Balingen

Nach Balinger OB-Wahlpodium des ZOLLERN-ALB-KURIER: Eindeutiger Favorit ist nicht in Sicht

08.02.2023

Von Klaus Irion

Nach Balinger OB-Wahlpodium des ZOLLERN-ALB-KURIER: Eindeutiger Favorit ist nicht in Sicht

© Roland Beck

Rund 800 Gäste verfolgten am Dienstagabend in der vollbesetzten Balinger Stadthalle das OB-Wahl-Podium des ZOLLERN-ALB-KURIER.

Ein bis auf den letzten Platz gefüllter Großer Saal der Stadthalle. Oben auf der Bühne 5 von insgesamt 7 Kandidaten, die das Amt des Balinger Oberbürgermeisters anstreben. Davon 2 noch absolut frisch im Wahlkampf. Das OB-Wahl-Podium des ZOLLERN-ALB-KURIER am Dienstag, moderiert von den beiden ZAK-Redakteurinnen Nicole Leukhardt und Jasmin Alber, war Nabelschau und Eigenwerbung der Kandidaten in einem. Der allgemeine Tenor nach Podiumsende: Eine eindeutige Favoritin, ein eindeutiger Favorit auf die Nachfolge von Oberbürgermeister Helmut Reitemann hat sich noch nicht herauskristallisiert.

Dominik Ochs zieht eine Vollmilch-Nuss-Schokolade einer Zartbitterversion vor und das Streamen bei Netflix einem Kinobesuch. Dirk Abel hatte in der Schule lieber Deutsch als Mathe und liest Zeitungen als E-Paper, nicht in der Printversion. Sybille Fleischmann mag lieber den Sommer als den Winter und Bücher mehr als Podcasts, Erwin Feucht würde ein Urlaub auf Sizilien einem solchen auf Sylt vorziehen und favorisiert den Fußball gegenüber dem Handball. Und Siegfried Schäfer isst lieber Spätzle als Spaghetti und zieht im Fernsehen den sonntäglichen „Tatort“ dem „Traumschiff“ vor.

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© Roland Beck

5 der 7 OB-Wahlkandidaten waren mit von der Partie. Von links: Siegfried Schäfer, Dirk Abel, Sybille Fleischmann, Erwin Feucht und Dominik Ochs.

Dem einen Kandidaten fiel die Antwort in der Rubrik „Kurze Frage, kurze Replik“ gänzlich einfach. Dem anderen trieb es sinnbildlich kurz Schweißperlen auf die Stirn. Jetzt nichts Falsches sagen, jetzt keine potenzielle Wählergruppe gegen sich aufbringen. Ergebnis: Alle 5 OB-Bewerber meisterten diese kleine Aufgabe mit Bravour. Das Eis beim Oberbürgermeister-Wahlpodium im Großen Saal der Balinger Stadthalle war gebrochen.

Gewisse Nervosität

Eine gewisse Nervosität, die bei den Kandidaten vor Beginn des offiziellen Teils des Abends zu spüren gewesen war, war endgültig verflogen. Geholfen hatte sicherlich auch, dass sich die möglichen Balinger Oberbürgermeister oder die mögliche Oberbürgermeisterin zum Einstieg auf sicherem Terrain bewegen durften. Maximal 5 Minuten hatten alle Zeit, sich und ihr Programm für Balingen zu präsentieren.

Nicht jeder schöpfte diese Zeit auch aus. Andere wiederum beeilten sich, bei minimaler, noch akzeptabler Zeitüberschreitung alles hineinzupacken, was ihre jeweilige Kandidatur ausmacht und was Balingen bis ins Jahr 2031 – solange währt die kommende Oberbürgermeister-Amtszeit – aufweisen sollte.

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© Roland Beck

Dominik Ochs

Dominik Ochs machte – per Los entschieden – den Anfang und gab gleich einmal die „Rampensau“. In Die-PARTEI-Manier mischte er bei seinem beruflichen Heimspiel – er ist bei der Stadthalle im Bereich Veranstaltungstechnik angestellt – Realpolitik mit Satire. Stellte sich als Stellvertreter derjenigen vor, „die keinen Bock auf die große Politik haben“. Nur um im nächsten Atemzug darauf hinzuweisen, wie wichtig wiederum für ihn die Kommunalpolitik sei. „Sie ist das Rückgrat unserer Demokratie.“ Wer sich mit dem Gedanken trägt, den 28-jährigen Ochs zu wählen, wählt nach seiner Aussage „ein jüngeres, ein dynamischeres Balingen“.

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Dirk Abel

Auch CDU-Kandidat Dirk Abel kokettierte mit seinem Alter. „Mit meinen 45 Jahren stehe ich mitten im Leben.“ Ein Seitenhieb auf die Mitbewerber Ü50 und Ü60? Inhaltlich hob der Pressesprecher des Regierungspräsidiums Tübingen „meine breite Verwaltungserfahrung“ hervor, die er „für den weiteren Erfolg Balingens nutzen will“. Dazu sei er ja auch seit Jahren kommunalpolitisch als Mössinger Gemeinderat aktiv. Das Ziel, das sich Dirk Abel gesteckt hat: „Ich möchte Balingen zu einer Kreativstadt machen und zu einer Stadt, in der es bezahlbaren Wohnraum für Normalverdiener gibt“.

