Geislingen

Ratschen wie anno dazumal: Alter Brauch wird an Karfreitag in Geislingen wieder zum Leben erweckt

26.03.2024

von Ute Koch

Ratschen wie anno dazumal: Alter Brauch wird an Karfreitag in Geislingen wieder zum Leben erweckt

© Ute Koch

Heiner Kirmeier mit der Ratsche, die er gebaut hat.

In Geislingen ruft am kommenden Karfreitag seit Jahrzehnten wieder eine Ratsche zum Gottesdienst. Diesen Brauch gibt es, weil die Glocken an diesem Tag schweigen. Heiner Kirmeier hat eine Ratsche originalgetreu nachgebaut.

Üblicherweise verstummen nach dem Gloria in der Messe vom letzten Abendmahl am Gründonnerstag die Kirchenglocken bis zum Gloria in der Osternacht. Da das Geläut der Kirchenglocken meist eine festliche Stimmung vermittelt, war dieses während der Leidenszeit und Grabesruhe von Jesus Christus nicht angebracht.

Glocken bleiben stumm

Auch die Glocken der St. Ulrichskirche in Geislingen verstummen während dieser Tage. Um die Gläubigen dennoch zum Gebet zu rufen, wurden bereits vor vielen Jahrzehnten mit der sogenannten Karfreitagsratsche die Gottesdienste angekündigt und während der Messe mit kleinen Handratschen das Geläut zur Wandlung ersetzt.

Viele ältere Geislinger kennen den Brauch der „Karfreitagsratschen“ noch aus ihrer Kindheit, andere nur noch aus Erzählungen von Eltern oder Großeltern, allerdings wusste niemand, weshalb der alte Brauch Ende der 1950er Jahre unter dem damaligen Ortspfarrer Paul Münch eingestellt wurde. Kirchenpfleger Heiner Kirmeier kannte den Brauch noch aus seiner bayrischen Heimat und erinnert sich gut an den Spaß, den er selbst als Kind hatte, wenn er ratschen durfte.

Brauch auch in Indien

Auch Pater Augusty war dieser Brauch von früher aus seiner Heimat Indien und seine bisherigen Stellen in Innsbruck, Ellwangen und Scheer noch in guter Erinnerung. Sogar in so guter Erinnerung, dass er diesen Brauch in Geislingen schmerzlich vermisste. Nach einem Gespräch über die Kindheitserinnerungen, machte sich Kirmeier auf die Suche nach der Ratsche, die früher benutzt wurde, die jedoch nicht mehr auffindbar war.

Kurzerhand beschloss Kirmeier dann, eine Ratsche zu bauen, nicht jedoch ohne sich zuvor mit Pater Augusty besprochen zu haben. Schnell war klar, dass diese Ratsche, sollte sie rechtzeitig fertiggestellt werden, in diesem Jahr wieder eingesetzt werden soll.

Ohne Bauplan an die Arbeit

Da Kirmeier schon als Kind zuhause auf dem Hof und in der Schreinerei des Vaters mithelfen musste, machte er sich ohne Bauplan an die Arbeit. Hilfreich waren Fotos und Videos, die im Internet zu finden waren und ein technisches Grundverständnis sowie Grundkenntnisse der Schreinerarbeit. An den an sich freien Samstagen war der technische Einkäufer fortan in seiner Werkstatt zu Hause anzutreffen und innerhalb von etwa 20 Arbeitsstunden war die Ratsche fertiggestellt.

Diese soll nun am Karfreitag und Karsamstag zum Gottesdienst rufen. Auch zu den Gebetszeiten um 6 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr werden die Ministranten mit der neu gebauten Ratsche zum Gebet aufrufen und so einen alten Brauch wieder zum Leben erwecken.

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