Zollernalbkreis

Raus in die Öffentlichkeit: ZAK porträtiert die Selbsthilfegruppen im Zollernalbkreis

29.01.2023

Von Klaus Irion

Raus in die Öffentlichkeit: ZAK porträtiert die Selbsthilfegruppen im Zollernalbkreis

© Jasmin Alber

Der Sprecherrat der Selbsthilfegruppen im Zollernalbkreis. Hintere Reihe von links: Jürgen Renz, Adalbert Gillmann und Heinz Weisser. Vordere Reihe von links: Elfriede Adler-Merbach, Mario Stadtmüller, Ingrid Gonser.

Geteiltes Leid ist halbes Leid: Das alte Sprichwort hat nichts von seiner Wahrhaftigkeit verloren. Ein gemeinsames Schicksal meistern, sich Hilfe suchen und sich gegenseitig unterstützen. Das alles leisten Selbsthilfegruppen in unterschiedlichsten Problemfeldern. 60 davon gibt es im Zollernalbkreis, der ZOLLERN-ALB-KURIER holt deren wertvolle Arbeit nun einzeln heraus ans Licht der Öffentlichkeit.

Heinz Weisser weiß, wovon er spricht. Er weiß, wie es sich anfühlt, wenn einen die Kraft verlässt, wenn es einem unmöglich wird, die einfachsten Aufgaben zu erledigen. Die Ursache war nicht physischer Natur. Seine Psyche wollte nicht mehr. Die Folge: Burnout.

Eine Anlaufstelle bieten

Heute kann der Balinger befreit über diese Zeit sprechen. Über die Zeit des Krankseins hinweggeholfen haben ihm Spezialisten. Doch wollte Heinz Weisser das Erlebte auch ganz persönlich verarbeiten, und mehr noch: Er wollte Menschen, die das gleiche Schicksal erlitten hatten, eine Anlaufstelle bieten, um sich gegenseitig Mut zu machen, um sich auszutauschen, einfach um verstanden zu werden. So entstand die Selbsthilfegruppe „Burnout-Hilfe-Zollernalb“.

Bisher Einzelkämpfer

Weissers Gruppe ist eine von derzeit 60 gesundheitsbezogenen beziehungsweise psychosozialen Selbsthilfegruppen (SHG) im gesamten Zollernalbkreis. „Diese Selbsthilfegruppen waren bisher mehr oder weniger Einzelkämpfer, ohne Vernetzung, ohne regelmäßige Kommunikation und ohne regelmäßigen Informationsaustausch.“ Das sieht heute anders aus.

Sprecherrat seit 2021

Die Selbsthilfegruppen im Zollernalbkreis haben sich inzwischen vernetzt. Und am 13. August 2021 wurde ein sechsköpfiger Sprecherrat aus der Taufe gehoben. Es sind dies Ingrid Gonser (SHG Chronische Schmerzen), Mario Stadtmüller (SHG Stomaträger), Elfriede Adler-Merbach (SHG Tracheostoma und SHG Schädel-Hirnpatienten), Jürgen Renz (Parkinson Selbsthilfe Zollernalb), Adalbert Gillmann (SHG für Eltern suchtgefährdeter und suchtkranker Kinder Hechingen/Zollernalb) und eben Heinz Weisser, der neben der SHG Burnout Zollernalb auch der SHG Konflikte und Mobbing am Arbeitsplatz vorsteht.

Entspricht dem Leitbild

Mit dieser Zusammensetzung entspricht der Sprecherrat im Bereich der unterschiedlichen Anliegen der Selbsthilfegruppen dem eigenen Leitbild, das die Bereiche körperliche Krankheiten/Behinderungen, seelische Krankheiten/Behinderungen, Sucht und soziale Gruppen abdecken soll.

