Albstadt

Staatsanwältin ermahnt Angeklagten: „Damit müssen Sie klar kommen für den Rest Ihres Lebens“

24.05.2024

Von Holger Much

Staatsanwältin ermahnt Angeklagten: „Damit müssen Sie klar kommen für den Rest Ihres Lebens“

© Holger Much

Das Hechinger Amtsgericht verurteilte einen ehemaligen Angestellten eines Albstädter Pflegeheimes zu einer Haftstrafe ohne Bewährung. Er hatte nach Ansicht des Gerichts zwei Bewohnerinnen sexuell belästigt, aber nur eine Tat zugegeben.

Ein 26-jähriger Albstädter muss für 2 Jahre und 9 Monate hinter Gitter. Für den Richter steht fest, dass der Verurteilte sich nicht nur an einer, sondern an zwei Seniorinnen, vergangen hat. Zugegeben hat der ehemalige Pfleger nur eine der ihm zu Last gelegten Taten.

Das Geschworenengericht des Hechinger Amtsgerichtes verurteilte einen ehemaligen, 26-jährigen Pfleger zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten für sexuellen Missbrauch an zwei kranken und behinderten Personen. Damit blieb das Urteil noch deutlich unter den 3 Jahren und 6 Monaten, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

In beiden Fällen jedoch ist die Möglichkeit einer Bewährung ausgeschlossen. Die Verteidigung des Mannes hielt ein Strafmaß von 2 Jahren für angemessen, das noch hätte zur Bewährung ausgesetzt werden können. Zudem muss er den Nebenklägern, den Erben der bereits verstorbenen Seniorin, ein Schmerzensgeld in Höhe von rund 5000 Euro in monatlichen Raten zahlen und er trägt die Kosten der Verhandlung.

Seniorinnen in sexueller Absicht genähert

Inhaltlich folgte das Gericht damit aber ganz klar der Anklage der Staatsanwaltschaft: Beide gegen davon aus, dass der Angeklagte, ein 26-jähriger Mann aus Albstadt, der als Pflegefachkraft in einem Albstädter Seniorenheim arbeitete, sich im Laufe des Jahres 2023 zwei pflegebedürftigen Seniorinnen in sexueller Absicht genähert und entsprechend eindeutige Handlungen an den Frauen durchgeführt habe.

Die weit diese Handlungen besonders im zweiten Fall gingen, das konnte nicht genau geklärt werden. „Was dort im Badezimmer passierte“, redete die Staatsanwältin dem Angeklagten scharf ins Gewissen, „das können nur Sie wissen. Und Sie müssen damit klar kommen für den Rest Ihres Lebens.“

Mit Schreien hatte sie sich gewehrt

Eine über 90 Jahre alte Bewohnerin habe er geduscht und sie dann gebeten, sich über die Toilette zu beugen. In der Aussage der Geschädigten, die vom Richter vorgelesen wurde, weil die alte Dame aufgrund ihres fragilen Zustandes nicht zur Vernehmung vor Gericht geladen werden konnte, bestätigt diese mehrfach, der Angeklagte habe mit seinem Geschlechtsteil an ihrem Po manipuliert. Mit Schreien hatte sie sich gewehrt, worauf er dann verschwunden sei.

Mit einer weiteren, über 70-jährigen und stark dementen Bewohnerin, die inzwischen verstorben ist, seien, so die Staatsanwältin, über den Zeitraum von sechs Stunden wohl immer wieder missbräuchliche Handlungen vorgefallen. Eine Kollegin des Pflegers hatte ihn bereits hinter einem Paravent entdeckt, mit den Beinen der dementen Frau auf den Schultern. In der Zeit bis 13 Uhr wurde dann zweimal festgestellt, dass er sich mit der Frau in der Toilette eingeschlossen hatte – ein Vorgehen, das laut Aussagen zahlreicher anderer Pflegerinnen in dem Albstädter Pflegeheim völlig unüblich sei.

Geständnis mit bitterem Beigeschmack

Der ehemalige Pfleger, der nun in Untersuchungshaft sitzt, hatte diese letzte Tat zugegeben. Ein Geständnis, formulierte die Staatsanwältin, das vor dem Hintergrund, dass sein Handeln mehrfach beobachtet und entdeckt wurde, einen „bitteren Beigeschmack“ habe. Leugnen hätte ja keinen Zweck gehabt. Den Vorwurf, die über 90-Jährige missbraucht zu haben, weist der Angeklagte bis heute von sich. Er sei nur, so hatte er damals auch der Pflegedienstleitung zu erklären versucht, „grob beim Waschen“ gewesen.

Aufgrund der Stringenz und Klarheit der Aussagen der alten Dame jedoch, betonte der Richter am Freitag bei der Urteilsbegründung, und weil sie keinerlei Motiv gehabt habe, den zuvor von allen als freundlich und nett wahrgenommenen Pfleger mit erfundenen Geschichen in Misskredit zu bringen, sei man davon überzeugt, dass der Angeklagte auch sie tatsächlich missbraucht habe. In seiner Expertise bescheinigte ihm der Psychiater zwar ein depressives Naturell und berichtete von verwahrlosten Zuständen beim Angeklagten zuhause.

Staatsanwältin: Dem Angeklagten könnte die Ausweisung drohen

In seinem Zimmer im Elternhaus habe dieser oft Pornografie konsumiert, Gläser mit Urin seien herumgestanden. Dennoch, so der Psychiater, könne bei ihm keine schwerwiegende Störung, keine eingeschränkte Einsicht in seine Handlungen oder eine eingeschränkte Steuerungsfähigkeit diagnostiziert werden. Seine Handlungen habe er bewusst begangen, in voller Schuldfähigkeit. Die Sozialprognose sei „offen bis ungünstig“.

In ihrem Plädoyer machte die Staatsanwältin dem 26-Jährigen zudem klar, dass ihm als türkischer Staatsbürger bei einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung mit großer Wahrscheinlichkeit die Ausweisung drohe. Der Verteidiger überlegt sich bis nächste Woche noch, ob er gegen das Urteil Einspruch einlegen wird.

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