Danach wird das Wasser in ein äußeres Becken geleitet, und zwar zur Versickerung – oder es wird kontrolliert mit maximal 20 Liter in der Sekunde in den Waldhaustalbach auf Hausener Gemarkung abgegeben. In der Nordhälfte des Steinbruchs wurde zwischenzeitlich ein Wall aufgeschüttet, damit das Wasser nicht unkontrolliert über den Hang abfließen kann.

Alles paletti oder Flutwelle: Ist das Wasser im Plettenberg-Steinbruch eine Gefahr für Hausen?

© Daniel Seeburger

Der Tisch mit den Vertreterinnen und Vertretern von Holcim.

Der Diplom-Geologe und von Holcim beauftragte Gutachter Dr. Johannes Pommerening erläuterte die Situation im Kalksteinbruch. So gebe es beispielsweise 7 Grundwassermessstellen und die Möglichkeit zur Messung der Niederschläge. Zudem würden regelmäßig hydraulische Versuche, Bohrproben, hydrochemische Versuche, Abflussmessungen und Messungen zu den Quellschüttungen stattfinden. „Wir haben ein umfassendes und detailliertes Bild der hydrologischen Vorgänge auf dem Plettenberg“, führte er aus.

Gutachter: Standsicherheit ist gewährleistet

In die Szenarien seien auch die regenreichen Monate November und Dezember 2023 mit eingebaut. Die Frage sei gewesen, ob der Waldhausbach überfordert worden sei und wie es um die Standsicherheit der Ostböschung steht. Auch Gutachter Prof. Tomas Fernandez-Steeger von der Technischen Universität Berlin sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Standsicherheit durch die Becken nicht verschlechtert werde.

Das sahen der Verein NUZ und der NABU Oberes Schlichemtal anders. Es gebe ein Gefahrenpotenzial für Quellen und die Ableitung, so Norbert Majer (NUZ). Er forderte ein neues Gutachten, das das Landratsamt in Auftrag geben solle. Er sprach von „Schöndarstellung und zum Teil falschen Tatsachen“. Eine Hochwasserwelle könne alles mitreißen. „Es sind Märchen, die hier erzählt werden“, so Majer. Es gebe keine Versickerungsflächen mehr im Steinbruch, das gesamte Wasser laufe in die Becken. Er zweifelte die Zahlen des Gutachters Pommerening an und befürchtete eine Flutwelle in Ratshausen und Hausen, wenn der Damm nicht hält. „Es würde Hausen, fast wie im Ahrtal, fortreißen.“ Immer wieder bilde sich im Steinbruch ein dritter See, der von einem Damm entlang der Hangkante begrenzt werde. Das sogenannte Bahrig-Gutachten von 2013 habe darauf hingewiesen, dass die Randbereiche keineswegs stabil seien. Sein Fazit: „Ratshausen und Hausen sind gefährdet.“

Umweltverbände sehen Gefahrenlage

„Man sollte das Konzept der Entwässerung grundsätzlich infrage stellen“, führte Hans Edelmann vom NABU Oberes Schlichemtal aus. Auch er stellt die Versickerung im Steinbruch infrage. „Da oben versickert nichts so schnell“, führte er aus. An Heiligabend beispielsweise habe es ein stehendes Gewässer bei den rekultivierten Flächen gegeben. Was passiere, wenn einmal die Drosselung am Ablauf nicht funktioniere, wollte er wissen. Und: „Ich habe die Becken im Steinbruch noch nie leer gesehen.“ Seine Forderung: „Man muss das Bahrig-Gutachten nochmals ganz genau ansehen.“ Der Hang sei alles andere als sicher. Im Gegenteil, er sei sogar in Bewegung. „Was“, so seine Frage, „wenn 50.000 Kubikmeter ins Rutschen kommen?“ Modelle seien nicht in der Lage, das Verhalten des Wasserstands im Steinbruch nachzubilden.

Als private Einwenderin nahm Silke Sauter Stellung zu den Erläuterungen von Holcim. Sie kritisierte unter anderem, dass der Zementbetreiber im Dezember an mehreren Tagen über 50 Prozent der genehmigten Wassermenge von 20 l/s in den Waldhausbach abgegeben habe. Das sei nicht Thema dieser Erörterung, konterte der Holcim-Vertreter. Das sei in Absprache mit der unteren Wasserbehörde geschehen, so Matthias Frankenberg, quasi als Versuch, um zu sehen, wie schnell der Wasserstand im Becken sinkt, wenn der Abfluss gesteigert wird. Das rief später den stellvertretenden Bürgermeister von Hausen a. T., Stefan Buhmann, auf den Plan. Zwischen Hausen und Plettenberg gebe es nach dem Wegfall des Waldhausweihers keinerlei Hochwasserschutz mehr. Dabei gelte es aber, die Menschen und die Güter in Hausen zu schützen. Man dürfe hier keine Tests durchführen, „man geht hier ein hohes Risiko ein“.

Hausen wäre betroffen

In Hausen gebe es immer wieder Hochwasser im Ortskern, führte er aus. „Im beanstandeten Zeitraum war das Becken aus meiner Sicht randvoll.“ Und abschließend: „Hier leben Menschen, keine Versuchskaninchen.“ Eine Gefahr habe zu keiner Zeit bestanden, erläuterte Dr. Johannes Pommerening. Prof. Fernandez-Steeger pflichtete ihm bei: Auch bei 33 l/s „sind wir noch deutlich vom kritischen Bereich entfernt“. Der für die Gemeinde Dotternhausen tätige Rechtsanwalt Dr. Thomas Burmeister ging auf die kurzfristige Genehmigung bei der Wasserableitung von 20 auf 33 l/s über mehrere Tage im vergangenen Dezember ein. „Die Hochwasserrückhaltung ist nicht ausreichend, ich finde es erstaunlich, dass Sie sagen, dass das ein Test war“, so Burmeister.

Zweifel an den Gutachten

Der Einwender Prof. Christoph Adt aus Ratshausen kritisierte den Passus der Genehmigung, dass Holcim 5000 Kubikmeter Wasser zum Reinigen ihrer Fahrzeuge und dem Befeuchten der Fahrwege nutzen dürfe. Wenn es zu wenig geregnet hat, dürften Bürger kein Wasser aus Bächen und Flüssen entnehmen zum Gießen oder Autowaschen. Zudem wies er auf die Auswirkungen des Klimawandels hin. Man wisse nicht, ob man in Zukunft mit zu viel oder zu wenig Wasser zu kämpfen habe.

Wie andere Einwender auch, forderte Prof. Adt ein unabhängiges Gutachten. Die Gutachten seien unabhängig, führte beispielsweis Prof. Fernandez-Steeger aus. Er werde keineswegs von Holcim bezahlt. „Die Rechnungsstellung geht an die TU Berlin“, so der Experte. Matthias Frankenberg wies darauf hin, dass das Landratsamt ein weiteres Gutachten bei Dr. Seidel von der Uni Stuttgart in Auftrag gegeben habe.

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