Albstadt

Syrer Nour Al Fawaz will einfach nur in Ruhe leben

02.01.2019

Nour Al Fawaz und seine Frau kommen als Flüchtlinge nach Deutschland und finden in Albstadt eine neue Heimat. Der 33-Jährige arbeitet in der Hochschule

Wenn Nour Al Fawaz vor fünf Jahren jemand gesagt hätte, dass er heute im Neubau an der Gartenstraße in der Informatik-Fakultät arbeiten würde – er hätte es sicherlich nicht geglaubt. Der 33-jährige Syrer arbeitet seit April 2018 in Vollzeit an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen und spricht fließend Deutsch.

Syrer Nour Al Fawaz will einfach nur in Ruhe leben

© Privat

Nour Al Fawaz an seinem Arbeitsplatz in der Informatik-Fakultät der Hochschule Albstadt-Sigmaringen.

Doch zuvor hat er beklemmende Jahre der Bedrohung erlebt. Nour Al Fawaz muss mit ansehen, wie weite Teile seiner Heimatstadt Damaskus in Schutt und Asche gelegt werden. Der studierte Controller verliert im Krieg Freunde und Verwandte, Waffen und Gewalt sind allgegenwärtig. „Ich konnte so nicht mehr weiterleben“, sagt er. Also fasst er Anfang 2015 den Entschluss, Syrien den Rücken zu kehren; er fliegt nach Libyen. Das Problem: Seine Frau hält sich zu diesem Zeitpunkt in Saudi-Arabien auf. „Ich habe versucht, sie zu mir zu holen“, berichtet er. Doch es vergehen anderthalb Jahre, bis das gelingt.

Nun sind sie zwar zusammen, doch das Leben in Libyen ist wieder geprägt von Waffen, Gewalt, Chaos. Nour Al Fawaz kauft ein kleines Boot. An Bord sind er, seine Frau und deren Onkel. Außerdem Trinkwasser, ein paar Snacks, Kaugummi. Und insgesamt 1500 Euro.

Frühmorgens geht es in Tripolis los, „ich dachte, dass wir es in 13 bis 15 Stunden bis Lampedusa in Italien schaffen können“. Doch unterwegs sagt der Wetterbericht Unheil voraus, Nour Al Fawaz verständigt mit seinem Satellitenhandy die italienische Küstenwache. Sie greift die drei Menschen auf, die sich jetzt auf einem Schiff mit rund 1000 afrikanischen Flüchtlingen an Bord wiederfinden.

Doch die Familie möchte nach Deutschland. Für die Reise über die Schweiz setzt Nour Al Fawaz alles auf eine Karte: „Ich habe Erste-Klasse-Tickets gekauft, meinen besten Anzug angezogen und im Zug mein Tablet und die Fahrkarten auf den Tisch gelegt.“ Es klappt: Die Reisenden kommen bis Zürich und nehmen von dort aus ein Taxi nach Horb. Mit seiner Frau lebt Nour Al Fawaz anschließend sechs Monate lang in der LEA in Meßstetten.

Nach sechs weiteren Monaten in der Gemeinschaftsunterkunft in Ebingen bezieht das Paar seine eigene Wohnung. Nour Al Fawaz‘ Freund Karlo Gerstenecker ist es schließlich, der an der Fakultät Informatik den Laborbetriebsleiter Knut Kliem kennt und nach einer Stelle für den jungen Syrer fragt. Aus einem Praktikum wird so eine Teilzeit-, schließlich eine Vollzeitstelle als Systemadministrator.

„Innerhalb kürzester Zeit lernte Nour Al Fawaz Deutsch und integrierte sich in die Arbeitsprozesse“, sagt Knut Kliem. „Mit seinem Studium und seinen praktischen Fähigkeiten ist er hier ein gefragter Mitarbeiter.“ Das kann Holger Morgenstern, Dekan der Fakultät Informatik, nur bestätigen. „Nour Al Fawaz ist eine echte Bereicherung für unsere Fakultät“, sagt er.

Von seiner Frau, die selbst viel mit syrischen Flüchtlingen arbeitet, weiß Holger Morgenstern, „dass es gar nicht so leicht ist, nach einer Flucht alle erforderlichen Genehmigungen, Zeugnisse, Beglaubigungen und Papiere zu bekommen“. Doch Nour Al Fawaz habe es geschafft – „ein schönes Beispiel für eine gelungene Integration“.

Das findet auch Hochschulrektorin Ingeborg Mühldorfer. „Es ist gut, wenn wir als Hochschule unseren Teil dazu beitragen können, geflüchteten Menschen bei uns eine neue Perspektive und damit Hoffnung zu geben“, sagt sie. Eine Rückkehr nach Syrien ist für Nour Al Fawaz und seine Frau derzeit ausgeschlossen. „Wir wollen einfach nur in Ruhe leben, und wir lieben Albstadt“, sagt er. Ihm sei es außerdem überhaupt nicht schwergefallen, die deutsche Kultur zu verstehen und sich zu integrieren.

Diesen Artikel teilen: