Hechingen

Plötzlich Freunde: Überraschende Wende im Hechinger Taubenstreit

06.03.2024

Von Michael Würz

Plötzlich Freunde: Überraschende Wende im Hechinger Taubenstreit

© Mandy Pacuku

Tauben auf dem Hechinger Obertorplatz.

Stadtverwaltung und Taubenverein in Hechingen nähern sich an. Beide Parteien haben in dieser Woche im Rathaus gemeinsam mögliche Maßnahmen gegen das (umstrittene) Taubenproblem in der Zollernstadt erörtert. Und offenbar Nägel mit Köpfen gemacht: Bürgermeister Philipp Hahn jedenfalls sucht nun Dachböden für betreute Taubenschläge.

Überraschende Wende im Hechinger Taubenstreit: Wie der ZOLLERN-ALB-KURIER erfuhr, hat sich Hechingens Bürgermeister Philipp Hahn in dieser Woche mit Christine Maier, Vorsitzende des Vereins „Stadttauben Hechingen“, getroffen – zu, so kann man das wohl durchaus verstehen, nicht weniger als Friedensverhandlungen. Sowohl Rathauschef Hahn wie auch Maier bestätigen das Treffen. Beide lassen durchblicken, dass die Stadtverwaltung ihre bisherige Haltung gegen (die vom Verein seit langer Zeit geforderten) Taubenschläge aufgibt – vielmehr habe die Stadtverwaltung dem Verein jetzt sogar ihre Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Standorten zugesichert. An der Besprechung im Rathaus, die äußerst konstruktiv verlaufen sein soll, wie am Mittwoch beide Seiten betonten, hatte sich auch Arzu Paj vom Verein „Unsere Rottweiler Stadttauben“ beteiligt. Sie hat Bürgermeister Philipp Hahn sowie Ordnungsamtsleiter Patrick Loll das Rottweiler Konzept vorgestellt.

Hahn hatte sein Nein zu Taubenschlägen noch am 20. Februar bekräftigt

Die Annäherung der beiden Parteien kommt überraschend, wenngleich Stadt und Verein generell im ständigen Austausch stünden, wie Rathaussprecher Thomas Jauch am Mittwoch auf ZAK-Anfrage mitteilte. Wie berichtet, hatte Hahn seine strikte Ablehnung gegenüber Taubenschlägen jedoch erst kürzlich noch bekräftigt: Eine Hechinger Hausverwalterin hatte Hahn in der Bürgerfragestunde zu Beginn der Gemeinderatssitzung am 20. Februar eindringlich darum gebeten, sich der Probleme, die sie in der Stadt mit Tauben sehe, anzunehmen. Wie es zunächst schien, ohne Erfolg: Nein, eine Taubenplage erkenne man in Hechingen nicht, betonte Hahn abermals. Der Rathauschef zweifelte am Kosten-Nutzen-Verhältnis von betreuten Taubenschlägen, deren Effekte in Städten, in denen sie zum Einsatz kommen, überschaubar seien. Und Probleme, die die Hausverwalterin aus ihrem beruflichen Alltag geschildert hatte – etwa mit Taubenkot an Photovoltaikanlagen –, seien nun mal eine Privatangelegenheit, bedauerte der Bürgermeister. Die Hausverwalterin verließ die Gemeinderatssitzung daraufhin resigniert.

Christine Maier spricht nun von „gemeinsamer Präventionsarbeit“

Doch nur kurz darauf muss beim Stadttaubenverein überraschenderweise eine Einladung aus dem Rathaus in der Post gewesen sein. Denn nur zwei Wochen später bröckeln die verhärteten Fronten gewaltig – und man habe nun im Rathaus gemeinsam „Präventionsarbeit“ besprochen, wie Christine Maier vom Stadttaubenverein berichtet. Sogar betreute Taubenschläge sind in Hechingen bereits ausgemachte Sache: „Insbesondere vereinbart wurde die Zusammenarbeit bei der Suche nach geeigneten Dachböden für kontrollierte Taubenschläge“, hieß es am Mittwoch auf ZAK-Anfrage wörtlich aus dem Hechinger Rathaus.

Stadt prüft Verbot von Hochzeitstauben

Das sind neue Töne an der Taubenfront, die sogar noch weitergehen: „Geplant ist ebenfalls, das Aufsteigenlassen von Hochzeitstauben zu verbieten, hierzu müssen die rechtlichen Grundlagen geprüft werden“, teilte Rathaussprecher Jauch am Mittwoch mit. Dass Bürgermeister Hahn über dieses Verbot nachdenkt, freue Christine Maier ganz besonders, wie sie am Mittwoch im Gespräch mit unserer Zeitung sagte. Der Stadttaubenverein hatte in der Vergangenheit auch diese bei Hochzeiten oftmals durchgeführte Praxis bekanntermaßen scharf kritisiert.

Plötzlich Freunde: Überraschende Wende im Hechinger Taubenstreit

© Olga Haug

Die Gammertinger Straße beim Kaufland: Hier hat die Stadt eine Sondergenehmigung zur Taubenfütterung erteilt, die sie aufrecht erhält.

Zudem, bestätigt Rathaussprecher Jauch, werde die Stadt dem Verein „Stadttauben Hechingen“ weiterhin Ausnahmegenehmigungen vom Fütterungsverbot erteilen – „aktuell für die Bereiche ehemaliges Aviona-Gebäude, Runkellenstraße und Gammertinger Straße auf Höhe Kaufland“. Als Fehler hatte Bürgermeister Hahn indes kürzlich eine weitere Ausnahmegenehmigung für den Obertorplatz bezeichnet, die die Stadt nun wieder zurückgenommen hat.