4. Säule des Gesundheitssystems

Nach Weissers Angaben werden mit den 60 SHGs über 1500 direkt Betroffene, aber darüber hinaus eben auch viele zusätzliche Angehörige erreicht. „Die Selbsthilfe in all ihren Facetten ist eine wichtige Ergänzung zu Regelversorgungssystemen.“ Oder anders ausgedrückt die 4. Säule des Gesundheitssystems in Deutschland neben der ambulanten Versorgung, der stationären Versorgung und dem öffentlichen Gesundheitsdienst.

Eng eingebunden

Im Zollernalbkreis sind die SHGs aber auch eng eingebunden in eine neue Struktur, wie Weisser erläutert. „Sie umfasst die Kontakt- und Informationsstelle für gesundheitsbezogene Selbsthilfe der AOK Neckar-Alb – kurz KIGS ebenso wie den Rosenfelder Bürgermeister Thomas Miller in seiner Funktion als kommunaler Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderung im Zollernalbkreis. Dritter im Bunde ist das Sozial- und Rechtsdezernat des Landkreises, dessen Mitarbeiterin Janessa Roos als Ansprechpartnerin für die Selbsthilfegruppen fungiert.

Persönlich oder digital

„Diese 4 Ansprechpartner unterstützen sich gegenseitig bei allen Themen der Selbsthilfe“, betont Weisser. Sei es im persönlichen Miteinander oder auch auf digitalem Weg. Letzterer war während der Corona-Pandemie unerlässlich, denn „über einen langen Zeitraum waren auch bei uns keine Präsenztreffen der Gruppen möglich, da die notwendigen Räumlichkeiten gesperrt waren“.

Digitalisierung aufgebaut

Die Schwierigkeit dabei: Viele SHGs hatten sich zuvor technisch noch gar nicht auf die plötzlich notwendige Digitalisierung eingestellt. Die Mitglieder des Sprecherrats sprangen in dieser Zeit in die Bresche. Sie unterstützten manch eine Selbsthilfegruppe beim Kauf und der Handhabung der entsprechenden Technik. „Wir haben auch begonnen, kostenlose PC-Kurse und Handlungsanleitungen für Videokonferenzen anzubieten“ ergänzt Weisser.

Downloads in der Cloud

Das Thema Digitalisierung hat sich nun zwar in der endemischen Corona-Phase relativiert, Präsenztreffen sind wieder möglich, die Kurse und Anleitungen werden vom Sprecherrat gleichwohl konsequent weiterverfolgt. „So stellen wir inzwischen auch umfangreiche Informationen für die Selbsthilfe und für Anfragen von Betroffenen in unserer Cloud kostenlos zum Download zur Verfügung.“ Weitere Infos hierzu gibt es auf selbsthilfe-zollernalb.de

Junge Selbsthilfe

Sich digital auf dem Laufenden zu halten, ist für viele SHGs im Zollernalbkreis aber auch aus einem weiteren Grund unverzichtbar. Stichwort: Junge Selbsthilfe. Laut Heinz Weisser liegt das Durchschnittsalter der Mitglieder in Selbsthilfegruppen zwischen 60 und 65 Jahren. „Dabei gibt es Betroffene in allen Altersstufen.“ Die jungen Betroffenen aber erreiche man nicht über wöchentliche oder monatliche Präsenztreffen. „Darauf müssen wir uns längst einstellen, und das tun wir auch.“

Kooperation mit dem ZAK

Was die Selbsthilfegruppen im Zollernalbkreis konkret anbieten, wie sie unterstützen, welche Schwierigkeiten sich dabei auftun, aber vor allem auch, welche Probleme sich für Betroffene jeden Alters ergeben: Das wird der ZOLLERN-ALB-KURIER in den kommenden Monaten Gruppe für Gruppe darlegen. Die Reihenfolge der Veröffentlichungen wird dabei in enger Abstimmung mit dem Sprecherrat erfolgen, so dass keine der Selbsthilfegruppen Bedenken haben muss, übersehen oder gar übergangen zu werden.

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