Zollernalbkreis

Welche Auswirkungen haben verschärfte Waffengesetze? Ein Schütze und ein Jäger geben Einblick

04.11.2023

Von Janine Lehleiter

Welche Auswirkungen haben verschärfte Waffengesetze? Ein Schütze und ein Jäger geben Einblick

© picture alliance/dpa | Friso Gentsch

Im Waffengesetz ist unter anderem geregelt, wie Waffen aufzubewahren sind.

In den Handel gehen, sich ein Gewehr oder eine Pistole aussuchen, bezahlen und damit nach Hause fahren. So einfach ist es natürlich nicht, sich eine Waffe zu beschaffen ... zumindest in Deutschland. Mehrere Hürden müssen dazu überwunden werden. Und noch mehr dieser Hürden werden von verschärften Gesetzen erschaffen. Welche Auswirkungen diese insbesondere auf den Schießsport und das Jagdwesen hat und wie die Situation im Landkreis aussieht – der ZOLLERN-ALB-KURIER hat nachgeforscht.

„Sollten die Gesetze immer weiter in diesem Tempo verschärft werden, sieht Kevin Strobel den Sport, der immerhin als immaterielles Kulturerbe anerkannt ist, massiv bedroht“, hieß es im Bericht über die diesjährige Hauptversammlung der Meßstetter Schützenvereinigung, den wir am 1. April dieses Jahres veröffentlicht haben. Anlass genug für den ZOLLERN-ALB-KURIER, nachzuforschen, wie drastisch es wirklich um unseren Schießsport steht. Und wie sieht es mit dem Jagdwesen aus, das ja ebenso vom Waffenrecht abhängt? Der ZAK hat einmal genau hingeschaut und zugehört.

Immaterielles Kulturerbe: Wieso überhaupt?

Zunächst einmal so viel: Im Dezember 2015 hat es das deutsche Schützenwesen geschafft, von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ausgezeichnet zu werden. Aber nicht unbedingt das Schießen an sich, sondern das Brauchtum und „das gesellige Drumherum“ gilt als schützenswert.

Doch das Label „Kulturerbe“ schützt nicht immer vor dem Wandel. Erst recht nicht, wenn es um die Sicherheit von Menschen geht. Das steht außer Frage. Immer wieder passieren schlimme Dinge, bei denen Schusswaffen im Spiel sind. Der Amoklauf in Winnenden 2009 zieht lange seine Schatten nach sich, aber auch die jüngsten Tragödien – wie der Anschlag auf einen Hamburger Königreichssaal im März dieses Jahres oder die tödlichen Schüsse im Mercedes-Werk Sindelfingen im Mai – wirken nach.

Anlass für Verschärfungen

Die Reaktion der Politik? Auch das Waffenrecht wird angepasst oder es wird zumindest intensiver darüber diskutiert. In den Handel gehen, sich ein Objekt aussuchen, bezahlen und damit nach Hause fahren. So einfach ist es natürlich nicht, sich eine Waffe zu beschaffen. Mehrere Hürden müssen dazu überwunden werden. Und noch mehr dieser Hürden werden von verschärften Gesetzen erschaffen.

Wer darf überhaupt schießen?

„Generell ist Schießen noch für jeden möglich“, erklärt Kevin Strobel, Vorsitzender der Schützenvereinigung Meßstetten, und meint damit den Besuch eines Schießstands, wie der seines Vereins. Dann kann unter Aufsicht ein vereinseigenes Gerät genutzt werden. Um aber seine eigene Waffe zu bekommen, muss man zunächst ein Jahr Mitglied im Verein sein und dabei regelmäßig trainieren. Das heißt einmal pro Monat oder mindestens 18-mal übers Jahr verteilt. Außerdem muss ein sogenannter Sachkundelehrgang absolviert werden.

Mit Verantwortung verbunden

Doch diese drei Kriterien sind nur der erste Schritt, wie Kevin Strobel im ZAK-Gespräch erklärt: „Nach diesem Jahr entscheidet der Vorstand dann, ob er die WBK, die Waffenbesitzkarte, unterschreibt.“ Der Vorsitzende trage also ganz schön viel Verantwortung. Im nächsten Schritt kommen die Unterlagen zur Waffenbehörde. Im Zollernalbkreis ist das zum einen das Landratsamt, zum anderen auch die Großen Kreisstädte Albstadt und Balingen.

