Hechingen

Umstritten, aber rechtens: Wieso Hechingen die AfD-Dauerwerbung am Marktplatz dulden muss

25.07.2023

Von Michael Würz

Umstritten, aber rechtens: Wieso Hechingen die AfD-Dauerwerbung am Marktplatz dulden muss

© Ralf Biesinger

Passt durch: ein Elektro-Rollstuhl. Eines der Kriterien, wieso die Stadt zumindest die AfD-Werbung vor einem Hechinger Reisebüro als rechtens einordnet.

Darf, wer ein Reisebüro betreibt, vor seinem Laden offensiv Werbung für die AfD betreiben? Und muss die Stadt diesen „Imageschaden“, wie Kritiker meinen, dulden? Diese Frage wird in der Zollernstadt schon seit geraumer Zeit diskutiert. Interessante Einblicke bietet jetzt eine Stellungnahme der Stadtverwaltung auf eine Anfrage der Bunten Liste im Gemeinderat.

Gewissermaßen strategisch günstig liegt die Ladenfläche am Hechinger Marktplatz: Der Inhaber, zugleich AfD-Stadtrat im Hechinger Gemeinderat, bietet in seinem Schaufenster nicht nur Reisen in ferne Länder an, sondern macht auch keinen Hehl aus seiner politischen Einstellung. Im Gegenteil. „Im Schaufenster des Reisebüros hängen Plakate, die unter anderem einen aktuellen Bundesminister als Verbrecher diffamieren oder Grünwählern den Zutritt verweigern“, stellt die Bunte Liste im Gemeinderat in ihrer Anfrage an die Stadtverwaltung fest. Und vor dem Laden gehört ein Infostand samt AfD-Sonnenschirm im Umfeld des Rathauses bekanntlich schon fast zum Hechinger Stadtbild. Jedenfalls wenn die Baustraße den Aufbau zulässt.

Es gibt eine Sondernutzungserlaubnis

Darf der Mann, namentlich Johannes Simon, das? Ja, sagt die Stadt. Denn: „Herr Simon erhält hierzu monatlich eine Sondernutzungserlaubnis.“ Jeder habe schlicht das Recht, einen kleinen Infostand auf öffentlichen Flächen aufzustellen. Es geht also um den Grundsatz der Gleichbehandlung. Genehmigt werde der Infostand im monatlichen Turnus, informiert die Stadt außerdem. Hierfür stelle man dem Betreiber monatlich 20 Euro in Rechnung. So sieht es das Gebührenverzeichnis der Sondernutzungssatzung vor.

Das Hausrecht gilt auch fürs Schaufenster

Grundlage der Sondergenehmigung sei laut Stadt darüber hinaus, dass „immer ein ausreichender Durchgang für Rollstuhlfahrer oder Kinderwägen vorhanden ist“.

In ihrer Anfrage wollte die Bunte Liste auch wissen: „Welche Handhabe hat die Stadt, um öffentliche Diffamierung und Diskriminierung wie die genannten Schaufensterplakate zu unterbinden?“ Da wird es knifflig: Denn das Hausrecht, das der Eigentümer ausübt, gelte auch für die Schaufenster der Geschäftsräume, schreibt die Stadt in ihrer Stellungnahme. Und im Falle von persönlichen Beleidigungen, Diffamierungen konkreter Personengruppen, Parteien oder sonstigen juristischen Personen befinde man sich gegebenenfalls im Bereich von Straftatbeständen. Betroffene müssten diese bei der Polizei anzeigen. „Die Stadt selbst ist in solchen Fällen nicht mehr zuständig“, erklärt ebendiese.

Werden die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft?

Eine weitere Frage, die die Bunte Liste von der Stadt beantwortet wissen wollte: „Werden die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um rechtsextremes Gedankengut aus dem öffentlichen Raum bestmöglich fernzuhalten?“ Schließlich sei die AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft „und zahlreiche prominente AfD-Mitglieder als erwiesen rechtsextrem“. So antwortet die Stadtverwaltung: „Die aktuelle politische Diskussion zur AfD und deren Jugendorganisationen wird genau verfolgt und im Falle einer Feststellung der Gesamtpartei als ‚erwiesen rechtsextrem‘ eine Überprüfung zur weiteren Zulässigkeit in die Wege geleitet. Wir behalten uns vor, im Bedarfsfall Anträge auf Sondernutzung nur noch eingeschränkt zu genehmigen beziehungsweise auch abzulehnen. Hierzu kann dann beispielsweise eine genaue Überprüfung der angebotenen Informationen, Flyer etc. erfolgen.“ Auch dies allerdings, betont die Stadtverwaltung, „betrifft nur die Sondernutzung der öffentlichen Flächen!“

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