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Sybille Fleischmann

Als weltweit engagierte Hilfsprojektleiterin hat sich auch Sybille Fleischmann, die von der SPD unterstützt wird, zwangsläufig berufliche Kreativität auf die Fahnen geschrieben. „Aber ohne genaue Kenntnis der jeweiligen Verwaltung vor Ort funktionieren solche internationalen Projekte selbstverständlich nicht.“ Sybille Fleischmann ist für viele (zumindest wahlkämpfend) ein neues Gesicht in Balingen, ihrer Geburtsstadt, „in die ich vor einiger Zeit zurückgekehrt bin“. Doch wurde am Podiumsabend deutlich, dass sie nicht auf den in Balingen bekannten Nachnamen – ihr Vater Eugen Fleischmann war Balinger OB – reduziert werden möchte. „Und ich hoffe doch sehr, dass mich auch noch andere Dinge auszeichnen, als ausschließlich, dass ich eine Frau bin.“

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Erwin Feucht

Der wie Fleischmann überparteilich antretende Erwin Feucht möchte auch nicht auf eine einzige Sache reduziert werden. Für den Balinger Stadtrat geht es dabei allerdings um sein ehrenamtlich kommunalpolitisches Engagement bei den Grünen. Gleichwohl ließ der Balinger Stadtrat die Anwesenden wissen, „dass mir Themen wie Biodiversität und Energiesicherheit sehr wichtig sind“. Sollte der gelernte Konditormeister zum Oberbürgermeister gewählt werden, möchte er den Investitionstau, den er in Balingen verortet, abbauen. In punkto Verwaltungserfahrung verwies Erwin Feucht auf seine Vergangenheit als Catering-Unternehmer, „als der ich in Hochzeiten für bis zu 100 Angestellte verantwortlich war“. Sich selbst bezeichnete er daher als „Team Player“.

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Siegfried Schäfer

Siegfried Schäfer versuchte erst gar nicht, zu kaschieren, dass er keine kommunalpolitische Verwaltungserfahrung mitbringt. Er würde im Falle seiner Wahl zum Oberbürgermeister den engen Schulterschluss zu den Amtsleitern im Rathaus suchen und die Position der Ortsvorsteher stärken. „Dafür aber weiß ich besser als jeder andere, wie es Tag für Tag auf den Balinger Straßen zugeht“, betonte der schon jahrzehntelange Streifenpolizist des Reviers Balingen. Die innere Sicherheit ist ihm daher ein besonderes Anliegen. Heruntergebrochen auf die Kreisstadt heiße das für ihn: „Unsere alles in allem sichere Stadt soll auch weiter sicher und sauber bleiben.“

Häufig wenig Unterschiede

So thematisch vielschichtig die Vorstellungsrunden waren, so ununterscheidbar waren viele Antworten auf die Fragen, die am Dienstagabend aus den Reihen der potenziellen Wählerinnen und Wählern gestellt wurden. Natürlich hießen alle Kandidaten die Forderung nach günstigerem (Miet-)Wohnraum gut. Und das dafür notwendige Ausschöpfen staatlicher Fördermittel. Und welcher künftige OB sieht nicht die Notwendigkeit für ausreichend Plätze in den Kindertagesstätten und möchte nicht für ausreichend Flächen für die Balinger Gewerbetreibenden sorgen.

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© Roland Beck

Jasmin Alber, ZAK-Redakteurin und eine der beiden Moderatorinnen des Abends.

Zwar hatte jeder der Kandidaten auch sein argumentatives Alleinstellungsmerkmal. So plädierte Dirk Abel für eine „Servicestelle für Vereine“ und Erwin Feucht dafür, „bei geplanten Neubauten zu hinterfragen, ob 1,5 Stellplätze pro Wohneinheit tatsächlich sein müssen“. Siegfried Schäfer wiederum forderte, „dass die Stadt endlich den örtlichen Tafelladen unterstützt“. Dominik Ochs plädierte ebenfalls für kommunale Unterstützung allerdings „für die Wirtschaften vor Ort“. Und Sybille Fleischmann wüsste, wie man Kita-Fachkräfte in Balingen halten kann, nämlich „in dem man sie besser entlohnt als in Nachbargemeinden und sie dadurch von einer Abwanderung abhält“.

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© Roland Beck

Nicole Leukhardt, ZAK-Redakteurin und die zweite Moderatorin des Abends.

Doch abgesehen von diesen programmatischen „Ausreißern“ war das Podium in punkto Antworten auf Fragen aus dem Publikum von viel Konsens und wenig Kontroversen geprägt. Mehr noch, vor allem Sybille Fleischmann, Dirk Abel und Erwin Feucht spielten sich nicht nur einmal verbal die Bälle zu. Fast so, als wäre der Posten der Oberbürgermeisterin, des Oberbürgermeisters als Job-Sharing-Angebot ausgeschrieben worden.

Wenig Visionäres

Auch bei angefragten Visionen für eine Nachnutzung des heutigen Balinger Krankenhauses, sobald das Zentralklinikum steht, kamen mit Raum für die Stadtverwaltung oder für Modellprojekte zwar realistische Szenarien auf den Tisch, aber wenig Visionäres. Dominik Ochs sorgte dafür noch für einen (ernst gemeinten?) Abschluss-Gag, denn er meinte, dass man genau dort „den Wunsch vieler Balinger nach einer Brauereigaststätte realisieren könnte“.

Einer konnte nicht, einer wollte nicht

Ob die beiden weiteren Kandidaten, Stefan Buck und Markus Robert Weinmann, wenn sie ebenfalls auf der Bühne Platz genommen hätten, für mehr konstruktive Kontroverse gesorgt hätten, sei einmal dahingestellt. Der Privatier und Kreisrat Stefan Buck, der für die Partei Liberal Konservative Reformer antritt, konnte aus privaten Gründen nicht in die Stadthalle kommen. Und der unabhängige Kandidat Markus Robert Weinmann, Elektriker aus Dotternhausen, war zwar in der Halle anwesend, zog es jedoch ausdrücklich „auf eigenen Wunsch“ vor, das ZAK-Podium aus der Zuschauerperspektive zu verfolgen.

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