Maßnahmen sollen „unbegrenztes Vermehren der Tauben verhindern“

„Die Maßnahmen sollen dazu beitragen, ein unbegrenztes Vermehren der Tauben zu verhindern“, erklärt Rathaussprecher Jauch auf die Frage unserer Zeitung, was sich die Stadt von dem nun geplanten Engagement erhoffe, das Beobachter der Tauben-Debatte durchaus verblüffen dürfte. Beim Stadttaubenverein jedenfalls suchen sie jetzt händeringend Sponsoren „für den Ausbau von Taubenschlägen wie auch für die benötigten Baumaterialien, Nistplätze und Futterschalen“, wie Christine Maier sagt.

Gibt es ausreichend Ehrenamtliche? Die Beweislast liegt nun beim Stadttaubenverein

Denn eines, so ist zu vernehmen, hat der Bürgermeister in dem Gespräch noch mal ganz nachdrücklich betont: Die Stadt muss angesichts der prekären Haushaltslage jeden Cent umdrehen. Neben Sponsoren suche man, so Maier, zudem weitere ehrenamtliche Helfer für die Betreuung der künftigen Taubenschläge in Hechingen. „Diese können mit einer Ehrenamtspauschale entschädigt werden“, erklärt Maier. Bürgermeister Hahn hatte dieses Thema in der Gemeinderatssitzung am 20. Februar kritisch beleuchtet: Er hatte seine Sorge darüber geäußert, ob sich überhaupt ausreichend Ehrenamtliche finden lassen, die sich um Taubenschläge in Hechingen kümmern würden. Die Beweislast in dieser Frage liegt nun beim Stadttaubenverein, der sich mit dem Segen aus dem Rathaus auf Personalsuche machen kann.

Auch in Villingen-Schwenningen endet eine lange Debatte mit Taubenschlägen

Interessante Randbeobachtung: Nicht nur die Hechinger Stadtverwaltung hat nun ziemlich plötzlich grünes Licht für die Suche nach Taubenschlägen gegeben. Just am Mittwoch vermeldete auch die „Stadttaubenhilfe Villingen-Schwenningen“ einen Durchbruch: „Vergangene Woche trafen wir uns mit Vertretern des Hochbauamts und des technischen Dienstes, um den genauen Plan sowie den Start zu besprechen“, schreiben die Taubenschützer im Schwarzwald-Baar-Kreis auf Facebook. Ende des vergangenen Jahres hatte die dortige Stadtverwaltung angekündigt, das Villinger Zeughaus zum Taubenschlag umzufunktionieren. Auch in Villingen-Schwenningen hatte es eine lange, vergleichbare Debatte und vielfache Forderungen der Taubenschützer gegeben, entsprechende Taubenschläge einzurichten.

. . . genau wie in Balingen

Die Hechinger Taubenschützer hatten zu Jahresbeginn unterdessen auch Balingen als Vorbild ins Spiel gebracht. Dort gibt es zwei Taubenschläge, einen über der Mediothek und einen zweiten in der Bahnhofstraße über dem Café Wunderbar. „Wir haben eine Kooperation mit dem Taubenverein ermöglicht, der uns bei der Pflege der Taubenschläge unterstützt“, hatte OB Dirk Abel vergangenes Jahr die Situation in Balingen erklärt. „Da geht jetzt richtig was“, schwärmte Christine Maier im Januar im ZOLLERN-ALB-KURIER – was Hechingens Rathauschef Philipp Hahn freilich ebenfalls nicht entgangen war.

Schüsse, Streit und Infektionen

Mit der Präzision – oder, je nach Sichtweise: Penetranz – eines Schweizer Uhrwerks prangert der Verein Stadttauben Hechingen seit geraumer Zeit Vorfälle und Missstände mit Tauben in der Zollernstadt öffentlich an. Und da ist inzwischen einiges zusammengekommen.

Mehrfach machen angeschossene Tauben in Hechingen Schlagzeilen. Bereits 2022 ermittelt die Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall; auch Anfang 2023 kommt es zu zwei ähnlich gelagerten Fällen, in denen Unbekannte offenbar aus Wut auf Tauben schießen. Der Stadttaubenverein spricht bereits seinerzeit von einer „explodierenden Taubenpopulation, die sich auf alle Stadtgebiete und Teilorte ausgebreitet habe“.

Immer wieder kümmert sich der Verein auch um verletzte und geschwächte Tauben – mitunter auch Tiere, die von Züchtern ausgesetzt werden, wie der Verein auch im ZOLLERN-ALB-KURIER scharf kritisiert. Viele der Tiere, um die sich der Stadttaubenverein kümmert, kämpfen mit Parasiten. Anfang Februar teilt das Landratsamt mit: Der hochansteckende Erreger der Newcastle-Krankheit ist bei einer Stadttaube in Hechingen nachgewiesen worden.

Dennoch bleibt man im Rathaus da noch der bisherigen Linie treu: Die Stadt werde weder Taubenschläge auf Dachböden zulassen, noch Taubenhäuser bauen. Das sei lediglich eine Forderung des Vereins, der die Stadt nicht nachkommen werde, lässt Ordnungsamtsleiter Patrick Loll in unserer Zeitung wissen. Unbeirrt fordert Christine Maier vom Verein Stadttauben Hechingen weiterhin Taubenschläge nach dem sogenannten Augsburger Modell – also betreute Taubenschläge in der Stadt, in denen die Tauben versorgt und ihre Eier gegen Attrappen ausgetauscht werden, um die Population zu steuern. Nun mit Erfolg.

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