Sigmaringen

Nach Kündigungen im Krankenhaus: Hunderte Menschen demonstrieren in Sigmaringen

11.12.2023

von Mareike Keiper, Yannick Rehfuss

Nach Kündigungen im Krankenhaus: Hunderte Menschen demonstrieren in Sigmaringen

© Mareike Keiper

Dennis Schmatz spricht bei der Demonstration als Vertreter der Belegschaft. Neben ihm steht Landrätin Stefanie Bürkle mit Fackel in der Hand, ein „Zeichen der Hoffnung“.

Die Wut war spürbar: Weil um die 70 Stellen am Krankenhaus in Sigmaringen eingespart werden, haben Hunderte Menschen am Montagabend protestiert und Grabkerzen angezündet – Betroffene wie auch andere Bürgerinnen und Bürger. Nachdem sie an der Klinik gestartet waren, versammelten sie sich danach vor dem Landratsamt, wo gerade der Kreistag getagt hatte, um ihren Unmut kundzutun. Wir haben die Stimmung in Bild, Text und Video eingefangen.

Einige Betroffene trugen Schilder um den Hals, auf denen „gekündigt“ stand. Eine von ihnen war Elvira Ahrend, die 20 Jahre lang in der Küche des Krankenhauses gearbeitet und nun das Kündigungsschreiben erhalten hat. „Und das kurz vor der Rente“, sagte die 62-Jährige im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung.

Neues Personal kurz vor Kündigungswelle eingestellt

Was sie besonders kritisierte: Kurz vor der Kündigungswelle habe der SRH-Konzern, der gemeinsam mit dem Landkreis Träger des Krankenhauses ist, Küchenpersonal mit neuen Verträgen und anderen Konditionen eingestellt. Dieses Angebot hätte sich Ahrend auch gewünscht, das sei eine verträglichere Lösung gewesen als die Kündigung.

Auch Inge Kern gehört zum betroffenen Küchenpersonal. „Mit 61 Jahren muss ich mich nun neu orientieren“, sagte Kern. Fünf Wochen nachdem ihr die Kliniken zum 40. Dienstjahr gratuliert hatten, erhielt sie die Kündigung.

Liane Schiemers arbeitet in der Radiologie. Sie behält ihre Stelle, berichtete aber von vier ihrer Kollegen, die gehen müssen, darunter zwei Medizinische Fachangestellte und zwei Mitarbeiter der Anmeldung. Die Belastung für sie steige: „Ich bin 30 Jahre lang da, aber ich habe Angst, dass ich es so nicht bis zur Rente schaffe.“

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Offizieller Redner auf dem Platz vor dem Landratsamt war Dennis Schmatz, der als Krankenpfleger in der Sigmaringer Klinik arbeitet. Die Menge der Menschen, die am Protest teilgenommen haben, übertreffe die Erwartungen, lobte er und erinnerte daran, dass manche Kollegen nur noch etwa 20 Tage ihren Arbeitsplatz behalten.

„17 Millionen Euro Verlust ist nicht wenig Geld, aber das darf nicht auf dem Rücken der Kollegen ausgetragen werden“, betonte er in Bezug auf die 63 Kündigungen, „viele von ihnen haben sich jahrelang den Allerwertesten aufgerissen und die eigenen Belange hinten angestellt, und jetzt bekommen sie die Kündigung.“

Sein Eindruck sei, dass Krankenhäuser immer mehr zu Fabriken werden, in denen Menschen nicht mehr zählen. Auch das Vertrauen in den SRH-Konzern sei zerschlagen, nachdem dieser zuerst versprochen hatte, die drei Krankenhäuser im Kreis und auch die Geburtenstation zu erhalten – und die Entscheidung dann doch revidiert hat. Die Politik sei nun auf allen Ebenen gefordert und die Fallpauschale müsse endlich abgeschafft werden, denn „sobald Gewinne gemacht werden können, nutzt das jemand aus“, so Schmatz.

Landrätin meldet sich zu Wort

Diverse Kreisräte versammelten sich während des Protests vor dem Landratsamt, darunter auch Landrätin Stefanie Bürkle. Sie hielt eine Fackel in der Hand, „bewusst“, wie sie sagte, „als Zeichen der Hoffnung“. Sie erntete Lachen. Bürkle bezog sich mit ihrer Aussage auf den Entschluss des Kreistags, mehr Geld ins Krankenhaus und dessen Erhalt zu investieren, und kritisierte in dem Zuge Robin Mesarosch, Bundestagsabgeordneter der SPD. Er vertrete den Bund, der wiederum statt des Landkreises finanziell einspringen müsste. „Ich hoffe, Sie nehmen diese Stimmung hier mit nach Berlin“, sagte sie.

Mesarosch führt Protestzug an

Diesen Affront wollte Mesarosch, der den Protestzug zu Beginn anführte, nicht auf sich sitzen lassen. „Ich wehre mich gegen den Vorwurf“, sagte er. Es sei wichtiger, gemeinsam für den Erhalt des Krankenhauses zu kämpfen, statt auf einzelne zu zeigen. Auch am Leopoldplatz, wo der Protestzug endete, hielt er noch einmal eine Ansprache. Die Wut blieb auch dort spürbar.

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