„Die Waffenbehörde prüft den Nachweis sowie die einzutragende Waffe, ob sie für eine Sportdisziplin nach der Sportordnung des Schießsportverbandes zugelassen und erforderlich ist. Es erfolgt das Anlegen der Person im Waffenprogramm, die Einleitung der Zuverlässigkeitsüberprüfung bis hin zur Ausstellung der WBK und des Gebührenbescheids“, beschreibt das Landratsamt das weitere Vorgehen. Wie lange das dauere, sei von Fall zu Fall unterschiedlich.

Teure Freizeitbeschäftigung

Bei grünem Licht kann der Schütze oder die Schützin sich dann aber nur diese eine Waffe anschaffen, sprich für jede Waffe muss dieses Prozedere durchlaufen werden. „Das kostet alles Geld und dann kommt noch die Waffe selbst dazu, der Waffenschrank (rund 400 Euro), Zubehör wie eine Schießbrille, -jacke, -handschuhe, die Bearbeitungsgebühr beim Amt und die Mitgliedschaft“, betont der Schütze Kevin Strobel. Also nichts, um „nur mal schnell herumzuballern“.

Ähnlich sieht es im Jagdwesen aus. Hans Werner Moser aus Obernheim hat 1992 seine Jägerprüfung erfolgreich abgelegt. Diese Prüfung bestand aus dem Schießen sowie einer schriftlichen und mündlich-praktischen Prüfung.

Waffenkunde wichtig bei Jagdprüfung

Die abgefragten Themen umfassten die Wildtierkunde, sprich beispielsweise Tierarten bestimmen, Paarungszeiten wissen, Krankheiten erkennen. Aber auch Gesetze und Hygienevorschriften mussten gepaukt werden. Im praktischen Teil war die Waffenkunde und -handhabung einer der Schwerpunkte. „Der Umgang mit Waffen ist bei der Jagdprüfung nach wie vor das strengste Thema. Bei einem sicherheitsrelevanten Fehler ist man sofort durch die Prüfung gefallen. Darauf wurde schon immer viel Wert gelegt“, betont Hans Werner Moser.

Nach der Prüfung legt die Waffenbehörde die Person im Jagd- und Waffenprogramm an, checkt, ob diese als zuverlässig gilt, und stellt dann letztlich den Jagdschein aus. Damit kann dann eine Langwaffe erworben werden. Der Kauf ist jedoch innerhalb von 14 Tagen bei der Waffenbehörde zu melden, und wird dann in die Waffenbesitzkarte eingetragen.

Vergangene Gesetzesänderungen

Doch nicht nur der Erwerb ist kein „Zuckerschlecken“, sondern auch dem Besitz von Waffen wurden in der Vergangenheit immer mehr Steine in den Weg gelegt. Laut Bundesministerium des Innern und für Heimat regelt das Waffengesetz (WaffG) alle Fragen des Umgangs mit Waffen oder Munition. Sprich den Erwerb und Besitz, das Führen, Schießen und die Aufbewahrung, die Herstellung und den Handel sowie Erlaubnisse und Verbote.

Am 1. April 2003 trat eine Neuregelung dieses Waffenrechts in Kraft, welches in den letzten 20 Jahren jedoch mehrfach verändert wurde. Große Gesetzesänderungen wurden zum 6. Juli 2017 sowie zum 1. September 2020 wirksam.

Das Grundkontingent

Kevin Strobel vom Meßstetter Schützenverein führt in unserem Gespräch das „Grundkontingent“ an, das im letzten Jahr in Baden-Württemberg eingeführt wurde. Dieses regele, dass eine Person nur zwei Kurzwaffen und drei halbautomatische Langwaffen besitzen darf. Für jede weitere Waffe muss der Einsatz bei Wettkämpfen nachgewiesen werden. Das hört sich vernünftig an, ist in der Praxis hin und wieder aber komplizierter.

Angenommen ein 70-Jähriger, der einst ein aktiver Schütze war und dessen Vater, Großvater und vielleicht auch der Urgroßvater ebenso Schützen waren, besäße mehr Waffen als nach diesem Gesetz festgelegt – als Familienerbstücke mit sentimentaler Bindung. Er müsse seine Waffen abgeben, obwohl er diese nicht einmal mehr in Gebrauch nehme.

So ähnliche Situationen gab es tatsächlich im Umfeld des Meßstetter Schützenvereins. „Viele sind nur Hobbyschützen. Da war totales Chaos. Niemand wusste, was das bedeutet“, erinnert sich Kevin Strobel. Sein Handy klingelte beinahe in Dauerschleife, die Folge waren Panikverkäufe und Austritte aus dem Verein.

Die Aufbewahrung

Eine andere Verschärfung betraf die Aufbewahrung der Legalwaffen. Diejenigen, die eigene Waffen besitzen, haben diese laut Kevin Strobel bei sich zuhause. Die Vereinswaffen hingegen seien in einem Tresorraum verschlossen. Dieser sei mit Waffenschränken ausgestattet, habe keine Fenster und auch nur eine Tür.

Der Raum sei außerdem abgeriegelt und nur für bestimmte Personen zugänglich – nämlich für den Vorsitzenden und die Standaufsicht, die sowohl einen Lehrgang gemacht hat als auch von der Vorstandschaft gewählt wurde. Zwar wieder eine Sache des Vertrauens, doch das gewinne die jeweilige Person laut Kevin Strobel nicht schon nach dem ersten Jahr Vereinszugehörigkeit.

Solche Verschärfungen sind zwar von außen nachvollziehbar und scheinen sinnvoll, doch für Schützenvereine bergen sie immer ein gewisses Risiko. Beispielsweise bei großen Investitionen, wie Kevin Strobel meint: „Wenn morgen was passiert, dann kann es sein, sie verbieten das nächste und so geht das immer weiter.“

Spezielle Waffenschränke

Auch die Jägerinnen und Jäger wurden in den vergangenen Jahrzehnten mit schärferen Gesetzen konfrontiert. „Die letzten 20 Jahre wurden zwei, drei Verschärfungen eingeführt“, so Hans Werner Moser. Als Beispiel nennt er die Einführung des Gesetzes, dass in jedem Jagdhaushalt ein spezieller Waffenschrank zur Aufbewahrung der Jagdwaffen stehen muss. „Wir mussten früher nur einen verschlossenen Schrank haben, wie ein Kleiderschrank mit Schloss“, beschreibt der Jäger die Situation vor dieser Gesetzesänderung.

Später musste er außerdem den Kaufbeleg des Waffenschranks sowie ein Foto von diesem an die Waffenbehörde schicken. „Im Zuge der weiteren Verschärfung kam dann jemand zum Kontrollieren“, fährt der Obernheimer fort.

Waffenbesitz im Zollernalbkreis

Doch selbstverständlich sind Kevin Strobel und Hans Werner Moser nicht die einzigen Legalwaffenbesitzer im Landkreis. „Im Zollernalbkreis gibt es momentan circa 12.000 Waffen (Anmerkung der Redaktion: Stand 1. Juni 2023). Die Anzahl ändert sich täglich, da Inhaber von waffenrechtlichen Erlaubnissen versterben, Waffen veräußern, Waffen erwerben, in andere Zuständigkeitsbereiche umziehen oder Waffen der Vernichtung zugeführt beziehungsweise unbrauchbar gemacht werden“, klärt das Landratsamt auf.

Außerdem sei eine Ablehnung der Ausstellung von Waffenscheinen sehr selten. Beim Kleinen Waffenschein erfolge „des Öfteren eine Ablehnung aufgrund fehlender erforderlicher Zuverlässigkeit oder der fehlenden persönlichen Eignung.“

Zuverlässigkeitsprüfungen sind Pflicht

Auf Nachfrage, wie oft denn im Anschluss sogenannte Zuverlässigkeitsprüfungen (ZÜP) bei den Waffenbesitzenden durchgeführt werden, erklärt die Behörde, dass das Waffengesetz eindeutig regele, wann diese anstehen, nämlich: Vor Ausstellung der waffenrechtlichen Erlaubnis, vor Verlängerung eines Jagdscheins, aber mindestens alle drei Jahre. Sie fügt aber hinzu: „Bestehen Erkenntnisse oder Zweifel an Waffenbesitzern, wird personenbezogen und zeitunabhängig eine ZÜP durchgeführt.“ Insgesamt gesehen laufen die Überprüfungen laut Landratsamt reibungslos.

Knackpunkt 1: Zu selten kontrolliert

Hört sich zunächst sicher an. Doch es ergibt sich ein erster Knackpunkt: Kontrollen werden zwar regelmäßig durchgeführt, doch regelmäßig ist hier wohl ein dehnbarer Begriff. „Man hört immer mal wieder, dass nicht genug geprüft wird, nicht in unserer Region, jedoch in Ballungsräumen. Man braucht nichts verschärfen, wenn man es eh nicht kontrollieren kann. Da kannst du alle legalen Waffen einziehen, aber das wird nichts ändern“, findet der Jäger Hans Werner Moser. „Ich bin bisher einmal kontrolliert worden. Vor sechs oder sieben Jahren wurden auf dem Heuberg viele Jäger kontrolliert und letztes Jahr einige nochmal.“

Knackpunkt 2: Illegale vs. legale Waffen

Der zweite Knackpunkt: In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ist nicht aufgenommen, ob bei Straftaten illegale oder legale Waffen benutzt wurden. Das nerve den Schützen Kevin Strobel unheimlich. „Tatsächlich differenziert die PKS weder zwischen erlaubnispflichtigen und erlaubnisfreien Waffen noch ob es sich um eine legale oder illegale Schusswaffe handelt“, bestätigt René Vorspohl, Sprecher des Bundeskriminalamts (BKA), welches die PKS erstellt.

Wieso aber nicht? René Vorspohl erklärt, mit der Kriminalstatistik verfolge man unter anderem das Ziel, „Kenntnisse zur Verhinderung beziehungsweise Bekämpfung von Straftaten sowie Grundlagen für kriminologisch-soziologische Forschungen und kriminalpolitische Maßnahmen zu erlangen.“

Hierzu bedürfe es laut des BKA-Sprechers hinreichend belastbarer Daten. Bei den unaufgeklärten Fällen lasse sich in der Regel jedoch nicht zweifelsfrei feststellen, ob es sich bei der verwendeten Schusswaffe um eine legale oder illegale gehandelt hat.

Was bringen die Verschärfungen?

Aber zurück zu eingangs gestellter Frage: Was bringen die Verschärfungen des Waffenrechts wirklich – wenn nicht einmal öffentlich ersichtlich ist, ob legaler oder illegaler Waffenbesitz das Problem ist? „Einige Waffen sind potenziell tödlich. Das braucht man nicht totzuschweigen. Aber das interessiert uns nicht, wir machen Löcher in Papier, sonst nichts“, so Kevin Strobel, der Vorsitzende der Meßstetter Schützenvereinigung.

Illegaler Besitz ist Hauptproblem

Der Jäger Hans Werner Moser hat dazu auch eine eindeutige Meinung: „Ohne Hintergrundwissen sagt man da klar: Das muss verschärft werden, damit nichts passiert. Aber im Grunde bringt es nicht viel. Wir haben schon das strengste Waffengesetz oder zumindest eines der strengsten in der EU. Man macht nur den legalen Waffenbesitzern das Leben schwerer, ohne einen Effekt zu sehen. Uns kann man leicht drankriegen, wir sind ja benannt. Die Umsetzung und Einhaltung bestehender Waffengesetze würde ausreichen. Ein Restrisiko bleibt zwar immer, aber wenn man wirklich Kriminalität einschränken will, muss man den illegalen Besitz angehen.“

Gibt es überhaupt einen Ausweg?

Doch lässt sich diese Herausforderung überhaupt bewältigen? Durch zwar stattfindende, aber unregelmäßige Kontrollen und angedrohte Sanktionen oder Bußgelder wird sich der illegale Waffenbesitz in Deutschland wohl kaum einschränken lassen.

Waffenbesitzkarte, Waffenschein und „kleiner“ Waffenschein

Eine Waffenbesitzkarte (WBK) berechtigt dazu, eine Waffe zu kaufen und zu besitzen, wohingegen ein Waffenschein das Führen einer Waffe erlaubt.

Der Kleine Waffenschein berechtigt dabei zur Führung von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen in der Öffentlichkeit. Zum Erwerb dieser ist außerdem keine WBK erforderlich.

Der Waffenschein gemäß § 10 WaffG, umgangssprachlich auch „Großer Waffenschein“ genannt, wird bei allen anderen Schusswaffen benötigt. Nur wer ein begründetes Bedürfnis nachweisen kann, erhält ihn.

Für beide Waffenscheine regelt der § 4 im WaffG die Voraussetzungen, die da wären: Volljährigkeit, Zuverlässigkeit (über ein Führungszeugnis nachgewiesen), persönliche Eignung (zum Beispiel psychische Stabilität).

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